Am Donnerstag hatte das deutsche Börsenbarometer die Marke von 13 000 Punkten nur knapp gehalten, nachdem es von seinem Monatshoch bei 14 709 Punkten über zehn Prozent verloren hatte. Hauptthema bleibt die immense Inflation und das Gegensteuern der Notenbanken mit Zinserhöhungen. Am Mittwoch hatte zunächst die US-Notenbank (Fed) einen grossen Zinsschritt bekannt gegeben. Tags darauf hatte die Schweizerische Nationalbank mit einer deutlichen Zinsanhebung überrascht und die Anleger nervös gemacht.
Seither ist wieder eine gewisse Beruhigung eingekehrt. Vor allem am Montag und an diesem Morgen ging es für den Dax und auch die anderen grossen Börsen Europas wieder deutlich nach oben. Die Gewinne seien aber immer noch ein Stück weit entfernt, bis die heftigen Verluste vom Donnerstag wieder ausgeglichen seien, konstatierte Analyst Michael Hewson von CMC Markets UK.
Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege von RoboMarkets, äusserte sich zudem vorsichtig über die momentane Stabilisierung. Was sie "wert ist, dürfte sich erst am Nachmittag zeigen, wenn die Investoren an der Wall Street wieder ins Geschehen eingreifen". Tags zuvor waren sie feiertagsbedingt von den Börsen fern geblieben. Noch deutet sich zwar auch in den USA ein freundlicher Handelstag an, doch wie schnell sich die Stimmung drehen kann, haben die vergangenen Wochen immer wieder neu gezeigt.
Einzelne Unternehmen standen vor allem mit negativen Nachrichten im Blick. Um etwas mehr als zwölf Prozent sackte das Papier von Nordex ab, und Molnar sieht Anleger gut beraten, die sich nach Alternativen im Neue-Energien-Markt umsehen. Der wegen der verzögerten Zahlenvorlage tags zuvor aus dem SDax geflogene Windanlagenbauer startete mit laut Händlern "überraschend hohen Verlusten" in das Jahr 2022. Das bereinigte operative Ergebnis vor Neuausrichtungskosten (Ebitda), das im Vorjahr noch positiv gewesen war, rutschte zudem ebenfalls in den Minusbereich. Nordex hatte die Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal wegen eines Cyber-Sicherheitsvorfalls verschieben müssen.
Aktien aus der Einzelhandelsbranche zählten ebenfalls zu den Verlierern. Nicht zuletzt, nachdem sich nun die US-Bank JPMorgan und auch die Investmentbank Oddo BHF skeptisch äusserten. Die Lebenshaltungskosten stiegen und machten das Leben teurer, schrieb etwa JPMorgan-Analystin Georgina Johanan. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte dürfte sich das bemerkbar machen, erwartet sie und senkte unter anderem ihr Anlageurteil für den Online-Modehändler About You auf "Neutral".
Oddo-Analyst Andreas Riemann argumentiert ähnlich und sieht wachsende Risiken für Gewinnwarnungen. Dass Aktien wie Adidas , Zalando und Puma im Dax oder Hugo Boss im MDax dennoch zulegten, dürfte den bereits vorangegangenen kräftigen Verlusten geschuldet sein. Die About-You-Aktie gab dagegen im SDax um 1,8 Prozent nach.
Uniper schwächelten im Index der mittelgrossen Werte mit minus 0,4 Prozent. Der Energiekonzern könnte Schwierigkeiten haben, die mit seinen Kunden unterzeichneten Verträge zu erfüllen, falls Moskau die Gaslieferungen weiter drosselt oder längerfristig weniger Gas bereitstellt, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. "Wir erfüllen jetzt die Verträge, die wir mit unseren Kunden abgeschlossen haben, doch inwieweit wir das weiterhin tun können, weiss ich nicht", sagte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach im Interview der Agentur./ck/men
(AWP)