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Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), dürfte sich den heutigen Tag dick in seiner Agenda angestrichen haben. Denn seit wenigen Stunden beschränken sich die Anleihenkäufe nicht mehr länger nur auf verbriefte Schuldforderungen sowie auf Staats- und Kommunalanleihen. Neu kann die EZB von den monatlich 80 Milliarden Euro auch etliche Milliarden in erstklassige Unternehmensanleihen fliessen lassen.

Damit öffnet sie ein weiteres wenig ruhmreiches Kapitel in der Geschichte rund um die "Politik des billigen Geldes". Die schon heute im Geld schwimmenden europäischen Grosskonzerne wird es freuen. Ihnen werden die Milliarden regelrecht nachgeworfen, ihre Zinskosten tendieren in Richtung null. Mit der atemberaubend hohen Gesamtsumme von 10 Billionen Dollar an Staatsanleihen mit einer negativen Rendite sind die 36 Milliarden Dollar an Unternehmensanleihen mit einer negativen Rendite zwar nur ein Nebenschauplatz. Dieser gewinnt jedoch an Bedeutung.

So geschieht, was unweigerlich geschehen muss: Die europäischen Grosskonzerne nehmen billiges Geld auf, nur um damit an der Börse eigene Aktien zurückzukaufen - ganz nach dem Vorbild der Gegenspieler aus Übersee. Noch nie war Bilanz-Engineering einfacher und günstiger als heute.

Es ist womöglich nur eine Frage der Zeit, bis die europäische Unternehmenswelt genauso bis über beide Ohren verschuldet ist wie die öffentliche Hand. Auch diesbezüglich machen die Amerikaner den Europäern einiges vor (siehe die Kolumne vom 1. Juni).

So lässt sich eine Ausweitung der Wertpapierkäufe auf Aktien aus Sicht der EZB elegant umgehen. Sie braucht bloss die heimischen Unternehmen mit billigem Geld zu versorgen. Letztere nehmen ihr diese in Expertenkreisen nicht unumstrittene Aufgabe noch so gerne ab.

Alleine schon die Möglichkeit solcher fremdfinanzierten Aktienrückkäufe liessen den Stoxx Europe 600 Index von seinen Jahrestiefstständen vom Februar aus um 15 Prozent nach oben schnellen. Allerdings trennen das breit gefasste Börsenbarometer noch immer 5 Prozent vom Stand von Ende Dezember.

Mit einem Minus von 2,3 Prozent erging es unserem Swiss Performance Index (SPI) nur unwesentlich besser. Doch auch wenn sich die alte Börsenweisheit "Sell in May and go away - but remember to come back in September" bis heute nicht bezahlt gemacht hat: Noch sind die für starke Kursausschläge berüchtigten Sommermonate nicht überstanden - und diese haben es bekanntlich in sich.

Denn meinen eigenen Berechnungen zufolge verlor der SPI in den letzten 10 Jahren jeweils zwischen Anfang Mai und Ende August durchschnittlich 1 Prozent. Erweitert man den Betrachtungszeitraum auf 15 Jahre, errechnet sich sogar ein Minus von 1,4 Prozent.

Den deutlichsten Rücksetzer erlitt das Börsenbarometer vor 14 Jahren, als er 2002 um 21,2 Prozent einbrach. Doch auch 2011 hatte der SPI einen rabenschwarzen Sommer zu beklagen, büsste er doch 16,3 Prozent ein. Zudem fällt auf, dass es alleine in den vergangenen fünf Jahren dreimal im Mai und zweimal im August zu grösseren Rückschlägen kam. So viel zur unbeschwerten Sommerzeit an der Börse.

Meine am 29. Dezember 2015 kommunizierten Schweizer Aktienfavoriten für das Börsenjahr 2016 blieben über die letzten Wochen hinter dem breiten Markt zurück. Als bremsend erwies sich auch die hohe taktische Barmittelquote von knapp 35 Prozent. Mit einem Minus von 6,29 Prozent schnitten die Aktienfavoriten daher deutlich schlechter ab als der um 2,96 Prozent tiefere SPI. Asche über mein Haupt.

Aktuelle Positionen (per 7. Juni 2016):

LafargeHolcim N (VN1221405)

-10,6 Prozent

Zurich N (VN 1107539)

-7,8 Prozent

Basilea N (VN 1143244)

-15,3 Prozent

OC Oerlikon N (VN 0081682)

-1,3 Prozent

Roche GS (VN 1203204)

+0,8 Prozent

Syngenta N (VN 1103746)

+0,5 Prozent

UBS Group N (VN 24476758)

+5,7 Prozent


Sehen lassen kann sich hingegen die Bilanz der am 12. Januar 2016 erkorenen Dogs of the SMI. Mit einem Plus von 3,92 Prozent liessen diese den um 3,23 Prozent höheren Gesamtmarkt hinter sich zurück.

Entwicklung in den letzten Jahren:

Jahr

Aktienfavoriten

SPI

2013

+40,1 Prozent

+23,9 Prozent

2014

+11,4 Prozent

+15,2 Prozent

2015

+4,1 Prozent

+2,4 Prozent

2016*

-6,3 Prozent

-3,0 Prozent

* vom 29.12.2015 bis 7.6.2016

Geld liess sich auch mit der am Freitag empfohlenen Derivatwette auf die Aktien von Swisscom verdienen. Der um die Mittagszeit zu 0,07 Franken gehandelte Call-Warrant SCMCJB liess sich am Montag kurz nach Handelsbeginn zu 0,13 Franken mit einem satten Gewinn wieder glattstellen. Und obschon der Put-Warrant SCMAIZ einen Kurseinbruch von 0,24 auf 0,07 Franken zu beklagen hatte, resultierte unter dem Strich immerhin noch ein Gewinn von 332 Franken vor Spesen.

Nach einem schwachen Quartalsergebnis gerieten die Aktien von LafargeHolcim in altes Fahrwasser. Die starke Stellung in den Schwellenländern, einst ein von der Börse frenetisch gefeiertes Juwel, verkommt immer mehr zum Bumerang für den führenden Zementhersteller. Zu allem Unglück hat sich die Abhängigkeit von den aufstrebenden Regionen mit dem Zusammenschluss zwischen Holcim und Lafarge noch verstärkt. Wichtig ist nun, dass die Firmenvertreter bei der Ausschöpfung von Synergien und bei den geplanten Devestitionen Wort halten. Nur so lässt sich den nicht gerade beliebten Aktien neues Leben einhauchen.

Getätigte Transaktionen:

Verkauf

Logitech N (VN 2575132)

-2,3 Prozent

Kauf

Roche GS (VN 1203204)

 

Kauf

Syngenta N (VN 1103746)

 

Verkauf

Nestlé N (VN 3886335)

-2,8 Prozent

Verkauf

Credit Suisse N (VN 1213853)

-38,3 Prozent

Kauf

UBS Group N (VN 24476758)

 

Verkauf

Put-Warrant WLHA0V

-59,4 Prozent

Kauf

Leonteq N (VN 19089118)

 

Verkauf

Leonteq N (VN 19089118)

-8,1 Prozent

Kauf

Call SCMAIZ (VN 2952588)

 

Kauf

Put SCMCJB (VN 30338753)

 

Verkauf

Call SCMAIZ (VN 2952588)

+85,7 Prozent

Verkauf

Put SCMCJB (VN 30338753)

-70,8 Prozent


Allen Unkenrufen zum Trotz übertraf die Zurich Insurance Group die Analystenerwartungen in den ersten drei Monaten ziemlich deutlich. Die von vielen Experten befürchteten Bilanzbereinigungen blieben aus. Zudem gelangen Mario Greco, dem neuen starken Mann beim traditionsreichen Versicherungskonzern, erste erkennbare Fortschritte. Bleibt zu hoffen, dass er im weiteren Jahresverlauf an diese anknüpfen kann. Hauptattraktion der noch immer arg vernachlässigten Aktien ist die attraktiv hohe Dividendenrendite von 7,3 Prozent - pourvu que ça dure.

Von den mir verbleibenden Schweizer Aktienfavoriten halte ich im aktuellen Börsenumfeld neben den Aktien von OC Oerlikon vor allem die Genussscheine von Roche für kaufenswert. Die Papiere von Syngenta bleiben eine vielversprechende Wette auf ein Zustandekommen der Übernahme durch ChemChina. Mit der Annäherung des deutschen Chemiekonzerns Bayer an den amerikanischen Rivalen Monsanto nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Hochzeit zwischen den Baslern und den Chinesen zustandekommt.
 

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