Am Markt für Digitalwährungen bewirkten die Probleme bei FTX einen Ausverkauf. Der Rettungsvorschlag für das Unternehmen des inzwischen ehemaligen Multimilliardärs Sam Bankman-Fried ist nicht bindend. Damit ist der Deal alles andere als in trockenen Tüchern. 

Was sind Binance und FTX?

Sie sind zwei der grössten Kryptobörsen, also Marktplätze, auf denen Anleger Token wie Bitcoin, Ethereum, Dogecoin und viele andere kaufen, verkaufen und lagern. Binance ist die mit Abstand grösste Kryptobörse, gemessen am Volumen. FTX gehört laut dem Krypto-Datenanbieter CoinMarketCap (der selbst zu Binance gehört) zu den Top fünf.

Wer leitet sie?

Die Börsen werden von zwei der prominentesten und charismatischsten Figuren in der Kryptowelt geführt: Binance von Changpeng Zhao (oder CZ, wie er genannt wird), und FTX von Sam Bankman-Fried (oder SBF).

Bankman-Fried war früher Händler bei Jane Street. Bis vor wenigen Wochen schien der 30-jährige Lockenkopf in jeder Ecke der Kryptobranche aktiv - unter anderem unterstützte er marode Projekte wie BlockFi, Voyager Digital und Celsius. Zu seinen Investoren zählten unter anderem der Softbank Vision Fund, der Staatsfonds Temasek aus Singapur und der Ontario Teachers’ Pension Plan.

Zhao ist ein in China geborener kanadischer Staatsbürger, der im Alter von 12 Jahren nach Vancouver auswanderte und an der McGill University in Montreal einen Abschluss in Informatik machte. Er gründete Binance im Jahr 2017 in Shanghai - doch die chinesische Regierung verbot im selben Jahr Kryptobörsen. Inzwischen arbeitet er von Dubai aus.

Warum sind Bankman-Fried und Zhao zerstritten?

Im Jahr 2019 investierte Binance in die Derivatebörse FTX. Im Jahr darauf führte Binance eigene Kryptoderivate ein und wurde schnell zum Marktführer in diesem Bereich.

Die Spannungen nahmen zu, als die beiden Unternehmen unterschiedliche Strategien im Umgang mit den Behörden einschlugen. Bankman-Fried sagte vor dem US-Kongress aus, während Binance mit behördlichen Untersuchungen auf der ganzen Welt konfrontiert war.

Die beiden Unternehmen konkurrierten auch um Vermögenswerte. Eine Auktion für die Assets von Voyager Digital entschied FTX.US für sich.

Zhao und Bankman-Fried lieferten sich einen monatelangen Schlagabtausch auf Twitter, in dem es um Themen von der Lobbyarbeit für US-Politiker bis hin zu Vorwürfen von Frontrunning-Trades geht.

Und was ist jetzt schon wieder passiert?

Am Wochenende kündigte Zhao via Twitter an, dass Binance seine Bestände des FTX-eigenen Tokens FTT auflösen werde. Zuvor hatte der Branchendienst CoinDesk berichtet, bei Bankman-Frieds Unternehmen Alameda Research entfalle ein Grossteil des Vermögens auf die FTT-Token.

Dies schürte weitere Bedenken über die Solvenz von FTX und Investoren begannen, Geld abzuziehen. Der FTT-Token stürzte am Dienstag um 72 Prozent ab und fiel am Mittwoch erneut im zweistelligen Prozentbereich. Einen Tag vor dem Binance-Deal hatte Bankman-Fried noch auf Twitter erklärt, die Vermögenswerte der FTX seien “in Ordnung” und dass “ein Konkurrent versucht, uns mit falschen Gerüchten zuzusetzen”.

Was bedeutet das für die Märkte?

Eine Menge Unsicherheit für die Anleger. Selbst mit der Ankündigung des Binance-FTX-Deals können Krypto-Preisbewegungen die Dinge erschweren. Bitcoin fiel kurzzeitig auf den niedrigsten Stand seit 2020, was viele Eigner der weltgrössten Digitalwährung Verluste im Portfolio beschert. Die Blockchain Solana, die von Bankman-Fried unterstützt wird, fiel am Montag um 23 Prozent und am Mittwoch um weitere 31 Prozent.

Was sind die Folgen für Binance- und FTX-Benutzer?

Sowohl CZ als auch SBF betonten via Twitter, dass der Deal dem Schutz der Kunden diene - die genauen Bedingungen sind jedoch unklar. Es gab keine Erklärungen von Binance darüber, was mit FTX-Konten passieren wird. 

FTX.US ist nicht Teil des Deals.

Wie wirkt sich das auf CZ und SBF aus?

Dieser Deal macht CZ effektiv zur Top-Person in der Kryptowelt - falls er das nicht schon war. Und es ist ein grosser Rückschlag für SBF, der zuvor als einer der erfolgreichsten Menschen in der Branche galt.

Das spiegelt sich auch im jeweiligen Vermögen wider. Der 53 Prozent-Anteil von Bankman-Fried an FTX war laut dem Bloomberg Billionaires Index vor der Ankündigung am Dienstag etwa 6,2 Milliarden Dollar wert, basierend auf einer Finanzierungsrunde und der anschliessenden Performance börsennotierter Kryptofirmen. Sein Krypto-Handelshaus Alameda Research steuerte 7,4 Milliarden Dollar zu seinem persönlichen Vermögen bei.

Die Index-Rechner gehen davon aus, dass die FTX-Investoren, einschliesslich Bankman-Fried, durch die Rettungsaktion von Binance alles verlieren und dass Alameda die Wurzel des Problems ist. Infolgedessen bewerten sie sowohl FTX als auch Alameda nur mehr mit einen Wert von 1 Dollar. Damit bleiben SBF ein Vermögen von etwa 1 Milliarde Dollar, gegenüber 15,6 Milliarden Dollar noch am Dienstag. Der Verlust von 94 Prozent ist der grösste Vermögenseinbruch, den es unter den von Bloomberg verfolgten Milliardären binnen Tagesfrist je gab.

CZ hatte ebenfalls eine schwierige Zeit, sein Vermögen ist laut Billionaires Index seit Jahresbeginn um 83 Prozent gesunken – er wird aber immer noch auf 16,4 Milliarden Dollar geschätzt. 

Was bedeutet das für die Regulierung?

Die Episode und die Tatsache, wie schnell sie sich abspielte, dürften Wasser auf die Mühlen von Regulierungsbehörden sein, die sich Sorgen über das Fehlen von Kontrollmechanismen im ungezügelten Krypto-Universum machen. Staaten, die lockerere Regeln in Betracht gezogen haben, werden dies womöglich überdenken – insbesondere nach den Implosionen im Terra/Luna-Ökosystem und dem Kollaps des Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital vor einigen Monaten.

Zusätzlich zur allgemeinen Krypto-Regulierung könnte der Deal selbst auf den Prüfstand gestellt werden. Er umfasst zwei der Top-Akteure in der Branche und könnte Bedenken hinsichtlich der Marktbeherrschung eines kombinierten Unternehmens auslösen.

Was kommt als nächstes?

Das ist unklar. Da die Binance-Vereinbarung zum Kauf von FTX unverbindlich ist, könnten viele verschiedene Dinge passieren. Binance könnte FTX übernehmen, sich ganz zurückziehen oder auch nur Teile erwerben. Auch ob FTX als eigenständige Einheit weiterbestehen würde, ist unklar. Einiges davon kann davon abhängen, welche Erkenntnisse Binance bei der Due Diligence macht.

(Bloomberg)