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Es ist schon ziemlich zermürbend: Da graben dem Swiss Market Index (SMI) zuerst Aktien wie Logitech, Bachem oder Tecan während langen Monaten das Wasser ab. Und nun, da selbst diese wachstumsstarken Unternehmen nicht länger hoch in der Gunst der Anleger stehen, ist es auch nicht recht.

Keine 24 Stunden nachdem der bekannte Stratege Chris Potts von Kepler Cheuvreux den Schweizer Aktienmarkt in einer spektakulären Kehrtwende von "Overweight" auf "Underweight" abwatschte, legt sein Berufskollege Patrik Lang von Julius Bär gleich nach. Er senkt seine Einschätzung von "Neutral" auf "Underweight". Mit anderen Worten: Auch Lang räumt Aktien aus der Schweiz neuerdings ein unterdurchschnittliches Gewicht in den Portefeuilles der Anlagekundschaft ein - wahrlich ein "Freitag, der 13." für unseren Heimmarkt.

Momentan nicht "en vogue": Die Valoren von Nestlé (rot), Roche (grün) und Novartis (gelb) (Quelle: www.cash.ch)

Allerdings widerspricht der Julius-Bär-Stratege damit seinen Arbeitskollegen Mensur Pocinci und Alexis Chassagnade. Eine gute Woche ist es nämlich her, dass die beiden bekannten Markttechnikexperten eine kurz zuvor vollzogene Abstufung rückgängig machten und den SMI wieder von "Neutral" auf "Bullish" heraufstuften.

Am letzten Freitag schrieb ich zu diesem Thema:

Und um das Ganze noch ein bisschen zu verkomplizieren, nehmen Pocinci und Chassagnade ihre relative Einschätzung für den Schweizer Aktienmarkt in der neusten Ausgabe ihrer Publikation "Technical Investment Strategy" auf "Underweight" zurück. Die beiden Markttechnikexperten stufen den SMI somit absolut betrachtet zwar mit "Bullish" ein, trauen ihm relativ betrachtet im internationalen Vergleich aber nicht wirklich viel zu.

Die eine Abteilung macht einen grossen Bogen um Aktien aus der Schweiz, eine andere Abteilung schwört hingegen darauf – das aber nur absolut und nicht relativ betrachtet. Und das alles unter ein und demselben Dach. Da soll noch jemand schlau werden. Meine Meinung: Etwas mehr "Unité de doctrine" würde Julius Bär nicht schaden.

Während Aktien wie Logitech, Bachem oder Tecan in den vergangenen Tagen in den Genuss einer kräftigen Kurserholung kamen, wurden die hiesigen Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis lieblos links liegengelassen.

Die Kurserholung bei hiesigen Wachstumsaktien überrascht mich nicht wirklich. Bereits am Dienstag hielt ich in diesem Zusammenhang fest:

Die Frage darüber, ob die Musik auch künftig in den Wachstumsaktien oder doch eher in den Substanzaktien – sprich in den Zyklikern und Finanzwerten – spielt, nimmt immer emotionsgeladenere Züge an.

Noch ist nichts entschieden. Mir fällt allerdings auf, dass die Kurserholung bei Aktien wie Logitech, Bachem und Co. – so kräftig sie auch ist – nur von dünnen Handelsvolumina begleitet wird.

Selbst eine Wiederabdeckung von Logitech mit "Overweight" und einem Kursziel von 100 Dollar durch die mächtige amerikanische Investmentbank Morgan Stanley lockte am gestrigen Donnerstag kaum Käufer hinter dem Ofen hervor. Ganz im Gegenteil. Nach mehr als sechs Millionen Titel in den beiden vorangegangenen Handelstagen wechselten kein Viertel davon mehr die Hand. Und das obwohl Analyst Erik Woodring den Lausanner Peripheriegerätehersteller am Anfang eines neuen Wachstumszyklus stehen sieht.

Steigende Kurse bei stark rückläufigen Handelsvolumina sind für gewöhnlich keine guten Vorboten. Ich hoffe, ich irre mich. Wer an hiesigen Wachstumsaktien festhält – oder die jüngste Kursschwäche gar zum Zukauf nutzte – sollte deshalb nicht mehr länger nur die Zinsentwicklung, sondern auch die Handelsvolumina im Auge behalten.

Von Skepsis zeugt auch eine Offenlegungsmeldung zu Temenos. Wie der Meldung entnommen werden kann, hat sich die Capital Group zuletzt im grossen Stil von Aktien der Genfer Bankensoftwareschmiede getrennt. Zuletzt hielten die Amerikaner noch 4,99 (zuvor 8,35) Prozent der Stimmen. Wenn ein langjähriger Grossaktionär – in der Spitze hielt er sogar mehr als 10 Prozent – bei einem Unternehmen den Rückzug antritt, dann bestimmt nicht ohne Grund. Erst kürzlich reduzierte mit T. Rowe Price ein anderer hochkarätiger Grossaktionär sein Aktienpaket.

Kursentwicklung der Temenos-Aktien über die letzten fünf Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Wenigstens bei Kepler Cheuvreux hält man noch zu Temenos. Analyst Laurent Daure bestätigt am heutigen Freitag seine Kaufempfehlung, wenn auch er beim Kursziel auf 141 (zuvor 150) Franken zurückkrebst. Seines Erachtens sind die Wachstumsaussichten intakt. Dasselbe gilt für das Margenverbesserungspotenzial. Wer denn nun richtig liegt – der Analyst oder die beiden einstigen Grossaktionäre – wird sich zeigen.

Gerade in New York bietet sich mir weiterhin ein Bild der Extreme. So ist dort das viel beachtete Put-Call-Verhältnis auf den tiefsten Stand seit Beginn der Erhebungen gefallen. Die Stimmung unter den Marktakteuren grenzt schon beinahe an Arroganz. Ähnliches lässt sich von den zuletzt wieder stark angeschwollenen Derivatwetten auf steigende Aktienkurse behaupten. Wenn das mal gut kommt...

Mehr zu diesem Thema nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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