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Die letzten Tage standen auch am Schweizer Aktienmarkt für einmal ganz im Zeichen der Geldpolitik. Und die hiesigen Marktakteure wurden nicht enttäuscht: Während von der amerikanischen Notenbank am Mittwochabend immerhin die erhofften Zinssignale ausgingen, kam es tags darauf zu einer dicken Überraschung.

Denn die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat es wieder getan: Gestern Donnerstag reduzierte sie ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,5 Prozent – nach der amerikanischen Notenbank und nur wenige Tage, nachdem sich auch die Bank of Japan nach 17 langen Jahren endlich von der Nullzinspolitik verabschiedet hat.

Es heisst zwar, dass bei uns in der Schweiz die Uhren etwas langsamer ticken als bei unseren umliegenden Nachbarn. Das mag durchaus in unserem Naturell liegen. Auf die SNB trifft das allerdings nicht zu. Sie trat schon aus dem Schatten der übermächtigen Europäischen Zentralbank (EZB) hervor, als es aufgrund des Teuerungsschubs darum ging, die geldpolitische Schraube anzuziehen. Das wiederum erlaubt es ihr nun, erneut eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Nicht überraschend kam die Leitzinssenkung für die Leserinnen und Leser meines Insider Briefings vom letzten Freitag. Darin griff ich thematisch ein Strategiepapier der britischen HSBC auf, in welchem die Autoren bewusst auf die Möglichkeit eines frühen Zinsschritts hinwiesen. Sie argumentierten dabei einerseits mit der zuletzt ziemlich zahmen Teuerung, andererseits aber auch mit dem starken Franken und seinen verhängnisvollen Folgen für die hiesige Exportwirtschaft. Und genau so lautete auch die Begründung der Entscheidungsträger bei der SNB. Es sind Entscheide wie jener von gestern Donnerstag, mit dem sich der im September zurücktretende Direktoriumspräsident Thomas Jordan fast so etwas wie unsterblich macht...

Noch bis vor wenigen Tagen sah alles danach aus, als ob auch für Roche an der Börse endlich der Frühling Einzug erhalten würde. Doch dann traf schlechte Kunde aus Japan ein. Die dortige Tochter Chugai hat einen Rückschlag mit Enspryng zu beklagen, zeigte das Medikament auf dem Gebiet der seltenen Autoimmunerkrankung Myasthenia Gravis doch nicht die erhoffte Wirksamkeit.

Es ist der gefühlt x-te Rückschlag für das Basler Mutterhaus in der Forschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe. Und das just in einem Moment, in dem die langwierige Diskussion rund um dessen Innovationskraft eigentlich am Verstummen war. Dass die Börse den Kurs der Genussscheine gestern Donnerstag in die Nähe der Mehrjahrestiefstkurse vom Februar bei 223 Franken zurückfallen liess, spricht eine unmissverständliche Sprache.

Kursentwicklung der Bons von Roche über die letzten drei Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Die Valoren von Roche finden sich in einem ziemlich hartnäckigen Kurs- und Stimmungstief wieder. Da muss Firmenchef Thomas Schinecker schon etwas sehr Überzeugendes aus seinem Zylinder hervorzaubern, soll sich daran schnell etwas ändern. Mit milliardenschweren Firmenübernahmen und dem Zücken der Alzheimer-Karte alleine ist es nicht getan. Es braucht kreativere Lösungsansätze.

Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, denke ich da etwa an eine Abkehr von der völlig angestaubten Kapitalstruktur – sprich: an die Einführung der Einheitsnamenaktie. Selbstverständlich bin ich mir durchaus bewusst, dass die Familienaktionäre wohl keine Hand hierzu bieten. Dennoch bleibe ich in Sachen Aktionärsdemokratie ein Neuromantiker und fordere erneut: Eine Aktie, eine Stimme.

Auch als am frühen Mittwochmorgen bekannt wurde, dass sich Lonza für 1,2 Milliarden Dollar die Genentech-Produktionsstätte von Roche im kalifornischen Vacaville anlacht, gab es für die Börse nur einen grossen Gewinner dieser Transaktion: Lonza.

Die Aktien des Pharmazulieferers legten alleine an diesem Tag um fast sechs Prozent zu und bauten ihre Kursgewinne tags darauf weiter aus – und das, obwohl die Basler eigenen Angaben zufolge weitere 500 Millionen Dollar in den Standort investieren wollen.

Der Kauf der Genentech-Produktionsstätte lässt es Lonza zu, die mittelfristigen Wachstumsvorgaben jährlich auf 12 bis 15 Prozent (zuvor 11 bis 13 Prozent) anzuheben. Die Margenvorgaben bleiben hingegen dieselben. Dennoch hagelte es seit Mittwoch regelrecht Kurszielerhöhungen für die Valoren von Lonza.

Für Roche dürfte übrigens die geringere Kapitalbindung eines der Hauptargumente für den Verkauf gewesen sein. Die Börse sieht beim Pharma-Urgestein momentan vermutlich aber ganz andere Baustellen. Deshalb wohl auch die ziemlich unterkühlte Reaktion.

Ebenfalls unter die Räder gerieten in den letzten Tagen die Aktien von Helvetia. Die Berenberg Bank verlieh ihrer Verkaufsempfehlung vom Juni 2021 einmal mehr Nachdruck, indem sie das Kursziel leicht auf 101 (zuvor 102) Franken zurücknahm. Das alleine reichte gestern Donnerstag aus, um die dividendenstarken Valoren um mehr als fünf Prozent in die Tiefe zu schicken.

Der zuständige Analyst Thomas Bateman warnt vor einem möglicherweise schwachen Jahresergebnis. Er geht zwar auch weiterhin von einer Jahresdividende in Höhe von 6,30 Franken je Aktie aus, glaubt jedoch nicht, dass diese durch den letztjährigen Gewinn gedeckt sein wird. Bateman errechnet eine Ausschüttungsquote von 123 Prozent.

Es ist beileibe kein Geheimnis, dass grössere Unwetterschäden der Versicherungsgruppe das Jahr 2023 wortwörtlich "verhagelt" haben. Andere Rivalen wie Baloise trafen diese Ereignisse genauso. Zugegeben: Die Höhe der Kosten rechtfertigt durchaus eine gewisse Kritik an der Rückversicherungspolitik der beiden Unternehmen. Rückblickend ist man stets schlauer.

Mit einer Solvenzquote (SST) von rund 300 Prozent – diese Kennzahl steht für das Überschusskapital eines Versicherers - kann es sich Helvetia übrigens ohne weiteres leisten, fürs vergangene Jahr eine nicht ganz durch den Gewinn gedeckte Dividende zu entrichten.

Erste wertvolle Anhaltspunkte erhoffe ich mir, wenn kommende Woche Baloise das Jahresergebnis vorlegt. Eigentlich steht schon heute fest, dass 2023 kein guter Jahrgang für die Versicherungsgruppe war. Bei Helvetia müssen sich die Aktionärinnen und Aktionäre in Sachen Ergebnisveröffentlichung übrigens noch bis zum 11. April in Geduld üben.

Eine Bombe liess in den letzten Tagen Logitech platzen: "Chuck" Boynton räumt nach gerade einmal etwas mehr als einem Jahr bereits wieder den Sessel des Finanzchefs.

Kursdebakel bei den Aktien von Logitech rund um den Rücktritt des Finanzchefs (Quelle: www.cash.ch)

Der gebürtige Amerikaner verlässt das Lausanner Unternehmen in Richtung Heimat. Dort heuert er in derselben Funktion beim Solarzulieferer Nextracker an.

Dass ein so kurzes Gastspiel wie jenes Boyntons bei Logitech Spekulationen unterschiedlichster Couleur nach sich zieht, überrascht mich nicht. Denn nichts scheut die Börse bekanntlich mehr als die Ungewissheit. Schlaflose Nächte brauchen sich die Aktionärinnen und Aktionäre von Logitech gerade im Wissen um die beruflichen Pläne des abtretenden Finanzchefs wohl aber nicht zu machen.

Kommen wir an dieser Stelle noch kurz auf Meyer Burger zu sprechen. Seit Mittwoch werden die Aktien des Solarunternehmens ohne Bezugsrechte gehandelt. Bisher stecken die Valoren diesen Abgang erstaunlich gut weg. Auch bei den Bezugsrechten bleiben grössere Verkäufe vorerst aus.

Die Angst einiger Auguren, wonach der Aktienkurs unter den Bezugspreis von einem Rappen fallen und den Erfolg der Kapitalerhöhung gefährden könnte, erweist sich – Stand heute – als völlig unbegründet. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Dennoch sieht alles danach aus, als ob ausgerechnet den Leerverkäufern bei Meyer Burger für einmal eine "lebenserhaltende" Rolle zuteilwird. Angeblich sind sie es nämlich, welche momentan beherzt zugreifen – womöglich um ihre Wetten gegen das Solarunternehmen zu schliessen.

Nächste Woche dürfte die Nachrichtendichte endlich weniger werden. Das erlaubt es uns Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten, nach den Strapazen der letzten Wochen einmal tief durchzuatmen. Mal schauen, ob nicht doch noch überraschende Nachrichten eintreffen. Feiertagsbedingt erscheint die Börsenwoche im Schnelldurchlauf kommende Woche schon am Donnerstag.

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