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Börsenwoche im Schnelldurchlauf

Ungewöhnliche Finanzmarkt-Phänomene: Eine Alles-oder-Nichts-Wette und weitere denkwürdige Beobachtungen

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Der cash Insider kommentiert die wichtigsten Börsenereignisse. Diese Woche: Merkwürdigkeiten an den Finanzmärkten häufen sich, übertriebene Angst zum Logitech, Spekulationen bei GAM - Und: Stapelt Alcon absichtlich tief?

12.05.2023   11:45
Von cash Insider
«Faites vos jeux!»

«Faites vos jeux!»

Quelle: Pixabay

Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

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Die Quartalsberichterstattung hat ihren Höhepunkt durchschritten – und das nicht nur bei uns am Schweizer Aktienmarkt. Nachdem sich in den letzten Tagen auch Alcon, Lonza, Swiss Life und Richemont zu Wort gemeldet haben, bleiben mit Sonova und Zurich Insurance nur noch zwei der 20 Unternehmen aus dem Swiss Market Index (SMI) ihre Zahlenkränze schuldig. Diese beiden werden ihre Ergebnisse nächste Woche nachliefern.

Während die dividendenstarken Aktien von Swiss Life für eine überraschende Flaute bei den Fee-Erträgen mit Kursverlusten abgestraft wurden, kamen die von Richemont sowie jene der einstigen Novartis-Tochter Alcon dank eines starken ersten Quartals und einer unerwarteten Erhöhung der diesjährigen Finanzziele in den Genuss eines kleinen Kursfeuerwerks.

Das in der Ophthalmologie tätige Unternehmen geht für dieses Jahr von einem Umsatzwachstum zu konstanten Wechselkursen von 7 bis 9 Prozent (zuvor 6 bis 8 Prozent) und einem um 20 bis 24 Prozent (zuvor 16 bis 20 Prozent) höheren Kerngewinn je Aktie aus.

Kursentwicklung der Alcon-Aktien in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)

Die für die Citigroup tätige Medizinaltechnikanalystin Veronika Dubajova glaubt nun sogar, dass selbst diese höheren Finanzziele konservativ sind und im weiteren Jahresverlauf übertroffen werden sollten. Ganz uneigennützig dürften ihre Aussagen allerdings nicht sein, preist sie die Aktien von Alcon doch schon seit ihrem Wechsel von ihrem ehemaligen Arbeitgeber Goldman Sachs zu ihrem heutigen Arbeitgeber – damals wurden Kurse um die 65 Franken bezahlt – mit einem Kursziel von 80 Franken zum Kauf an.

Neben diesen und weiteren zahlenbedingten Kurskapriolen gab es in den vergangenen Tagen an den Finanzmärkten vielerlei Merkwürdigkeiten zu bestaunen. Am gestrigen Donnerstag etwa berichtete ich im Insider-Briefing von einer millionenschweren Derivat-Spekulation. In New York hatte sich kurz zuvor ein nicht namentlich bekannter Marktakteur für 5 Millionen Dollar weit aus dem Geld liegende Call-Optionen auf die Volatilität des dortigen S&P 500 Index angelacht. Beobachter sehen darin eine ziemlich gewagte Wette auf Börsenturbulenzen – ganz nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Ich persönlich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass es sich um eine gar exzentrische Absicherungstransaktion handelt. Wie gemunkelt wird, ist es nicht die erste etwas verrückte Derivat-Spekulation des besagten Marktakteurs...

Kürzlich berichtete ich – ebenfalls im Insider-Briefing – von einem ungewöhnlichen Phänomen bei kurzlaufenden amerikanischen Schatzpapieren. Während solche mit einer Laufzeit von einem Monat zu diesem Zeitpunkt auf Jahresbasis eine Rendite von 3,2 Prozent abwarfen, rentierten vergleichbare Schatzpapiere mit einer Laufzeit von drei Monaten mit knapp 5 Prozent. Eine derart üppige Renditedifferenz bei kurzen Laufzeiten – das gab es so noch nie.

Ich fragte mich, ob dieses Phänomen an den Finanzmärkten ein Grossereignis ankündigen könnte. Meine Vermutung damals: Die Renditedifferenz könnte im Zusammenhang mit dem politischen Seilziehen in Washington rund um die Schuldenobergrenze stehen.

Interessant ist, dass die Renditedifferenz zwischen den beiden Laufzeiten von ursprünglich 180 Basispunkten vollständig weggeschmolzen ist. Mittlerweile rentieren amerikanische Schatzpapiere mit einer Laufzeit von einem Monat sogar etwas höher als jene auf drei Monate.

Zweifelsohne im Zusammenhang mit dem Streit um die Schuldenobergrenze steht das dritte und letzte Phänomen: Die Kosten für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) auf amerikanische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von einem Jahr sind zuletzt auf 150 Basispunkte gestiegen. Das ist zehnmal so viel wie noch im November letzten Jahres. Zum Vergleich: Selbst auf dem Höhepunkt der Finanzkrise von 2008/09 lagen die Kosten "bloss" bei 50 Basispunkten.

Man kann es nicht anders sagen: An den Finanzmärkten ist in diesen Tagen wahrlich Geschichtsträchtiges zu beobachten – was auch immer diese Phänomene zu bedeuten haben.

Wenden wir uns nun aber dem hiesigen Börsengeschehen zu. Gestern Donnerstag wurden die Kurse für die Aktien von Logitech im vorbörslichen Handel um bis zu 2 Prozent tiefer gestellt. Für Verunsicherung sorgte der Rivale Sonos mit einer Reduktion seiner diesjährigen Finanzziele. Neuerdings gehen die Amerikaner noch von einem operativen Gewinn (EBITDA) in Höhe von 138 bis 168 Millionen Dollar (zuvor 145 bis 180 Millionen Dollar) bei einem Jahresumsatz von 1,63 bis 1,68 Milliarden Dollar (zuvor 1,7 bis 1,8 Milliarden Dollar) aus. Nicht eben wenige Analysten müssen bei ihren Schätzungen nun den dicken Korrekturstift ansetzen.

Kursentwicklung der Logitech-Aktien seit Januar (Quelle: www.cash.ch)

Als Aktionärin oder Aktionär von Logitech würde ich mir da keine grauen Haare wachsen lassen. Als das Lausanner Unternehmen kürzlich mit dem Ergebnis für das zurückliegende Quartal aufwartete, bekräftigte man nämlich auch gleich die erst im März kommunizierten Finanzziele für dieses Jahr. Eingetrübt haben dürften sich die Aussichten im Tagesgeschäft seither nicht – im Gegenteil.

Ein Dauerthema bleibt das Übernahmeangebot der britischen Liontrust für den gestrauchelten Vermögensverwalter GAM. Seit dieser Woche wissen wir, wie die oppositionelle Aktionärsgruppe um den französischen Telekom-Milliardär Xavier Niel mit ihrem 8,5-Prozent-Paket auf das Angebot reagiert: Mit Ablehnung.

Wer auf ein grosszügigeres Gegenangebot gehofft hatte, wird enttäuscht. Stattdessen bedient sich die Aktionärsgruppe der Guerillataktik. In einem ersten Schritt hat sie Beschwerde gegen die Verfügung der Eidgenössischen Übernahmekommission (ÜEK) eingelegt. Niel und seinen Mitstreitern ist insbesondere ein erfolgreicher Ausstieg aus dem Fondsgeschäft für Dritte als Voraussetzung Liontrusts für ein Zustandekommen des Angebots ein Dorn im Auge.

Ausserdem fordert die Aktionärsgruppe, dass Liontrust ihre Handelstransaktionen in den Aktien von GAM offenlegen – womöglich in der Hoffnung, dass die Briten aufgrund der gesetzlich verankerten Mindestpreis-Regel zu einer Nachbesserung des Angebots gezwungen sind.

Mit knapp 57 Rappen weisen die Aktien von GAM noch immer einen Aufschlag gegenüber dem rechnerischen Angebot von etwas mehr als 51 Rappen auf. Dieser Aufschlag lässt sich nur damit erklären, dass gewisse Marktkreise auf eine Nachbesserungspflicht oder aber auf ein Gegenangebot seitens der oppositionellen Aktionärsgruppe spekulieren. Wenn mal sich da mal bloss nicht in etwas verrennt...

Kommende Woche verliert die Quartalsberichterstattung hierzulande weiter an Kraft. Zeit für uns Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten, um einmal tief durchzuatmen. Die Aktienmarktakteure müssen ihrerseits nun auf neue Impulse hoffen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen schon jetzt ein erholsames Wochenende!

 

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.

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1 Kommentar

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peter+ern

Guten Tag Herr C.I. Dieses Durchatmen mag ich Ihnen von Herzen gönnen, Sie waren ja in den letzten Wochen wirklich wieder auf Trab, aber immer interessant, informativ und unterhaltsam.
Wir in Thailand können noch nicht auf- oder durchatmen, bei uns finden dieses Wochenende Wahlen statt. In dieser Zeit darf kein Alkohol getrunken werden. Natürlich haben wir Ausländer zu diesen Wahlen gar nichts zu sagen. Aber für Thailand und ich denke für ganz Südostasien können diese Wahlen politisch und wirtschaftlich bestimmend sein. Bleibt das Militär an der Macht oder übernehmen junge dynamische Oppositionsparteien das Ruder. Das Rennen scheint offen zu sein, mit einem Umfragevorteil für die Opposition. Wir werden sehen, an der Bangkoker Börse gab es bis jetzt keine grossen Ausschläge. Und die Eliten scheinen schon zu wissen, wie das Wahlresultat aussehen wird.

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