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Es gibt Tage, an denen müssen wir Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten uns die Themen aus den Fingern saugen. Und dann gibt es Tage wie den heutigen Dienstag, an denen man der Nachrichtenflut kaum Herr wird. Gerade während der Unternehmensberichterstattung wollen die Zahlenkränze schliesslich kommentiert sein. Denn wie die Börse letztendlich darauf reagiert, hängt von den unterschiedlichsten Faktoren ab – und kommt nicht selten ziemlich willkürlich daher.

So auch bei Novartis. Wurden die Kurse für die Aktien des Pharmaherstellers vorbörslich um bis zu zwei Prozent höhergestellt, folgt nun die kalte Dusche. Das überrascht insofern, als dass im zurückliegenden dritten Quartal sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Kerngewinn (EBIT) selbst die kühnsten Analystenschätzungen übertroffen wurden.

Das erlaubt es den Baslern sogar, die diesjährigen Gewinnvorgaben anzuheben. Den Aktionärinnen und Aktionären wird beim operativen Kerngewinn (EBIT) neuerdings ein Wachstum im mittleren bis hohen Zehnerbereich in Aussicht gestellt. Analysten waren im Vorfeld "nur" von einer Erhöhung in den mittleren Zehnerbereich ausgegangen.

Gründe für die unterkühlte Börsenreaktion gibt es gleich mehrere. Einerseits war ja mit einer Erhöhung der diesjährigen Gewinnvorgaben gerechnet worden, wenn auch nicht ganz in diesem Umfang. Andererseits fliesst die kürzlich an die Börse gebrachte Tochter Sandoz als "nicht fortgeführtes Geschäft" in die Rechnung mit ein. Das wiederum verfälscht das Bild etwas.

Kursdebakel bei den Sandoz-Aktien am Tag der Quartalsergebnisveröffentlichung (Quelle: www.cash.ch)

Eine weitere Erklärung liefert die für Barclays tätige Pharmaanalystin Emily Fields. Wie sie schreibt, verkaufte sich das MS-Mittel Kesimpta nur aufgrund einmaliger Faktoren besser als erhofft. Ausserdem fällt die Absatzentwicklung bei künftigen Wachstumsträgern wie Entresto, Leqvio oder Zolgensma eher etwas enttäuschend aus.

Wie so oft liegt der Teufel bei Novartis also im Detail. Doch auch die Aktien der ehemaligen Tochter Sandoz werden nach der Ergebnisveröffentlichung mit Kursverlusten abgestraft.

Schuld ist eigentlich nur eine einzige Kennzahl – nämlich das Wachstum in Lokalwährungen. Mit 2 Prozent fällt dieses im dritten Quartal nämlich tiefer als erwartet aus. Analyst Laurent Flamme von der Zürcher Kantonalbank etwa war von einem Wachstum von mehr als 4 Prozent ausgegangen. Negativ zu Buche schlugen insbesondere die rückläufigen Absatzpreise.

Spekulationen, wonach Sandoz die diesjährigen Ziele erhöhen könnte, liess den Kurs der Aktien in der Spitze bis auf 30 Franken steigen. Dass man davon am Hauptsitz in Basel partout nichts wissen will, sorgt ebenfalls für das eine oder andere enttäuschte Gesicht.

Analyst Elmar Sieber von der Basler Kantonalbank hält die Verluste für übertrieben und verteidigt den Börsendebütanten mit "Übergewichten" sowie mit einem Kursziel von 38,50 Franken.

In den Genuss eines Kursfeuerwerks kommen hingegen die Aktien von Logitech. Der Unterhaltungselektronikhersteller aus Lausanne übertrifft im zurückliegenden Quartal sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Gewinn (EBIT) selbst die kühnsten Erwartungen. Rückblickend wurde insbesondere die Widerstandsfähigkeit des Geschäfts mit PC-Peripheriegeräten unterschätzt.

Das erfreuliche Tagesgeschäft lässt es den Waadtländern zu, ihre Jahresvorgaben zu erhöhen. Völlig überraschend kommt dieser Schritt für uns alteingesessenen Börsenfüchse allerdings nicht.

Dennoch wird das Handelsgeschehen heute Dienstag angeblich von überstürzten Deckungskäufen aus dem Lager ausländischer Leerverkäufer bestimmt. Ob die davon ausgehenden Nachfrageimpulse von Dauer sind, muss sich noch zeigen.

Der für Kepler Cheuvreux tätige Chefanalyst Torsten Sauter bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt, dass er sich angesichts des überzeugenden Ergebnisses und der höheren Jahresvorgaben an die guten alten Zeiten zurückerinnert sieht, als Logitech die Analystenerwartungen noch mit einer geradezu beeindruckenden Regelmässigkeit in den Schatten stellte.

Sein Berufskollege Cengizhan Sen von der Bank Julius Bär zeigt sich etwas irritiert darüber, dass die Waadtländer entgegen den saisonalen Gepflogenheiten von einer verhalteneren zweiten Jahreshälfte ausgehen. Er vermutet weiterhin einen gewissen Konservatismus seitens der Firmenlenker dahinter und will sowohl das "Hold" lautende Anlageurteil als auch das Kursziel von 60 Franken unter positiven Vorzeichen überdenken.

Kursentwicklung der Aktien von Idorsia seit Handelsbeginn (Quelle: www.cash.ch)

Auch bei Idorsia gibt es eigentlich nichts auszusetzen – zumindest nicht auf den ersten Blick. Mit 131 Millionen Franken liegt der Umsatz nach neun Monaten weit über den durchschnittlich erwarteten 52 Millionen Franken. Zudem können die Baselbieter den operativen Verlust auf 144 Millionen Franken eingrenzen. Analysten waren von einem Fehlbetrag von 564 Millionen Franken ausgegangen.

Für enttäuschte Gesichter sorgt einmal mehr das Schlafmittel Quviviq. Mit 8,4 Millionen Franken verkauft sich dieses im dritten Quartal zwar etwas besser als im vorhergehenden Quartal. In Analystenkreisen war man im Vorfeld aber sogar von einem Umsatz in Höhe von 10 Millionen Franken ausgegangen.

Neuerdings geht Idorsia im laufenden Jahr von einem operativen Verlust von 600 Millionen Franken (zuvor 650 Millionen Franken aus). Dem stehen per Ende September liquide Mittel in Höhe von nurmehr 255 Millionen Franken gegenüber. Mit anderen Worten: Das Pharmaunternehmen selber ist gefordert...

Ebenfalls Rätsel gibt die Reaktion der Börse auf die Zahlenenttäuschung bei Huber+Suhner auf. Denn mittlerweile legt der Aktienkurs überraschend zu. Und das, obschon der Neunmonatsumsatz mit 666,3 Millionen Franken im Jahresvergleich um gut 9 Prozent und der Auftragseingang mit 639,2 Millionen Franken sogar um knapp 16 Prozent rückläufig war. Bei beiden Kennzahlen werden die jeweiligen Analystenschätzungen klar verfehlt.

Des Rätsels Lösung hält Vontobel-Analyst Mark Diethelm parat, macht er doch Bestandskorrekturen in den Bereichen Industrie und Kommunikation für die Enttäuschung verantwortlich. Ausserdem sieht er gleich in mehreren Absatzmärkten Anhaltspunkte für eine Nachfragebelebung aus – von den beibehaltenen Margenvorgaben des Unternehmens fürs laufende Jahr gar nicht erst zu sprechen. Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass Diethelm die Aktien von Huber+Suhner mit "Buy" und einem Kursziel von 90 Franken anpreist. Dementsprechend mild wohl auch sein Urteil.

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