Anleger blicken am Donnerstag ehrfürchtig auf das, was bis zum Wochenende noch passiert. Am Freitag werden frische US-Verbraucherpreisdaten erwartet, zuvor aber dürfte die EZB wegen der hohen Inflation die geldpolitische Wende einleiten. Aller Voraussicht nach wird die Notenbank am Nachmittag im Rahmen ihrer Sitzung das Ende ihrer Netto-Anleihekäufe verkünden. Darüber hinaus rechnen Volkswirte mit Signalen für einen ersten Zinsschritt im Juli. Es wäre die erste Erhöhung des Leitzinses seit mehr als einem Jahrzehnt.

Francesco Pesole von der ING-Bank sieht angesichts der bisher zögerlichen Haltung der EZB die Frage im Mittelpunkt, ob eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte im Juli beschlossene Sache ist oder ob es sogar Raum für eine Erhöhung um gleich 50 Basispunkte gibt. "Eine Absage an doppelte Zinsschritte würde am Markt für Erleichterung sorgen", glaubt der Experte Thomas Altmann von QC Partners.

Angesichts der Erwartungen an die EZB standen einmal mehr Wachstumswerte unter Druck, die der Technologiebranche nahestehen. Die Titel des Chipkonzerns Infineon verloren 2,3 Prozent, besonders stark traf es aber einige derzeit schwankungsreiche Online-Handelsunternehmen aus dem Dax: Hellofresh und Zalando büssten 3,5 respektive 4,3 Prozent ein. Anleger fürchten hier schon länger, dass die hohe Inflation und steigende Zinsen das Wachstum gefährden.

Höhere Verluste von 4,8 Prozent mussten ansonsten die Anleger von Hochtief einstecken wegen einer Kapitalerhöhung, die die Gewinne für bestehende Aktionäre verwässert. Der Baukonzern beschafft sich mit dem Verkauf von gut sieben Millionen neuen Aktien frisches Geld für die vollständige Übernahme der australischen Tochter Cimic . Der auf 57,50 Euro festgelegte Preis bedeutet einen fast fünfprozentigen Rabatt auf den Vortags-Schlusskurs.

Besonders schwer erwischte es nach zuletzt gutem Lauf auf ein Hoch seit 2008 auch die Aktionäre von Wacker Chemie , deren Papiere am Donnerstag wieder 5,7 Prozent weniger wert sind. Analysten werden hier zunehmend kritischer, JPMorgan nimmt nun gar eine pessimistische Haltung an. Die Abstufung der US-Bank auf "Underweight" wegen grösser werdender Risiken liess die Papiere um 2,7 Prozent absacken.

Entgegen der vorbörslichen Tendenzen bewegten sich auch die Aktien von Heidelberger Druck moderat mit 0,3 Prozent im Minus. Ein von Experten als ambitioniert und damit erfreulich gewerteter Ausblick konnte die Papiere in dem schwachen Umfeld also nicht stützen. Der Maschinenbauer will im neuen Geschäftsjahr Umsatz und Ergebnis trotz des Kostendrucks weiter steigern.

Nicht zur Ruhe kommt derweil der Fondsanbieter DWS angesichts der laufenden Untersuchungen wegen "Greenwashing"-Vorwürfen. Die Schweizer Grossbank UBS gab am Mittwoch vor diesem Hintergrund und wegen strategischer Unsicherheiten, die mit dem Chefwechsel einhergehen, ihre Kaufempfehlung auf. Der Kurs sank hier um 2,5 Prozent./tih/zb

(AWP)