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Während in der Ukraine noch immer Blut vergossen wird, scheint man an den Aktienmärkten längst zum "courant normal" übergegangen zu sein. Krise – welche Krise? Gerade im Wissen um die unzähligen Todesopfer und die grauenhaften Folgen des Kriegs für die dortige Bevölkerung überrascht und beelendet mich das gleichermassen.

Auch der Schweizer Aktienmarkt konnte in den vergangenen drei Wochen deutlich Boden gutmachen. Am breit gefassten Swiss Performance Index (SPI) gemessen notiert er mittlerweile um ziemlich genau 14 Prozent über seinen Jahrestiefständen. Damit trennen das Börsenbarometer keine 6 Prozent mehr vom Rekordhoch von Anfang Januar.

Anlegerinnen und Anleger, die nach Kriegsausbruch die Nerven verloren und bei ihren Aktien die Reissleine zogen, dürften sich angesichts dieser Zahlen wohl grün und blau ärgern. Einmal mehr zeigt sich: Nicht nur die Gier, auch Panik war an der Börse noch selten ein guter Ratgeber...

Wie ich gestern Donnerstag frühmorgens im Insider-Briefing berichtete, geht der bekannte Charttechnikexperte Mensur Pocinci von Julius Bär bei sämtlichen europäischen Aktienindizes von "Neutral" auf "Bullish" – darunter auch beim Swiss Market Index (SMI). Pocinci begründet seine wiedergewonnene Zuversicht mit dem Kursfeuerwerk von letzter Woche. Dieses liess die wichtigsten Indizes nämlich wieder über die Vor-Pandemie-Höchststände steigen. Zur Erinnerung: Derselbe Experte stufte den SMI vor weniger als zwei Wochen noch mit "Bearish" ein.

Der SMI kratzte kürzlich sogar an den 12'400 Punkten (Quelle: www.cash.ch)

Obschon das renommierte Börsenbarometer innerhalb von weniger als drei Wochen um mehr als 1200 Punkte zulegen konnte, ist das letzte Wort vermutlich noch nicht gesprochen. Denn die kräftige Gegenbewegung passt gut ins Bild einer etwas längerfristigen Schulter-Kopf-Schulter-Formation.

Ich schrieb am 8. März bei einem SMI-Stand von knapp 11'000 Punkten:

...und fast noch wichtiger...

Wenn der für Julius Bär tätige Charttechnikexperte da mal bloss nicht in einem eher ungünstigen Moment in Optimismus verfällt.

Derweil wird die Kritik an den Notenbanken immer lauter. Selbst aus den eigenen Reihen hagelte es zuletzt Kritik. So ging mit Bill Dudley ein ehemaliger Gouverneur der amerikanischen Notenbank und Bloomberg-Kolumnist hart mit den heutigen Entscheidungsträgern ins Gericht. Diese hätten den Teuerungsschub völlig verschlafen und kämen nun nicht länger darum herum, die Wirtschaft mit Gegenmassnahmen "abzuwürgen". Er entlarvt die offenkundige Hoffnung auf eine sanfte Landung damit als blosse "Beruhigungspille" für die Öffentlichkeit.

Das deckt sich übrigens mit der Einschätzung des für Kepler Cheuvreux tätigen Strategen Chris Potts. Lange Jahre sei die Preisstabilität in den wichtigsten Wirtschaftsräumen sozusagen ein Selbstläufer gewesen. Damit sei nun aber Schluss, wie der Stratege kürzlich schrieb. Er wähnt die Zentralbanken führender Wirtschaftsnationen deshalb mit dem Rücken zur Wand. Erhöhen sie die Leitzinsen zu ruppig, drohen sie damit die sowieso angezählte Wirtschaft abzuwürgen. Zaudern sie, könnte die Teuerung aus dem Ruder laufen.

Womöglich werden sich nur die älteren Semester unter meinen Leserinnen und Lesern an die "Taylor-Regel" erinnern. Dieser Regel zufolge müssten die amerikanischen Leitzinsen momentan bei mehr als 11 Prozent liegen. Zugegeben, das scheint im Wissen um die Schuldenexzesse der letzten Jahre nicht nur absurd, sondern völlig unrealistisch. Ausserdem hat die "Taylor-Regel" in der modernen Geldtheorie ja eigentlich nichts mehr verloren – zumindest wenn es nach heutigen Ökonomen geht.

Allerdings lehrte mich mein Mentor schon vor über 30 Jahren einst, dass die teuersten Worte der Welt da denn lauten: "Diesmal ist alles anders." Wie sagt man nämlich so schön: Die Geschichte wiederholt sich zwar nicht – aber sie reimt sich wenigstens.

Wenden wir uns nun aber wieder dem Schweizer Börsengeschehen zu. Für einmal waren die Unternehmensnachrichten hierzulande eher etwas dünn gesät. UBS und Sonova kündigten neue milliardenschwere Aktienrückkaufprogramme an und wurden von der Börse mit kursseitigen Vorschusslorbeeren belohnt. Der Hörgerätehersteller aus Stäfa will über die nächsten drei Jahre für 1,5 Milliarden Franken eigene Aktien zurückkaufen, die grösste Schweizer Bank sogar für bis zu 6 Milliarden Dollar. Während die Valoren von Sonova nur unwesentlich unter den historischen Höchstkursen notieren, trennen auch jene der UBS nicht viel von den Mehrjahreshöchstkursen von vor wenigen Wochen. Das zeigt wieder einmal, wie pro-zyklisch solche Aktienrückkaufprogramme eigentlich sind...

Sonova kauft quasi zu Höchstkursen eigene Aktien zurück: Kursentwicklung im 5-Jahres-Vergleich (Quelle: www.cash.ch)

Bei Logitech wiederum geriet in den letzten Tagen eine "alte Bekannte" in die Schlagzeilen: Die amerikanische Hewlett-Packard übernimmt für 3,3 Milliarden Dollar oder 40 Dollar je Aktie in bar die ebenfalls amerikanische Plantronics. Das entspricht einem satten Aufschlag von mehr als 50 Prozent gegenüber dem Schlusskurs am Tag vor dem Bekanntwerden des Angebots.

Zur Erinnerung: Im November 2018 buhlte Logitech um die Gunst der Herstellerin von Kopfhörern und Headsets für Videokonferenzen. 2,2 Milliarden Dollar sollen die Lausanner für Plantronics damals geboten haben. Letztendlich scheiterten die Gespräche angeblich jedoch an zu unterschiedlichen Preisvorstellungen.

Mit 3,3 Milliarden Dollar wird Plantronics mit dem Zwölffachen des für das kommende Jahr geschätzten operativen Gewinns (EBITDA) bewertet. Das wiederum deckt sich mit der aktuellen Bewertung von Logitech – wobei die Westschweizer in den letzten Jahren um einiges dynamischer unterwegs waren.

Für die Inhaberaktien von Roche wurden am Dienstag Kurse von 417 Franken und mehr bezahlt. Begleitet wurde das Ganze von stark anschwellenden Handelsaktivitäten. Als mögliche Käuferin von Titeln musste einmal mehr die japanische Softbank herhalten.

Zur Erinnerung: Dem Beteiligungsvehikel wurde nachgesagt, sich mit 5 Milliarden Dollar beim Pharma- und Diagnostikkonzern aus Basel eingenistet zu haben. Offiziell bestätigt wurden diese Meldungen allerdings nie.

Die Inhaberpapiere von Roche kosteten nur im November letzten Jahres mit knapp 428 Franken noch mehr als zuletzt. Interessant ist auch, dass der Aufschlag gegenüber den Genussscheinen mittlerweile fast wieder 11 Prozent beträgt.

Ich wäre jedenfalls überrascht, wenn da bei den Baslern nicht etwas im Busch ist. Vielleicht kommt sie ja endlich, die Einheitsnamenaktie!

Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf vom nächsten Freitag wird voraussichtlich eine der letzten ihrer Art sein. Ich werde nach gut 20 Jahren als Börsenkommentator und mehr als 16 Jahren als cash Insider meine Tätigkeit an den Nagel hängen und eröffne auf meine alten Tage hin stattdessen ein eigenes Fitness-Studio.

In diesem Sinne: E schöne 1. April mitenand!

 

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