Gerechnet wird mit zum Teil scharfen Rückgängen der Nettogewinne. Am Donnerstag werden der US-Branchenprimus JP Morgan und die Investmentbank Morgan Stanley die Berichtssaison bei den Grossbanken in den USA eröffnen. Am Freitag folgen die Rivalen Citigroup und Wells Fargo mit ihren Zahlen für das zweite Quartal, am Montag schliesslich Goldman Sachs und Bank of America.

"Das wird ein ruckeliges Quartal für den Sektor", meint Jason Ware, Investmentchef des Finanzhauses Albion Capital. Investoren hofften vor allem auf neue Erkenntnisse dazu, wie es um die US-Konjunktur und um die ökonomische Lage der Kreditnehmer bestellt ist. Jüngsten Daten zufolge boomt der US-Arbeitsmarkt zwar trotz einer Serie von Zinserhöhungen der US-Notenbank weiterhin.

Dennoch greift allmählich die Angst vor einer Rezession um sich. JP-Morgan-Chef Jamie Dimon hatte im Juni vor einem wirtschaftlichen "Hurrikan" gewarnt, und Morgan-Stanley-Chef James Gorman hat die Wahrscheinlichkeit einer Rezession immerhin auf 50 Prozent taxiert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat inzwischen erneut die Wachstumsprognose 2022 für die USA gesenkt. Eine Rezession doch noch zu verhindern sei zunehmend eine Herausforderung, schrieb der Fonds.

Analysten gehen nach Daten von Refinitiv I/B/E/S davon aus, dass der Nettogewinn beim US-Bankenprimus JP Morgan im zweiten Quartal um rund ein Viertel geschrumpft ist und bei Morgan Stanley immerhin um 17 Prozent. Bei der Citigroup wird mit einem Gewinneinbruch um 38 Prozent im Quartal gerechnet, bei Wells Fargo mit einem Minus von 42 Prozent und bei der Bank of America mit einem Gewinnrückgang von 29 Prozent. Die Investmentbank Goldman Sachs könnte nach Analystenschätzungen sogar einen Ergebnisrückgang von 51 Prozent vermelden.

Rückstellungen aufstocken

"Die Banken müssen ihre Rückstellungen aufstocken", meint Bankanalyst Gerard Cassidy von RBC Capital Markets. Nach seinen Schätzungen könnten die vier grössten US-Banken JP Morgan, Citi, Wells Fargo und Bank of America Rückstellungen für drohende Kreditausfälle im Volumen von 3,5 Milliarden Dollar in ihren Zwischenbilanzen ausweisen. Das ist vor allem der Blick nach vorne - bislang liegen die Kreditausfälle noch nahe ihren Rekordtiefs. Vor einem Jahr sind den Banken Cassidy zufolge noch 6,2 Milliarden Dollar durch die Auflösung von Rückstellungen zugeflossen.

Jason Goldberg vom britischen Bankhaus Barclays schätzt, dass der Vorsteuergewinn der vier amerikanischen Top-Institute vor Rückstellungen lediglich um rund sieben Prozent gesunken ist. Zudem hat nach seiner Schätzung der Zinsüberschuss der Geldhäuser kräftig zugenommen dank der steigenden Leitzinsen und einer wachsenden Kreditvergabe. Unternehmen hatten zuletzt mehr Darlehen nachgefragt, zudem nutzten Konsumenten ihre Kreditkarten kräftig. "Es gibt wirklich ein sehr starkes Kreditwachstum und sehr geringe Kreditverluste", merkte Goldberg an. Aber ein schwerer Wirtschaftseinbruch könnte aus seiner Sicht diese Entwicklung umkehren.

Die Investmentbank Goldman Sachs besitzt im Vergleich zu den vier grössten US-Geldhäusern zwar ein deutlich kleineres Verbrauchergeschäft. Doch im Geschäft mit Übernahmen und Fusionen sowie mit der Emission von Aktien und Anleihen lief es Analysten zufolge zuletzt nicht so rund. Hier habe neben den Rezessionssorgen auch der Ukraine-Krieg eine zentrale Rolle gespielt. Dagegen sind nach Schätzungen von Barclays die Handelserträge dank volatiler Börsen kräftig gestiegen. Insbesondere im Geschäft mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen (FICC) wird bei Goldman Sachs mit einem deutlichen Ertragsplus gerechnet.

(Reuters)