Die bevorstehenden Zinserhöhungen im Euro-Raum haben am Anleihemarkt zu massiven Marktreaktionen geführt. Die Renditen für Staatsanleihen sind stark gestiegen. Dabei vergrösserten sich die Renditeabstände - die sogenannten Spreads - zwischen den Staatsanleihen Deutschlands und denen südeuropäischer Länder deutlich. Ohnehin schon von hohen Schuldenständen geplagte Staaten wie Italien geraten damit noch mehr unter Druck, da ihre Finanzierungskosten steigen. Die Europäische Zentralbank ist besorgt und hat wegen der Entwicklungen am Anleihemarkt eine Sondersitzung der Währungshüter einberufen. Die Notenbank hat signalisiert, sie werde einschreiten, sollte es zu einer aus ihrer Sicht "unerwünschten Fragmentierung" kommen.

Es folgt eine Übersicht über mögliche Massnahmen der EZB:

Die Füsse still halten

Insider hatten nach der jüngsten EZB-Sitzung am Donnerstag noch gesagt, eine grosse Mehrheit der Währungshüter habe keine Notwendigkeit gesehen, etwa mit neuen Anleihenkäufen zu reagieren. Auf der Zinssitzung in Amsterdam sei das Thema Fragmentierung nur kurz besprochen worden. Eine Debatte über ein neues geldpolitsches Werkzeug habe es nicht gegeben. "Allein die Tatsache, dass das Thema nicht einmal in irgendweiner Form angegangen wurde, hat dem Markt gezeigt, dass die Schmerzgrenze viel weiter entfernt ist, als wir bislang dachten", sagt etwa Zinsstratege Rohan Khanna vom Schweizer Bankhaus UBS. Doch seitdem haben die Risikoaufschläge weiter zugenommen.

Verbale Invervention

Die EZB könnte versuchen, die Kursbewegungen an den Anleihenmärkten mit einer entschlossenen Mitteilung einzudämmen. "Wir rechnen mit einem starken verbalen Bekenntnis der EZB, dass sie eine Fragmentierung innerhalb der Rentenmärkte nicht tolerieren werde", glaubt etwa Ulrike Kastens, Europa-Volkswirtin bei der Fondsgesellschaft DWS. Die Frage ist aber, ob eine solches verbales Bekenntnis der EZB ausreicht.

Gezieltes Reinvestieren

Die EZB könnte der Gelder aus ablaufenden Anleihen im Rahmen ihres Notfall-Anleihenkaufprogramms PEPP künftig gezielt in die Titel betroffener Süd-Länder fliessen lassen. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hat bereits eine solche flexible Reinvestition der Gelder als möglich Antwort ins Spiel gebracht. Das Bankhaus Societe Generale schätzt, dass der EZB über das kommende Jahr hinweg rund 300 Milliarden Euro aus fällig werdenden Anleihen zufliessen werden, die sie im Rahmen ihres Pandemie-Programms PEPP erworben hat.

OMT

Die EZB besitzt bereits mit dem sogeannten OMT-Programm ein Instrument, mit dem unbegrenzt Staatsanleihen von unter Druck geratenen einzelnen Euro-Ländern erworben werden können, um unerwünschte Renditeausschläge zu bekämpfen. "OMT" steht für "Outright Monetary Transactions", also für gezielte geldpolitische Geschäfte. Das Programm war 2012 auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise beschlossen worden, wurde aber bislang noch nie eingesetzt. Um in den Genuss dieses Programms zu kommen, müssen sich die betroffenen Euro-Länder allerdings einem europäischen Hilfsprogramm unterziehen. Genaus dies wollen viele Staaten aber vermeiden.

Wiederaufnahme der App-Käufe

Die EZB könnte ihre Anleihenkaufprogramm APP (Asset Purchase Program) wieder neu starten. Die Euro-Notenbank hatte das Programm 2015 aufgelegt, um in einer Phase ultraniedriger Zinsen die Konjunktur zu stützen und die Inflation anzuschieben. Es wurde mit Unterbrechung und mit unterschiedlichen monatlichen Kaufvolumina dann in den Folgejahren fortgesetzt. Die EZB hat allerdings gerade erst angekündigt, die APP-Nettokäufe zum 1. Juli einzustellen, und mehrere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Daher halten manche Experten eine Wiederauflage des Programms für unwahrscheinlich. "Das naheliegendste wäre ein Neustart von APP, aber es ist schwierig, das zu tun, wenn man gerade die Zinsen erhöht", meint etwa Konjunkturstratege Timothy Graf von State Street.

Ein neues Werkzeug

EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Notenbank-Direktorin Isabel Schnabel haben bereits die Möglichkeit angedeutet, die Notenbank könne ein neues geldpolitisches Werkzeug entwickeln, um gegen die auseinanderlaufenden Renditen vorzugehen. Dies könnte etwa ein Programm sein, dass der EZB gezielte Staatsanleihenkäufe erlauben würde. Bei ihrem APP-Programm richteten sich die Kaufvolumina nach dem sogenannten Kapitalschlüssel der EZB, der Wirtschaftskraft der Euro-Länder nachzeichnet. In einem neuen Programm könnte dieses Grundgerüst womöglich wegfallen. Allerdings würde dies in Deutschland Experten zufolge womöglich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf den Plan rufen. Die EZB wisse, was immer sie sich einfallen lasse, dass sie vor dem Bundesverfassungsgericht landen könnte, warnt etwa Andrew Mulliner, Strategiechef der Investmentfirma Janus Henderson.

(Reuters)