Die Rendite für US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren kletterte zur Wochenmitte deutlich über die Vier-Prozent-Marke und liegt damit so hoch wie zu Zeiten der Finanzkrise 2008. Auch im europäischen Handel haben die Renditen wieder angezogen, nachdem Verbraucherpreisdaten aus der Eurozone und aus Grossbritannien auf einen weiterhin hohen Inflationsdruck hingedeutet hatten. Damit werden sich die Notenbanken wohl weiterhin mit deutlichen Zinserhöhungen gegen die hohe Teuerung stemmen. Der Konjunkturbericht der US-Notenbank Fed gab dem Markt derweil keine deutlichen Impulse.
"Bislang zeigt sich der Oktober von seiner goldenen Seite", schrieb derweil Marktexperte Christian Henke von IG Markets mit Blick auf die Quartalsberichte. Die überraschend starken Unternehmenszahlen bezeichnete er als "Balsam für die Nerven der Anleger". Auf der Konjunkturseite bleibe hingegen alles beim Alten, weshalb Henke infrage stellt, ob der jüngste Aufwind an der Börse mehr als eine Bärenmarktrally ist. Aktuelle US-Daten aus der Bauwirtschaft fielen durchwachsen aus: Einem unerwarteten Anstieg bei den Genehmigungen im September stand ein überraschend deutlicher Rückgang bei den Baubeginnen gegenüber.
Auch Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar bezweifelt, dass der Aktienmarkt seinen Tiefpunkt bereits hinter sich hat. Die deutliche Mehrheit der US-Fondsmanager halte ihr Geld noch zurück, weil sie mit einem weiteren Kursverfall rechne, zitierte der Experte von Robomarkets aus einer Umfrage der Bank of America. "Sollten den Fondsmanagern die Kurse nun weiter davonlaufen, müssten sie wohl oder übel auf den Zug aufspringen, was die Aufwärtsbewegung noch beschleunigen dürfte."
Unterdessen traten weitere Unternehmenszahlen in den Vordergrund - allen voran vom Streamingriesen Netflix , dessen Aktien mit einem Kurssprung von 13 Prozent den Spitzenplatz im Nasdaq 100 eroberten. Netflix fand im dritten Quartal dank erfolgreicher Serien wie "Stranger Things" und "Dahmer: Monster" zum Nutzerwachstum zurück. Im Vierteljahr bis Ende September verbuchte das Unternehmen unter dem Strich 2,4 Millionen neue Bezahlabos, nachdem es zuvor unter dem steigenden Konkurrenzdruck gelitten hatte.
Der US-Schadenversicherer Travelers führte mit einem Kursplus von 4,4 Prozent die Gewinnerliste im Dow an. Er war trotz eines Gewinneinbruchs besser durch das von Hurrikans geprägte dritte Quartal gekommen als gedacht.
Zuversicht macht sich zudem in der amerikanischen Luftfahrtbranche breit. Die US-Fluggesellschaft United Airlines rechnet für das Schlussquartal dank anhaltend guter Geschäfte erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie mit einer höheren operativen Marge als 2019. Die Papiere der Airline stiegen um fünf Prozent.
Dass nicht alle Konzerne gut durch die Krise kommen, zeigte sich hingegen beim Haarpflege-Hersteller Olaplex . Der Konzern strich seine Prognose rigoros zusammen, woraufhin Analysten reihenweise ihre Kursziele senkten. Die Aktien verloren daraufhin über die Hälfte ihres Werts.
Der US-Konsumgüterhersteller Procter & Gamble wird vor allem wegen Gegenwinds bei den Wechselkursen, aber auch wegen höherer Kosten vorsichtiger beim zu erwartenden Gewinn je Aktie im laufenden Geschäftsjahr. Im abgelaufenen Auftaktquartal hatte sich das Unternehmen aber besser als von Analysten erwartet geschlagen - die Papiere gewannen 0,9 Prozent.
Nach US-Börsenschluss gewährten noch IBM und Tesla Einblick in ihre Bücher. Währen die Titel des Computer-Dino nachbörslich deutlich zulegten, ging es für die Papiere des Elektroautobauers klar bergab.
Der Euro geriet nach den jüngsten Gewinnen deutlich unter Druck und sank im New Yorker Handel zuletzt auf 0,9773 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 0,9778 (Dienstag: 0,9835) Dollar festgesetzt und der Dollar damit 1,0227 (1,0168) Euro gekostet.
US-Staatsanleihen erlitten ebenfalls klare Verluste: Der Terminkontrakt für zehnjährige Treasuries (T-Note-Future) fiel zuletzt um 0,85 Prozent auf 109,97 Punkte. Im Gegenzug kletterte die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen auf 4,13 Prozent./gl/he
--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---
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