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Wenn es am Schweizer Aktienmarkt in den letzten Wochen und Monaten so etwas wie ein Erfolgsrezept gab, dann war es ganz offensichtlich dieses: "Buy the winners".

Momentan vergeht nämlich kaum ein Tag, ohne dass die fünf Überflieger Zehnder, Sonova, Bossard, Straumann und Bachem nicht neue Kursrekorde schreiben würden. Wer in den ersten Januartagen auf diese Handvoll Unternehmen setzte, verdiente sich eine goldene Nase. Die Aktien von Sonova konnten seither um gut 56 Prozent zulegen, jene von Zehnder sogar um mehr als 70 Prozent – Stand heute.

Aus dem eher lahmen Swiss Market Index (SMI) herrscht hingegen in den Aktionariaten von Kühne+Nagel, Partners Group und Richemont ausgelassene Champagnerstimmung. Alle drei Aktien kosten mittlerweile um die 50 Prozent mehr als noch zu Jahresbeginn. Damit brauchen sie den Vergleich mit den fünf Überfliegern aus der zweiten und dritten Reihe nicht zu scheuen.

Noch immer ziehen die genannten Aktien viel Aufmerksamkeit auf sich – und neue Anlagegelder sowieso. Wer nun denkt, dass sich fast ausschliesslich Momentum-Investoren in den Überfliegern tummeln, der irrt. Vielmehr sind es sogenannte "Safe-Haven-Käufe", die das Kursfeuer am Lodern halten. Mit anderen Worten: Marktakteure unterschiedlichster Couleur suchen in den besagten Aktien Zuflucht, jetzt da die Wirtschaft in vielen Weltregionen spürbar an Schwung verliert und der Begriff "Delta-Variante" in aller Munde ist. Wachstumsaktien als Allerheilsmittel gegen konjunkturelle Wachstumsängste sozusagen – wobei der Preis keine Rolle spielt? Womöglich eine eher trügerische Sicherheit, in der sich die Marktakteure da wähnen.

Im Fall von Richemont konnte in den letzten Tagen übrigens selbst eine Herunterstufung des europäischen Luxusgütersektors von "Marketweight" auf "Underweight" durch die Bank of America die Spitze nicht brechen. Wie mir Londoner Quellen berichten, wurden die von der amerikanischen Investmentbank auf den Markt geworfenen Aktien einfach so mir-nichts-dir-nichts absorbiert.

Ähnliches war zuvor schon bei den millionenschweren Titelverkäufen aus dem Verwaltungsrat von Straumann zu beobachten. Seit Mitte März summieren sich die der Schweizer Börse SIX gemeldeten Transaktionen – sie stammen vermutlich aus den Beständen des Ankeraktionärs Thomas Straumann – auf mehr als 110 Millionen Franken.

Zugegeben: Was Unternehmen wie Zehnder oder Bossard da in den letzten Wochen an Zahlenkränzen für die erste Jahreshälfte vorlegten, ist schon ziemlich beeindruckend. Dasselbe gilt für jene von Richemont und Kühne+Nagel. Wie immer, wenn eine kräftige Belebung des Tagesgeschäfts auf eine verschlankte Kostenbasis trifft, ist Unternehmen der Gewinnschub so gut wie sicher.

Allerdings wäre es grobfahrlässig, den besagten Gewinnschub in die Zukunft zu extrapolieren. Denn ewig lässt sich die Kostenbasis bei einer kräftigen Belebung des Tagesgeschäfts eben nicht schlank halten.

Umso mehr überrascht es mich, dass viele Aktienanalysten sich zu genau diesem Schritt verleiten lassen – selbstverständlich einhergehend mit einer aufsehenerregenden Erhöhung des Kursziels für die von ihnen zum Kauf angepriesenen Aktien.

Wie Straumann und Bachem in der ersten Jahreshälfte abgeschnitten haben, ist hingegen noch nicht bekannt. Der Dentalimplantatehersteller aus Basel berichtet am 12. August, der Pharmazulieferer aus Bubendorf sogar erst am 21. August. Zumindest in Analystenkreisen wird beiden Unternehmen ein starker Zahlenkranz nachgesagt. Ähnliches liesse sich über Sonova sagen, wobei sich die Aktionärinnen und Aktionäre des Hörgeräteherstellers aus Stäfa sogar noch bis Mitte November in Geduld üben müssen. Vorschusslorbeeren gab es für die drei Aktien bereits reichlich.

Vontobel katapultiert die Sonova-Aktien in neue Kurssphären (Quelle: www.cash.ch)

Vontobel-Analystin Sibylle Bischofberger springt bei Sonova sogar erst heute Mittwoch auf den rollenden Zug auf. Sie stuft die Papiere mit einem Kursziel von 430 (zuvor 340) Franken von "Hold" auf "Buy" herauf. Die innovative Technologieplattform Paradise verspreche auf Jahre hinaus Wachstum, wie Bischofberger in einem Kommentar schreibt. Zur Erinnerung: Die Analystin war es, die bis Mitte Januar dieses Jahres noch mit Reduce und einem Kursziel von 193 Franken zum Verkauf riet...

Einer meiner geschätzten Leser verglich das Börsengeschehen einst mit einem rauschenden Fest, bei der die letzten paar Gäste den Abwasch machen müssen. Da stellt sich für mich als Anleger doch die Frage, ob ich nun tanzen soll, bis die Musik verstummt – oder ob ich die Party doch lieber schon dann verlasse, wenn es am Schönsten ist? Ich bin da noch etwas unentschlossen. Verdient hat man schliesslich immer erst, wenn man den aufgelaufenen Kursgewinn realisiert hat.

Die Aktien von Zur Rose notieren noch immer weit unter dem Rekordhoch bei 514 Franken (Quelle: www.cash.ch)

Wie überraschend schnell die Musik verstummen kann, zeigt sich am Beispiel von Zur Rose – einem weiteren Überflieger. Auch bei der Versandapotheke gab es zu Jahresbeginn kein Halten mehr. Auf einen Vorstoss von weniger als 300 auf über 500 Franken innerhalb weniger Wochen folgte ab Mitte Februar ein ebenso rasanter Abstieg – ohne dass damals klärende Neuigkeiten vorgelegen hätten. In den ersten Mai-Tagen kosteten dieselben Aktien dann zeitweise keine 260 Franken mehr.

Zugegeben: Angst ist an der Börse oft ein schlechter Ratgeber. Dasselbe liesse sich aber auch von der Gier behaupten. Eine derartige Konzentration von Geldern in einigen wenigen Titeln ist alles andere als gesund...

 

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