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Mir wurden in den letzten Wochen zahlreiche Strategiestudien zum Thema Korrektur an den Aktienmärkten zugehalten. In restlos allen Studien rieten die Verfasser ihren Anlagekunden dazu, Nerven zu bewahren und an schwächeren Tagen Zukäufe zu tätigen. Teils mit ziemlich fadenscheinigen Argumenten, suchte ich in den Ausführungen doch vergebens nach Substanz.

Obschon ich eigentlich nicht viel für Strategiestudien aus dem französischen Raum übrig habe, scheint mir ein Strategiepapier aus dem Hause BNP Paribas erwähnenswert. Denn darin schauen die verantwortlichen Strategen nicht zurück, sondern nach vorne. In der Studie werden Themen aufgegriffen, welche die Aktienmärkte in den kommenden Wochen und Monaten grundlegend bewegen werden.

Anders als ihre übrigen Berufskollegen raten die Verfasser des Strategiepapiers entschieden davon ab, in Rückschläge hinein Zukäufe zu tätigen. Mit mehr als technisch bedingten Gegenbewegungen sei bis auf weiteres nicht zu rechnen. Dies gelte insbesondere für die verletzlichen europäischen Aktienmärkte.

Den Strategen zufolge sind die Gewinnschätzungen für die im viel beachteten Stoxx 600 Index berücksichtigten europäischen Unternehmen seit nunmehr zwei Jahren kontinuierlich rückläufig. Daran habe auch die Berichterstattung für das zweite Quartal nichts geändert. Die Abwärtsrevisionen hätten sich vor allem auf die diesjährigen und nur am Rande auf die nächstjährigen Annahmen konzentriert. Deshalb müssten die Unternehmensgewinne im kommenden Jahr um nicht weniger als 14 Prozent steigen, um den Konsensschätzungen gerecht zu werden. Die Experten halten ein solches Wachstum allerdings nur mit Hilfe einer günstigen Währungsentwicklung sowie einer substanziellen Aufhellung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für realistisch. Ohne schnelle Verbesserungen drohe eine weitere Welle von Abwärtsrevisionen.

Auch was die Bewertung anbetrifft, zeigt man sich bei BNP Paribas alles andere als zuversichtlich für die europäischen Aktienmärkte. Die Bewertung liege am oberen Ende der Bandbreite der vergangenen zehn Jahre und das, obschon die nächstjährigen Konsensschätzungen vermutlich noch immer zu hoch angesetzt seien.

Die Studienverfasser warnen allerdings noch vor ganz anderen die Märkte bewegenden Themen. Vom 21. Bis 23. August finde das diesjährige Symposium in Jackson Hole statt. Diesmal zum Thema Entwicklungen am amerikanischen Arbeitsmarkt, was in Anbetracht der Relevanz für die dortige Zins- und Geldpolitik Zündstoff für die Märkte enthalten könnte.

Das Rückkaufprogramm für amerikanische Staatsanleihen laufe vermutlich schon im Oktober aus. Ab dann werde jedes monatliche Treffen des Offenmarktausschusses der US-Notenbank akribisch auf Anhaltspunkte für eine erste Erhöhung der Leitzinsen durchleuchtet. Gerade am kurzen Ende der amerikanischen Zinskurve machen die Experten Raum für einen signifikanten Anstieg aus. Was dann an den Anleihenmärkten passieren könne, zeige der kurze aber heftige Zinsanstieg vom Sommer letzten Jahres. Und auch an den Aktienmärkten werde ein zinspolitischer Kurswechsel der US-Notenbank nur allzuoft von einem vorübergehenden Rückschlag begleitet.

Von zentraler Bedeutung für die Märkte ist den Strategen von BNP Paribas zufolge auch die qualitative Bilanzprüfung und der Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) für europäische Banken. Den in den letzten drei Jahren erzielten Fortschritten zum Trotz sei nicht auszuschliessen, dass die Regulatoren das eine oder andere Institut zu einer Stärkung der Eigenkapitalbasis drängen werden.

Allerdings lege die EZB erst mit der Veröffentlichung der Ergebnisse des Stresstests die notwendige Basis für eine Belebung des Kreditwachstums in Europa. Dieses Ereignis sei deshalb sogar wichtiger als günstige Refinanzierungsmöglichkeiten unter dem im Juni ins Leben gerufenen zweiten Basistender (TLTRO).

Die Währungshüter hätten damals einiges an Vorschusslorbeeren für diese geldpolitische Massnahme erhalten, so die Experten. Nun müsse sich zeigen, dass der zweite Basistender im September und im Dezember dieses Jahres auch im grossen Stil genutzt werde. Schliesslich komme die erste dieser Refinanzierungsmöglichkeiten kommenden Februar zur Rückzahlung.

Gar eine Gefahr für die europäischen Aktienmärkte gehe von der Unternehmensberichterstattung für das dritte Quartal aus. Im vergangenen Quartal seien die Erwartungen in den USA bei mehr als zwei Drittel aller Firmen übertroffen worden. Das nicht zuletzt aufgrund einer vorteilhaften Vergleichsbasis aus dem Vorjahr. Die Erwartungen an die Gewinnentwicklung in der zweiten Jahreshälfte seien allerdings ambitiös hoch und der höheren Vergleichsbasis vom vergangenen Jahr wegen deutlich schwieriger zu erfüllen.

In Europa hoffen die Strategen hingegen auf währungsseitigen Rückenwind, hätten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten Monaten doch eingetrübt. Während ein schwächerer Euro den Unternehmen nur auf kurze Sicht helfe, sei das Risiko gross, dass die nächstjährigen Erwartungen verfehlt werden. Von dieser Seite her sei für die Märkte keine Stütze zu erwarten, so die Experten weiter. Startschuss der Berichterstattung für das dritte Quartal sei die am 8. Oktober anstehende Ergebnispräsentation von Alcoa.

Die europäischen Aktienmärkte haben sich in den letzten Tagen sichtlich gefangen und sich von ihrem Rückschlag von Anfang August erholt. Dennoch scheint mir die Korrektur der letzten Wochen noch nicht ausgestanden. Die Aktienindizes müssen schon über ihre bisherigen Höchststände von Mitte Juni klettern, um wieder in den "courant normal" übergehen zu können. Mit dem Nasdaq Composite Index ist das gestern einem ersten Börsenbarometer gelungen. Lassen wir uns mal überraschen, ob weitere Aktienindizes diesem Beispiel folgen.