Ich habe mich bei ABB über das Wochenende durch zahlreiche Ausblicke auf die am Donnerstag anstehende Jahresergebnispräsentation gelesen. Die meisten Analysten rechnen mit einer gleich von mehreren Sonderfaktoren überschatteten Gewinnentwicklung sowie mit saisonal bedingt tieferen Margen. Gleichzeitig klammern sich viele von ihnen an die Hoffnung, dass die Firmenverantwortlichen sich zu einem ermutigenden Ausblick hinreissen lassen.

Erste Anhaltspunkte liefern mir die in den vergangenen zwei Wochen von den Mitbewerbern Siemens und Emerson Electric vorliegenden Ergebnisse und Ausblicke. Man kann sich zweifelsohne streiten, wie zuverlässig solche Rückschlüsse auf die Absatzmärkte von ABB sind. Dennoch möchte ich meinen Leserinnen und Lesern meine Gedanken dazu nicht vorenthalten.

Im Bereich Stromübertragung und -verteilung ist noch immer Druck auf die Preise zu verspüren. Zwar scheinen die chinesischen Investitionen in die Strominfrastruktur wieder angezogen zu haben. Es gibt allerdings Hinweise dafür, dass die westlichen Anbieter weitere Marktanteile an ihre dort ansässigen Mitbewerber verloren haben. Darüber hinaus drängen die chinesischen Unternehmen immer mehr nach Europa und Nordamerika.

Aufgrund des sich in die Länge ziehenden Turnarounds im Bereich Stromübertragung und -verteilung ist ABB geradezu auf ein anhaltend intaktes Auftragsmomentum im Automationsgeschäft angewiesen. Der Rivale Emerson Electric hatte in diesem Bereich im zurückliegenden Quartal allerdings mit einer Verschlechterung der Umsatzzusammensetzung und damit verbunden mit tieferen Margen zu kämpfen. Auch die Aussagen von Siemens fielen jüngst eher ernüchternd aus.

So sehr ich an den langfristigen Erfolg von ABB unter CEO Joe Hogan auch glaube. Im Hinblick auf den Donnerstag will ich die von den meisten Analysten in ihren Ausblicken geäusserte Zuversicht nicht so recht teilen. Kommt dazu, dass ABB im Vorfeld der Jahresergebnispräsentation ins Zentrum von Spekulationen rückt. Den Spekulationen zufolge soll das in Zürich niedergelassene Traditionsunternehmen im Finanzbereich einen Verlust erlitten haben. Dies möglicherweise mit Derivaten beziehungsweise mit Absicherungstransaktionen.

Auf meine Anfrage hin konnte oder wollte man mir bei ABB keine Auskunft geben, was so kurz vor der Ergebnisveröffentlichung durchaus verständlich ist. Ich bleibe deshalb zwar längerfristig bei meiner positiven Einschätzung dieser Aktien. Eine Enttäuschung schliesse ich für Donnerstag allerdings dennoch nicht aus.

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Der Höhenflug der Namenaktien von Ems-Chemie ist nicht zu stoppen. Am Freitagnachmittag stiegen die Papiere des Spezialitätenchemieherstellers nach einer weiteren Ergebnisüberraschung auf den höchsten Stand in der Firmengeschichte.

In Analystenkreisen werden die Aktien aufgrund ihrer nach der Aufnahme  in die Aktienindizes von MSCI von Mitte November recht stolzen Bewertung  mehrheitlich zurückhaltend beurteilt. Umso überraschender liest sich heute eine Unternehmensstudie aus dem Hause MainFirst Bank. Darin bricht der viel beachtete Verfasser eine Lanze für Ems-Chemie und stuft die Aktien auf ihren Höchstständen von «Underperform» auf «Outperform» hoch. Nach einer Aufwärtsrevision seiner Gewinnschätzungen um bis zu 5,9 Prozent errechnet der Experte neu ein Kursziel von 265 (220) Franken.

Der Markt unterschätze einmal mehr sowohl die Wachstumsaussichten als auch das Margenverbesserungspotenzial, so schreibt der Experte in der Studie. Darüber hinaus zeige sich das Unternehmen mehr denn je zu einer Rückführung der Überschussliquidität an die Aktionäre bereit. Dank diesen Faktoren vereine Ems-Chemie eine seltene Kombination aus strukturell bedingten Wachstumsaussichten und einer hohen Dividendenrendite.

Das vom Unternehmen am Freitag bekanntgegebene Jahresergebnis kann sich zweifelsohne sehen lassen. Auch bei der dank einer Sonderdividende insgesamt 10 Franken je Aktie umfassenden Kapitalrückführung an die Aktionäre handelt es sich um gute Neuigkeiten. Dennoch erachte ich die Kaufempfehlung des für die MainFirst Bank tätigen Experten auf dem aktuellen Kurs- und Bewertungsniveau als ziemlich mutigen Schritt und rate deshalb davon ab, dieser Empfehlung Folge zu leisten.

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Im Frühjahr erhöhte die Comex in mehreren Schritten die Margenerfordernisse für Edelmetall-Futures. Diese Erhöhung brachte der Börsenbetreiberin den Vorwurf ein, die bis dahin beobachtete Hausse brechen zu wollen. Gerade im Silber gelang es ihr auch, tauchte das Edelmetall am Tag der Bekanntgabe der ersten Erhöhung der Margenerfordernisse doch vorübergehend um 15 Prozent.

Am Freitag gab die Comex nun allerdings überraschend eine Reduktion der Margenerfordernisse bekannt. Beim Gold werden die Erfordernisse um 10 Prozent, beim Silber sogar um 14 Prozent reduziert.

Obschon dieser Vorstoss die Investitionsnachfrage in den beiden Edelmetallen steigern sollte, könnte er der Börsenbetreiberin einmal mehr die Kritik der Marktmanipulation einbringen. Meines Erachtens ist der Vorwurf nicht unbegründet, spielte der Zeitpunkt der Erhöhungen und Reduktionen der Margenerfordernisse an der Comex in der Vergangenheit doch vor allem den professionellen Marktteilnehmern in die Hände. Ähnlich dürfte es sich auch bei der am Freitag bekanntgegebenen Reduktion verhalten.