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Was war das bloss wieder für eine Woche. Einmal mehr stand das Handelsgeschehen am Schweizer Aktienmarkt ganz im Zeichen der Unternehmensberichterstattung für das zurückliegende erste Quartal. Insgesamt meldeten sich in den vergangenen fünf Tagen nicht weniger als 16 Unternehmen zu Wort – darunter gleich mehrere Grosskonzerne wie etwa Kühne+Nagel, Novartis, ABB, UBS, Straumann, Clariant, Swisscom, Swiss Re oder Schindler.

Die Börse zeigte sich einmal mehr von ihrer launischen Seite. Das bekamen gestern Donnerstag insbesondere die Aktionärinnen und Aktionäre von Logitech zu spüren. Obwohl der Unterhaltungselektronikhersteller aus Lausanne selbst die kühnsten Analystenschätzungen regelrecht pulverisierte, reagierte die Börse ziemlich unterkühlt. Letztendlich gingen die Aktien fast um 4 Prozent tiefer aus dem Handel, was für mich angesichts des ziemlich beeindruckenden Zahlenkranzes völlig unverständlich ist.

Kursentwicklung der Aktien von Logitech (rot) und Straumann (grün) rund um die Zahlenveröffentlichung herum (Quelle: www.cash.ch)

Vielmehr wäre ein Kursfeuerwerk nach dem Vorbild von Straumann zu erwarten gewesen. Die Papiere des Dentalimplantateherstellers aus Basel legten nach nicht weniger überzeugenden Quartalsumsatzzahlen immerhin um gut 7 Prozent zu. Noch im Laufe des Vormittags schrieben sie bei knapp 1335 Franken gar neue Kursrekorde.

Ich kommentierte die unterkühlte Reaktion auf die Logitech-Zahlen wie folgt:

Clariant wiederum wurde ausgerechnet am Tag der Quartalsergebnisveröffentlichung von der Vergangenheit eingeholt. Der Spezialitätenchemiehersteller muss sich in den Vereinigten Staaten gleich in drei Fällen wegen Umweltschäden im Zusammenhang mit Polyfluoralkyl vor Gericht verantworten. Dass sich die Baselbieter schon 2013 von diesen Geschäftsaktivitäten trennten, scheint dabei kaum eine Rolle zu spielen. Und wer die Amerikaner kennt, der weiss, dass diese in solchen Fällen keine Gefangenen machen.

Apropos Amerikaner: Diese Woche meldete sich 40 North zurück – und zwar mit einer 7 Milliarden Dollar schweren Übernahmeofferte für den Rivalen WR Grace. Als oppositioneller Grossaktionär ging 40 North einst auf Konfrontationskurs mit dem Verwaltungsrat und forderte gar eine Zerschlagung von Clariant in Einzelteile. Das damals in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an die saudische Sabic weiterverkaufte Aktienpaket ist noch heute stummer Zeuge des einstigen Machtkampfs.

Mit der Übernahmeofferte für WR Grace gehen übrigens Spekulationen einher, wonach der Rivale mit Clariant verschmolzen werden könnte.

Den Swiss Market Index (SMI) kostete in den letzten Tagen aber vor allem das Schwergewicht Novartis den einen oder anderen Indexpunkt. Die auf günstige Nachahmermedikamente spezialisierte Tochter Sandoz verhagelte dem Mutterhaus aus Basel ein ansonsten ansprechendes Quartalsergebnis. Um mehr als 10 Prozent ging der Umsatz bei Sandoz im Jahresvergleich zurück, losgetreten durch einen schon beinahe ruinösen Preiskampf unter den führenden Anbietern.

Die Probleme bei Sandoz lassen im Aktionariat Forderungen lautwerden, wonach sich Novartis doch bitte des Sorgenkinds entledige. Mittlerweile ist so viel Geld im Markt, dass sich selbst für "Restposten" wie Sandoz ein zahlungskräftiger Käufer findet.

Vielleicht sollte Firmenchef "Vas" Narasimhan aber auch einfach die Novartis-Aktionäre selber entscheiden lassen und ihnen Aktien der Tochter als Sachdividende zuteilen. Was sich seinerzeit schon bei Alcon als erfolgreich erwies, kann für Sandoz so falsch nicht sein...

Die Aktien von Novartis waren dem SMI in den letzten Tagen keine Hilfe (Quelle: www.cash.ch)

Nicht nur aufgrund der schieren Zahlenflut - auch sonst hatten es die vergangenen fünf Tage faustdick hinter den Ohren. Mehr als jedes fünfte der 500 im amerikanischen S&P 500 Index wartete mit den Quartalszahlen auf. Bei dieser Gelegenheit kündigten gleich mehrere Unternehmen üppige Aktienrückkäufe an. Microsoft will für bis zu 40 Milliarden Dollar eigene Aktien zurückkaufen, Apple sogar für den gigantisch anmutenden Betrag von 90 Milliarden Dollar.

Darf man den Strategen von Merrill Lynch Glauben schenken, dann sind an der New Yorker Börse neben den Unternehmen mit ihren Aktienrückkaufprogrammen nur noch kleine Privatanleger Nettokäufer von Aktien. Alle übrigen Kundensegmente der amerikanischen Investmentbank – namentlich Pensionskassen, Versicherungen und Hedgefonds – treten seit gut zwei Wochen unter dem Strich als Abgeber in Erscheinung. Vordere Woche kam es bei Merrill Lynch über sämtliche Kundensegmente hinweg zu Aktienverkäufen in Höhe von mehr als 5 Milliarden Dollar, was dem fünfthöchsten solchen Wert seit der Finanzkrise der Jahre 2008/09 entspricht. Wie die Berufskollegen von Unicredit ergänzen, läuft mittlerweile fast 40 Prozent des gesamten Handelsvolumens über Discount-Broker. Das wiederum lässt tief blicken.

Man braucht kein alteingesessener Börsenfuchs zu sein, um zu erahnen, dass es nicht gerade für den amerikanischen Aktienmarkt spricht, wenn sich das sogenannte "Smart Money" still und leise durch die Hintertür verabschiedet...

Nicht nur wir Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten hatten diese Woche ganz schön was zu tun. Auch die Aktienanalysten waren nicht untätig. Im Zuge der Quartalsberichterstattung hagelte es nur so Kurszielanpassungen – die meisten unter positiven Vorzeichen.

Vor wenigen Tagen entdeckte der bekannte UBS-Bankenanalyst Daniele Brupbacher zudem die Aktien der Erzrivalin Credit Suisse wieder. Er stufte die Papiere mit einem 12-Monats-Kursziel von 10,80 (zuvor 10,20) Franken von "Neutral" auf "Buy" herauf. Anders als man es erwarten könnte, nimmt Brupbacher seine diesjährige Gewinnschätzungen für die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken um 27 Prozent nach oben.

Interessant ist, was die "Financial Times" berichtet. Angeblich sitzt Thomas Gottstein bei seiner Arbeitgeberin nicht mehr ganz so fest im Sattel. Einen dritten Skandal nach Greensill und Archegos werde der künftige Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório seinem Firmenchef nicht mehr durchgehen lassen, so berichtet das renommierte Wirtschaftsblatt und beruft sich dabei auf Quellen innerhalb der Bank.

Dass der Finanzausschuss des amerikanischen Senats diese Woche eine Untersuchung eingeleitet hat, ob die Credit Suisse gegen den milliardenschweren Vergleich im Steuerstreit mit dem dortigen Justizministerium von 2014 verstossen habe, ist da vermutlich nicht gerade sehr hilfreich.

Es ist fast ein bisschen, als ob die Grossbank momentan von einem finanziellen Fettnäpfchen ins nächste tritt. Bleibt mir für die nicht gerade erfolgsverwöhnten Aktionärinnen und Aktionäre zu hoffen, dass der Finanzausschuss bei seiner Untersuchung keine Leichen im Keller findet...

Nächste Woche melden sich nun vermehrt Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe zu Wort. Aus dem 30 Firmen starken Swiss Leaders Index (SLI) werden mit Adecco, AMS, Geberit und Alcon immerhin noch vier Vertreter mit Zahlen aufwarten. Das Interesse gilt dabei vor allem jenen des Sensorenherstellers AMS – besser gesagt den zukunftsgerichteten Aussagen und weniger dem Blick in den Rückspiegel. Vielleicht gibt es ja wertvolle Erkenntnisse rund um die Spekulationen über Umsatzverluste beim Grosskunden Apple.

Mehr dazu am kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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