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Die Aktionärinnen und Aktionäre von Zur Rose dürfte am gestrigen Mittwochnachmittag ein Déjà-Vu-Gefühl beschlichen haben: Innerhalb nur weniger Minuten büssten die Valoren der Versandapotheke mal eben schnell 20 Kursfranken ein – begleitet von stark anschwellenden Umsätzen. Bei Börsenschluss resultierte dann ein satter Tagesverlust von etwas mehr als neun Prozent.

Warnung an die Schnäppchen-Jäger: Einige Wachstumsaktien werden ihre Höchstkurse wohl nicht wieder sehen

Auf der Suche nach möglichen Gründen stiess ich auf einen Bericht des deutschen Fachblatts digital pioneers. Diesem Bericht zufolge liess die für die Einführung elektronischer Medikamentenrezepte verantwortliche Staatssekretärin Sabine Dittmar einen Petitionsausschuss des Bundestages wissen, dass die Testphase weiterlaufe, die vereinbarten Qualitätskriterien jedoch noch immer nicht erreicht worden seien. Die Rede ist sowohl von organisatorischen als auch von technischen Hürden, die erst noch genommen werden müssen.

Die harsche Reaktion der Börse überrascht, birgt der Bericht doch keine neuen Erkenntnisse. Eine Meinung, die auch Jefferies-Analyst Alexander Thiel teilt. Seines Erachtens verkauft das Fachblatt digital pioneers der Leserschaft "alten Wein in neuen Schläuchen". Die Nachrichtenagentur Bloomberg, die den Bericht im Laufe des Mittwochnachmittags aufgegriffen habe, habe sich in der Nacht deshalb sogar zu einer Klarstellung veranlasst gesehen, wie Thiel weiter schreibt. Er hält jedenfalls unbeirrt an seiner Kaufempfehlung sowie am Kursziel von 515 Franken fest.

Die Aktien von Zur Rose konnten sich nach dem jüngsten Kursfiasko noch nicht wieder aufrappeln (Quelle: www.cash.ch)

Der Jefferies-Analyst ist momentan ziemlich gefordert. Erst vor wenigen Tagen meldete er sich zu Wort, nachdem sich die deutsche Parfümkette Douglas die Versandapotheke Disapo einverleibt hatte.

Ich schrieb am Freitag:

...und...

Momentan sitzen die Leerverkäufer beim einstigen Börsenüberflieger Zur Rose ziemlich fest im Sattel. Übermütig sollten sie dennoch nicht werden, lautet die Frage doch nicht ob, sondern vielmehr wann elektronische Medikamentenrezepte in Deutschland endlich zum Alltag zählen.

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Als Stratege Sebastian Rädler von der Bank of America im vergangenen August vor einem schmerzhaften Rücksetzer bei europäischen Aktien warnte, dürfte er in nicht eben wenigen Grossraumbüros anderer Banken wohl eher mitleidsvoll belächelt worden sein. Gehörig die Finger verbrannt hatte sich in den Jahren zuvor nämlich, wer vor ähnlichen Rücksetzern warnte.

Als der Stoxx Europe 600 Index in den darauffolgenden vier Wochen von 473 auf 446 Punkte erodierte, schien Rädler seinem Jahresendziel von 420 Punkten näher denn je. Doch es sollte alles anders kommen: Schon wenige Wochen später schrieb das viel beachtete Börsenbarometer wieder neue Rekorde – und ging bei knapp 490 Punkten aus dem Jahr hervor.

Das neue Jahr dürfte ganz nach dem Geschmack des für die amerikanische Investmentbank tätigen Strategen angelaufen sein, selbst wenn er sich zuletzt eher kleinlaut gab und den Stoxx Europe 600 Index bis Ende dieses Jahres nur noch auf 430 Punkte zurückfallen sieht. Das entspräche aus heutiger Sicht noch einmal einem Rückgang um acht Prozent.

Kursentwicklung beim Stoxx Europe 600 Index über die letzten 12 Monate (Quelle: www.cash.ch)

In einem mir aus London zugespielten Strategiepapier warnen Rädler und seine Mitautoren einerseits vor steigenden Zinsen, andererseits aber auch vor einer wirtschaftlichen Wachstumsverlangsamung und damit verbunden sogar vor Rezessionsgefahren. Nichtsdestotrotz sehen die Autoren den Zinserhöhungszyklus der amerikanischen Notenbank erst 2024 enden.

Und selbst wenn die Strategen den Begriff Stagflation nicht verwenden, lassen sie keine Zweifel daran, dass uns eine Phase geprägt von Teuerung bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Kontraktion bevorsteht.

Sich wie die Strategen der Bank of America gegen die gängige Expertenmeinung zu stemmen, bedarf schon ziemlich viel Mut. Ob dieser Mut belohnt wird, werden die kommenden Monate zeigen. Zumindest etwas kann man Rädler und seinen Mitautoren jedenfalls nicht vorwerfen: Nämlich dass sie bloss dem Zweckoptimismus frönen würden...

 

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