Nachdem die Europäische Zentralbank jetzt erste Details ihres neuen Anti-Fragmentierungs-Instruments vorgestellt hat, will der Markt herausfinden, was nötig ist, damit es zum Einsatz kommt. Wie gross müssen die Renditeabstände von Staatsanleihen in Europa sein? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit die Unterstützung der Anleihemärkte beginnt? Inwieweit hindert Italiens politisches Chaos die EZB daran, Massnahmen zu ergreifen? Das sind die Fragen, die gestellt werden.

"Wir gehen davon aus, dass der Markt die Entschlossenheit der EZB auf die Probe stellen wird", so David Zahn, Leiter des Bereichs European Fixed Income bei Franklin Templeton. "Der Markt ist daran interessiert zu wissen, wann oder auf welchem Niveau die EZB eingreifen wird, um die Ausweitung der Spreads zu begrenzen." 

Das Mass, auf das alle schauen, ist der Abstand zwischen italienischen und deutschen Anleihen. Einige Strategen haben spekuliert, dass es bei etwa 250 Basispunkten kritisch wird, also knapp über dem Höchststand vom Juni, als die EZB eine Krisensitzung einberief und das neue Instrument ankündigte. Es firmiert seit gestern bei der EZB offiziell als "Instrument zur Absicherung der Transmission" (Transmission Protection Instrument – TPI).

Fundamentale Gründe für den Abstand zwischen italienischen und deutschen Anleihen

Doch es gibt ja fundamentale Gründe dafür, dass der Abstand zwischen Italien und Deutschland derzeit so gross ist: In Italien stehen nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi Neuwahlen an. Der gesamte Kontinent wird erschüttert durch den Krieg in der Ukraine und die hohen Energiepreise.

Die EZB habe zwar der Schaffung des Instruments zugestimmt, halte seinen Einsatz jedoch unter den derzeitigen Umständen nicht für gerechtfertigt. Die Nervosität der Märkte in Italien hänge mit politischen Entwicklungen zusammen, die nicht im Mittelpunkt der Massnahme stehen. So beschrieben es am Donnerstag Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind, gegenüber Bloomberg. 

"Alle Augen richten sich nun darauf, welche Spreadausweitung die EZB toleriert", sagt Salman Ahmed, Global Head of Macro and Strategic Asset Allocation bei Fidelity International. "Die Aussicht auf Neuwahlen in Italien, mit den rechten Parteien in Führung, macht es unwahrscheinlich, dass Italien die Bedingungen kurzfristig erfüllt", fügt er hinzu - was die Frage aufwerfe, ob die strengen Kriterien für das TPI in der Praxis seinen Einsatz zu stark einschränken. 

Einige der bislang bekannten Details lassen jedoch verschiedene Auslegungen zu. Andere Beobachter argumentieren, dass die EZB bei ihren Anleihekäufen noch viel Spielraum hat.

Einige glauben, die EZB war jetzt schon erfolgreich damit, ausufernde Spreads einzudämmen, indem sie lediglich über das Potenzial von Anleihekäufen gesprochen hat. Die Entscheidung, die Zinssätze um 50 statt um 25 Basispunkte zu erhöhen, sei auch ein Signal der Entschlossenheit, die Inflation zu senken.

Märkte können Instrument nicht testen

"Die heute verabreichte Medizin einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte, versüsst mit einer Dosis Anleihekäufe durch das neue TPI, ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Hetal Mehta, Senior European Economist bei Legal & General Investment Management, der die Konditionalität des Instruments für locker hält.

Andrew Mulliner, Leiter des Bereichs Global Aggregate Strategies bei Janus Henderson, ist der Meinung, dass Anleger das TPI überhaupt nicht als Instrument betrachten sollten. Er ist eher als Schutz gegen die Art von Fragmentierung gedacht, welche die Integrität der Eurozone bedroht, sagte er.

"Die Unbestimmtheit des Auslösers für seine Aktivierung bedeutet, dass die Märkte das Instrument nicht explizit testen können", schrieb er. Es sei kein aktives Instrument, sondern eine "Notlösung."

Dennoch könnten die Händler in den nächsten Wochen ihr Glück versuchen und "die Schmerzgrenze der EZB für die Ausweitung der Spreads an der Peripherie austesten", sagt Viraj Patel, Stratege bei Vanda Research. Es könnte also zu früh sein, sich jetzt schon auf italienische Anleihen zu stürzen.

(Bloomberg)