Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv. Schauen Sie sich doch auch das Tracker Zertifikat auf die Schweizer Aktienfavoriten des cash Insider an.

+++

Es sollte dauern, bis sich auch der Swiss Market Index (SMI) der Rekordjagd der anderen europäischen Aktienindizes anschliessen würde. Die Uhren ticken hierzulande manchmal halt etwas langsamer als in den Nachbarländern. Doch nun ist das Börsenbarometer kaum noch zu bremsen.

Dass die ausgerechnet die drei zuvor arg vernachlässigten Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis für die jüngsten Rekorde verantwortlich sind, zeugt zwar von einer Schweizer Tugend: Der Bodenständigkeit.

Allerdings wäre es verwegen zu behaupten, das hiesige Börsengeschehen werde nicht auch von Exzessen begleitet. Denn das fragwürdige Massenphänomen, welches Aktien wie jenen von GameStop oder AMC Entertainment in New York einen fulminanten Höhenflug bescherte, hat unlängst das europäische Festland erreicht. Das Kursfeuerwerk bei den Aktien von Windeln.de lässt alte Börsenhasen wie mich einfach nur sprachlos zurück. Innerhalb von weniger als 24 Stunden verdreifachte sich der Börsenwert des Versandhändlers eben mal schnell – wobei sich Deckungskäufe in bekannter Manier als Brandbeschleuniger erwiesen.

Doch nicht nur in Frankfurt wird regelrecht Jagd auf Leerverkäufer gemacht. Auch hierzulande sitzt diese ansonsten eher gefürchtete Spezies bei immer weniger Aktien fest im Sattel.

Mir sind in den letzten Tagen gleich drei Aktien aufgefallen, die symptomatisch für die aufgeheizte Stimmung an der hiesigen Börse stehen.

Da wären mal die Aktien von Polyphor. Polyphor – werden sich viele meiner Leserinnen und Leser nun vermutlich überrascht fragen. Denn eigentlich fristet der Baselbieter Antibiotikahersteller an der Börse ja eher ein Mauerblümchen-Dasein.

Die Kaufempfehlungen, die den Papieren am Mittwoch in der Spitze Kursgewinne von bis zu 9 Prozent bescherten, waren für den Börsendebütanten PolyPeptide gedacht. Ich kann mir dieses Phänomen nicht anders erklären, als dass einige Marktakteure angesichts der geballten Ladung an Kaufempfehlungen eigentlich bei PolyPeptide aufspringen wollten, anstatt den Ticker "PPGN" dann allerdings "POLN" erwischten und versehentlich bei Polyphor zulangten.

Kursentwicklung der Aktien von Polyphor während den letzten 12 Monaten (Quelle: www.cash.ch)

Wer hierbei an eine Eintagsfliege denkt, der irrt. Das Phänomen wiederholte sich sowohl am Donnerstag, als auch am Freitag.

Am Donnerstag liess die UBS die Aktien von Kardex in die Nähe des bisherigen Rekordhochs von Mitte Januar bei knapp 220 Franken steigen. Analyst Sebastian Vogel stufte die Papiere des Spezialisten für Logistiklösungen mit einem 12-Monats-Kursziel von 227 (zuvor 191) Franken von "Neutral" auf "Buy" herauf.

Der Hinweis, dass die Aktien seit Jahresbeginn hinter jenen anderer Anbieter zurückgeblieben seien und sich das Wachstum auch ausserhalb der Lagerverwaltung für Onlineunternehmen beschleunigen dürfte, reichte aus um ein Kursfeuerwerk zu zünden. In der Spitze legten die Papiere um 9 Prozent zu und kamen dem neuen 12-Monats-Kursziel der Grossbank dabei bereits ziemlich nahe.

Kursentwicklung der Kardex-Aktien rund um die Heraufstufung durch die UBS (Quelle: www.cash.ch)

Und dann wären da noch Gerüchte aus London, wonach U-blox noch einmal um die Gunst der Rivalin Telit Communications – oder besser gesagt um die der Anteilseigner – buhle. Im Januar dieses Jahres gab es schon mal Gespräche zwischen den beiden Halbleiterunternehmen – und einen Korb für U-blox. Die Reaktion der Börse liess nicht lange auf sich warten. Allerdings erwies sich das Kursfeuerwerk bei den in London gehandelten Aktien von Telit Communications bloss als ein Strohfeuer.

Das britische Börsengesetzt untersagt es U-blox bis Mitte Juli nämlich, erneut um die Hand der Rivalin anzuhalten. Nicht einmal Gespräche dürfen die beiden Unternehmen führen.

Egal ob abstruse Gerüchte oder Verwechslungen wie bei Polyphor und PolyPeptide – vermutlich werden wir solche Phänomene am Schweizer Aktienmarkt noch öfters zu sehen bekommen. Das Ganze weckt bei mir unschöne Erinnerungen an die Dotcom-Blase. Mit einem Unterschied: Anders als damals kommen die Exzesse daher, als wären sie auf Steroide – dem vielen billigen Geld der Zentralbanken sei Dank...

 

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.