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Beim Basler Pharma-Urgestein Roche stehen die Zeichen auf Veränderung. Der langjährige Firmenchef Severin Schwan soll an die Spitze des Verwaltungsrats wechseln und dort Christoph Franz beerben. Für Schwan rückt der bisherige Diagnostik-Chef Thomas Schinecker nach.

Ob dem Diagnostikgeschäft im Zuge dieser Rochade künftig eine grössere Bedeutung beigemessen wird, bleibt abzuwarten. An einen Zufall will ich bei der Ernennung Schineckers zum Nachfolger Schwans jedenfalls nicht glauben. Zumindest eine Diskussion dürfte damit nun vom Tisch sein: Zu einer Abspaltung des Diagnostikgeschäfts vom Pharmageschäft – wie es einst der für Bryan Garnier tätige Pharmaanalyst forderte - wird es nicht kommen.

Während die geplanten Änderungen an der Unternehmensspitze in den hiesigen Wirtschaftsmedien genauso breitgetreten wurden wie der Zahlenkranz für die erste Jahreshälfte, blieb eine nicht unwesentliche Entwicklung weitestgehend unbemerkt: Der Kursaufschlag zwischen den Inhaberaktien und den Genussscheinen – in Börsenkreisen auch "Écart" genannt – steigt nunmehr schon seit Wochen.

Seit Freitag beträgt der "Écart" erstmals seit langen Jahren wieder mehr als 23 Prozent. Mit anderen Worten: Aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen sind die Marktakteure bei Roche bereit, 23 Prozent mehr für die Inhaberaktie zu bezahlen als für den Genussschein. Das wiederum weckt bei mir alte Erinnerungen an die Zeit, als der damals berüchtigte Financier Martin Ebner noch über seine Beteiligungsvehikel, den "Visionen", mitmischte.

Der cash Insider zum Écart bei Roche

Ungewöhnliche Handelsaktivitäten: Was tut sich denn da bei Roche? (vom 2. März 2021)
Seltenes Phänomen beim Écart des SMI-Schwergewichts Roche (vom 4. April 2021)
Ein Ebner-Moment bei Roche (vom 28. Mai 2021)


Letztmals ein Thema für die Wirtschaftsmedien war der Kursunterschied zwischen den beiden Titelklassen, als die Inhaberaktie keine 11 Prozent vom Genussschein trennte. Mittlerweile ist es mehr als das Doppelte.

Mitunter ein Grund für diese Verdoppelung könnte die schlechte Handelbarkeit der Inhaberaktien sein. Die Briefkurse sind schon seit Wochen ungewöhnlich dünn. Da die Titel sowohl in den Swiss Performance Index (SPI) als auch in den SPI Extra (SPIE) aufgestiegen sind, sind indexorientierte Anleger gezwungen, zuzukaufen. Gleichzeitig berichten mir Händler von einer erhöhten Abgabebereitschaft angelsächsischer Grossinvestoren bei den Genussscheinen.

Kursentwicklung der Roche-Inhaberaktien (rot) im 12-Monats-Vergleich mit jener der Genussscheine (grün) (Quelle: www.cash.ch)

Für mich gibt allerdings weitere mögliche Erklärungen für den Kursaufschlag bei den Inhaberaktien: Entweder kaufen auch die Familienaktionäre still und leise Aktien zu – oder aber es wird an einer Vereinfachung der Kapitalstruktur gebastelt. Die jetzige Struktur gilt nämlich als ein Relikt aus alten Tagen und deshalb als nicht mehr zeitgemäss. Sollten die Basler die Einheitsnamenaktie einführen, müssten die Inhaberaktionäre den Genussschein-Haltern gegenüber nämlich bessergestellt werden.

Die einzige Bank die ich kenne, die sowohl die Inhaberpapiere als auch die Genussscheine von Roche abdeckt, ist übrigens die UBS. Der für die Grossbank tätige Pharmaanalyst Michael Leuchten stuft die Genussscheine seit Mitte Juli mit "Neutral" und einem 12-Monats-Kursziel von 328 (zuvor 345) Franken ein. Auch die Inhaberaktien werden mit "Neutral" eingestuft – wobei das 12-Monats-Kursziel mit 365 (zuvor 380) Franken über jenem für die Genussscheine liegt. Er lege seinem Bewertungsmodell einen Aufschlag für die Inhaberpapiere im Umfang von 10 Prozent zugrunde, so die eher etwas einsilbige Erklärung des Analysten. Konkrete Gründe nennt er nicht.

Obwohl die Einführung einer Einheitsnamenaktie und somit eine Abkehr vom Genussschein eigentlich überfällig ist, werden die Familienaktionäre Oeri-Hoffmann wohl kaum Hand dazu bieten. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie freiwillig auf einen Teil ihrer Stimmrechte verzichten – ausser sie werden entsprechend bessergestellt und entschädigt. Sofern das aktienrechtlich überhaupt möglich ist.

Es sind jedoch gerade Ideen wie diese, mit denen sich die Valoren von Roche endlich aus ihrem Kurs- und Stimmungstief befreien liessen – was eigentlich auch im Interesse der Grossaktionäre sein müsste. Lassen wir uns doch überraschen und harren wir der Dinge, die da kommen mögen...

 

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