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In weniger als 24 Stunden hat das lange Warten der Aktionärinnen und Aktionäre bei Nestlé endlich ein Ende. Dann nämlich legt der Nahrungsmittelmulti aus Vevey – als letztes der drei SMI-Schwergewichte - sein letztjähriges Ergebnis vor.

Die Angst vor einer Enttäuschung ist allgegenwärtig und gilt neben den Folgen des starken Frankens auch der eher schleppenden Entwicklung bei den Absatzvolumen. Ausserdem fragt man sich, ob und wie die Waadtländer den Umsatz im laufenden Jahr organisch betrachtet in mittleren einstelligen Prozentbereich steigern wollen und können.

Folglich gilt das Interesse nicht nur dem Blick in den Rückspiegel, sondern auch jenem nach vorn – sprich: Es dürfte sich am morgigen Donnerstag vieles um die zukunftsgerichteten Aussagen drehen.

Wie der für die britische Barclays tätige Analyst Warren Ackerman schreibt, nimmt die Kursflaute mögliche Enttäuschungen womöglich bereits vorweg. Nestlé habe den Bewertungsaufschlag gegenüber der Vergleichsgruppe fast vollständig eingebüsst.

Kursentwicklung der Nestlé-Aktien über die letzten 12 Monate (Quelle: www.cash.ch)

Interessant ist, dass Ackerman die Aktien im Kommentar als "crowded short" bezeichnet. Das heisst in etwa so viel, wie dass ausländische Leerverkäufer an der Börse umfangreiche Wetten gegen den Nahrungsmittelmulti aus Vevey aufgebaut haben. Konkrete Zahlen hierzu liefert der Barclays-Analyst allerdings nicht.

Zugegeben: Bei den in New York gehandelten American Deposit Receipts hat sich die Anzahl leerverkaufter Titel innerhalb weniger Wochen zwar verzehnfacht. Mit 271'000 Stück bleiben diese Wetten jedoch ziemlich vernachlässigbar. Da es die SIX Swiss Exchange bei den hiesigen Aktien noch immer nicht für notwendig hält Leerverkaufs-Statistiken zu führen, tappen wir "Normalsterblichen" weiterhin im Dunkeln.

Ganz uneigennützig sind die Aussagen Ackermans übrigens nicht, preist er die Nestlé-Aktien doch schon eine gefühlte Ewigkeit mit "Overweight" und einem Kursziel von 125 Franken zum Kauf an. Fragt sich, ob es sich bei der Bezeichnung "crowded short" nicht bloss um Effekthascherei handelt.

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Nach dem Frontalangriff des gefürchteten Leerverkäufers Hindenburg Research von letzter Woche war Temenos gestern Dienstag sichtlich bemüht, die Wogen zu glätten. Wer sich allerdings – wie etwa der Grossaktionär Petrus Advisers – eine rasche Entkräftung der Vorwürfe erhofft hatte, wurde enttäuscht. Das Unternehmen selbst will nun einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer sowie zwei Anwaltskanzleien mit einer Untersuchung beauftragen. Damit erkauft man sich vor allem eines: Wertvolle Zeit.

Folglich gerieten die Aktien der Genfer Bankensoftware-Schmiede schon im Laufe des Vormittags wieder unter Verkaufsdruck. Denn kaum etwas scheut die Börse so sehr wie die Ungewissheit. Auch nicht eben gut kam die Aussage an, dass der externe Untersuchungsbericht der Öffentlichkeit vermutlich gar nie zugänglich gemacht wird.

Jüngstes Kursdebakel bei den Aktien von Temenos (Quelle: www.cash.ch)

UBS-Analyst Justin Forsythe konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Obwohl zuerst eigentlich alles danach ausgesehen hatte, dass er seine Verkaufsempfehlung nach dem Kursdebakel kassieren könnte, hält er eisern daran fest. Gleichzeitig streicht Forsythe das 12-Monats-Kursziel auf 56 (zuvor 69,50) Franken zusammen. Sollte sich das Tagesgeschäft bei Temenos schlechter als gedacht entwickeln, rechnet er gegebenenfalls sogar mit einem Rücksetzer auf 39 Franken.

Kürzlich berichtete ich davon, dass die Fondstochter der mittlerweile ja zur UBS gehörenden Credit Suisse unmittelbar vor dem Kursdebakel noch Aktien zugekauft hatte. Seit heute Mittwoch ist nun bekannt, dass die Fonds-Manager der Grossbank ihr Aktienpaket just am Tag des Bekanntwerdens der Vorwürfe wieder auf unter drei Prozent ausgedünnt haben. In welchem Umfang Aktien verkauft wurden, ist offen.

Wie mir aus den Handelsräumen hiesiger Banken berichtet wird, nehmen übrigens erste Leerverkäufer die Gewinne auf ihren Wetten gegen die Genfer mit. Auch für Hindenburg Research scheint die Rechnung bereits aufzugehen. Dennoch dürften die Aktien wohl noch auf Wochen hinaus ein Spielball der Spekulanten bleiben...

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