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Als Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wird Thomas Jordan nicht schlecht entlöhnt. Inklusive Sozialbeiträge verdient er jährlich gut eine Millionen Franken. Dennoch wird ihn kaum jemand um sein Amt beneiden. Denn dieses sieht vor, dass man gegen aussen den Kopf für geldpolitische Entscheide hinhalten muss.

Nach dem unpopulären Entschluss der SNB von Mitte Januar, den gut drei Jahre zuvor eingeführten Mindestkurs gegenüber dem Euro aufzugeben, hagelte es Kritik. Und da das Direktorium angeblich einstimmig hinter dem Entscheid stand, wurde Jordan in den Medien als "Buhmann der Nation" durch den Dreck gezogen.

In Brüssel verteidigte der SNB-Präsident am Dienstagabend in einer Rede einmal mehr den schwerwiegenden geldpolitischen Entschluss von Mitte Januar und kündigte an, bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv zu bleiben.

Einem Kommentar der Commerzbank entnehme ich eine Schimpftriade, wie ich sie noch selten gelesen habe. Da "drohe" Jordan doch tatsächlich mit Devisenmarkt-Interventionen, sollte der Franken weiterhin "überbewertet" bleiben, so schreibt der Verfasser. Wenn das kein Karnevalsscherz gewesen sei, müsse er sich die Frage gefallen lassen, ob er ernsthaft glaube, damit irgend jemanden beeindrucken zu können.

Darf man dem viel beachteten Währungsstrategen Glauben schenken, dann war es die seinerzeitige angeblich massive "Überbewertung", die die SNB Mitte Januar zu einer Abschaffung des Mindestkurses gegenüber dem Euro bewogen hat. Damals sei ein starker Franken offensichtlich in Ordnung gewesen.

An dieser Stelle im Kommentar verweist der Verfasser auf folgende Fussnote: "Es kann mir keiner erzählen, die SNB hätte nicht gewusst, welche Folgen die Aufhebung des Mindestkurses haben würde. So nah, wie der EUR/CHF am Mindestkurs handelte, muss eigentlich jedem klar gewesen sein, dass der gleichgewichtige Wechselkurs auf deutlich niedrigeren Niveaus liegen würde."

In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, was diese Zentralbank denn nun bitteschön wolle. Schliesslich habe sie den Mindestkurs abgeschafft, weil sie sich aus nebulösen Gründen scheute, im grossen Stil zu intervenieren. Dass das heute anders sein soll, werde ihr niemand abnehmen. Würde die SNB tatsächlich versuchen, offen oder systematisch am Devisenmarkt zu intervenieren, würde sich jeder spekulative Marktteilnehmer dieser Welt gegen sie stellen, so legt der Währungsstratege nach.

Für den Experten ist klar, dass die Zentralbank auf absehbare Zeit keine Möglichkeiten mehr hat, das Instrument der Interventionen auch nur in Erwägung zu ziehen. Jordan solle deshalb aufhören, dieses Wort zu benutzen, wenn er die Glaubwürdigkeit seiner Institution nicht noch mehr beschädigen wolle, als dies die Aufhebung des Mindestkurses eh schon getan habe.

Der Kommentar ist von einer unterschwelligen Wut des Verfassers auf unsere Währungshüter geprägt. Über die Beweggründe lässt sich nur spekulieren. Offiziell hiess es bei der Commerzbank schon wenige Tage nach der Aufgabe des Mindestkurses gegenüber dem Euro, dass die Verluste im Investment Banking überschaubar ausgefallen seien. Man sei im Devisenhandel konsequent auf kundenorientierte Handelsaktivitäten ausgerichtet und verfüge über einen effizienten Risikomanagement-Ansatz, so liess man die Öffentlichkeit damals wissen.

Für mich lässt sich die Schimpftirade des Währungsstrategen an die Adresse der SNB nur schwer nachvollziehen. Zwar hätte Letztere den Mindestkurs besser schon früher aufgegeben. Rückblickend ist man allerdings immer klüger. Was zukünftige Offenmarktinterventionen anbetrifft, so verfügen unsere Währungshüter seit wenigen Wochen wieder über einen entscheidenden Vorteil: Sie sind für die Devisenspekulanten nicht mehr berechenbar und haben den Überraschungsmoment damit endlich wieder auf ihrer Seite.

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Mitte Januar berichtete ich von einer aggressiven Kaufempfehlung der Bank Vontobel für die Namenaktien von Temenos. In einer Unternehmensstudie hob der Chefanalyst der Traditionsbank das Kursziel auf 50 (40) Franken an. Alleine schon die Bemerkung, der in Genf beheimatete Hersteller von Bankensoftware sei in einer beneidenswerten Ausgangslage, um zur "SAP der Bankensoftware" aufzusteigen, bescherte den Papieren an diesem Tag satte Kursgewinne.

Was weder der Experte noch die Anleger damals wussten: Weniger als 24 Stunden später sah sich Temenos zu einer einschneidenden Umsatz- und Gewinnwarnung veranlasst. Diese liess die Aktien vorübergehend um mehr als 20 Prozent einbrechen und den Chefanalysten der Bank Vontobel bei seinem Kursziel wieder zurückkrebsen.

Nun wird der Experte allerdings zum "Wiederholungstäter". In Erwartung eines beschleunigten Lizenzwachstums im laufenden Jahr und darüber hinaus bekräftigt er seine "Kaufempfehlung aus Überzeugung". Gleichzeitig erhöht er das Kursziel auf 46 (39) Franken, was einem rechnerischen Aufwärtspotenzial von nicht weniger als 41 Prozent entspricht.

Meines Erachtens werfen aggressive Kaufempfehlungen wie die vorliegende kein gutes Licht auf die Verfassung des Schweizer Aktienmarktes. Auf diesen Umstand bin ich schon in den letzten Wochen mehrfach zu sprechen gekommen (siehe Kolumnen vom 7. Januar und vom 13. Januar).

 

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