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Eigentlich hatte ich meiner Frau schon vor unserem Abflug vom Flughafen Bern-Belpmoos aus in Richtung Palma de Mallorca versprochen, die Börse für drei Wochen die Börse bleiben zu lassen. Ganz sein lassen konnte ich es dann aber doch nicht – standen zu Hause doch wichtige Halbjahresergebnisse an. Und diese zogen nicht nur bei den Aktien der UBS grössere Kursausschläge nach sich. So konnte ich es mir hie und da nicht verkneifen, den einen oder anderen Blick auf mein Smartphone zu werfen.

Mit der Swisscom legte heute Donnerstag bereits das viertletzte Unternehmen aus dem Swiss Market Index (SMI) den Zahlenkranz vor. Die drei "Nachzügler" Alcon, Zurich Insurance und Geberit werden sich in den nächsten Wochen dann noch zu Wort melden.

Dass der Schweizer Aktienmarkt im Juli trotz der einen oder anderen Ergebnisenttäuschung Boden gutmachen konnte, war nicht zuletzt den beiden Schwergewichten Roche und Nestlé zu verdanken – wobei die Genussscheine des Pharma- und Diagnostikkonzerns aus Basel die Kursgewinne in den vergangenen Tagen wieder abgeben mussten. Die Hoffnungen auf einen kommerziellen Erfolg mit dem Alzheimerwirkstoff Gantenerumab scheinen zu schwinden...

Bilanz der letzten Jahre

JahrAktienfavoritenSPI
2013+40,1 Prozent+23,9 Prozent
2014+11,4 Prozent+15,2 Prozent
2015+  4,1 Prozent+  2,4 Prozent
2016-   3,7 Prozent-   1,7 Prozent
2017+23,6 Prozent+20,1 Prozent
2018- 19,1 Prozent-   8,8 Prozent
2019+25,4 Prozent+30,6 Prozent
2020+  9,8 Prozent+  3,1 Prozent
2021+10,0 Prozent+23,4 Prozent
2022*- 15,1 Prozent- 12,7 Prozent

* Kurse vom 29. Juli 2022

Während der breit gefasste Swiss Performance Index (SPI) im Juli um 4,4 Prozent vorrücken konnte, machten meine Schweizer Aktienfavoriten für 2022 zwar ebenfalls Boden gut. Dabei verringerte sich das Minus gegenüber Ende Dezember in den besagten vier Wochen allerdings bloss auf 15,09 Prozent. Dem steht ein um 12,71 Prozent tieferer SPI gegenüber.

Diese Differenz lässt sich zwar erklären, jedoch nicht schönreden. Dennoch war es rückblickend richtig, bei Zur Rose, Credit Suisse und Logitech im Zuge des Rebalancing von Ende Juni nicht wieder auf die ursprüngliche Gewichtung zu gehen und bei den drei "Sorgenkindern" zusätzliche Aktien zuzukaufen. Ansonsten wäre die Zwischenbilanz einen Monat später wohl um einiges schlechter ausgefallen. Fakt ist, dass die besagten drei Titelpositionen das gesamte Minus meiner Aktienfavoriten zu verantworten haben.

Alleine die Aktien von Zur Rose kosteten seit Jahresbeginn mehr als 5 Prozentpunkte. Ich muss einräumen, dass ich die Folgen der Verzögerungen bei der Einführung elektronischer Medikamentenrezepte unterschätzt habe. Wer hätte Ende Dezember aber auch gedacht, dass aus der schleppenden Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems ein weiterer Kapitalbedarf für die Versandapotheke erwachsen könnte.

Ganz zur Freude der Leerverkäufer. Den neusten Erhebungen der Beratungsfirma IHS Markit zufolge spekulieren die Leerverkäufer noch immer mit fast 29 Prozent aller ausstehenden Aktien auf rückläufige Kurse – nur gerade vier Wochen zuvor waren die Wetten gegen Zur Rose noch üppiger. Die Rechnung ist schnell gemacht: Je tiefer die Kurse, desto höher die Anzahl neuer Titel im Falle einer Kapitalerhöhung. Und je höher die Anzahl neuer Titel, desto grösser die Verwässerung für die bisherigen Anteilseigner. Kommt hinzu, dass sich die zuvor leerverkauften Aktien im Zuge einer solchen Kapitalerhöhung elegant wieder beschaffen lassen.

Und selbst wenn ich UBS-Analyst Sebastian Vogel ein Kränzchen für seine Verkaufsempfehlung von Ende Februar letzten Jahres binden muss – so ist die einschneidende Reduktion seines 12-Monats-Kursziels von gestern Mittwoch vor diesem Hintergrund schon fast ein bisschen verantwortungslos. Er goss damit nämlich noch einmal kräftig Öl ins Spekulationsfeuer.

Wäre ich Firmenchef bei Zur Rose, würde ich entweder einen Zusammenschluss mit der Rivalin Shop Apotheke anstreben oder aber die starke Schulter eines Interessenten wie den Onlineriesen Amazon zum Anlehnen suchen.

Aktuelle Positionen Aktienfavoriten

TitelAnzahlEinstandakt. Wert*ErfolgG/V
Barmittel        4'256,88  
Credit Suisse N  1'316     8,54      7'290,64-  3'950,41- 35,14 Prozent
Holcim N      327   46,57    14'528,61-      699,33-   4,59 Prozent
Logitech N      144   71,65      7'649,28-  2'668,60- 25,86 Prozent
Novartis N      114   80,50      9'314,94+     138,47+   1,51 Prozent
Zurich Insurance N        24402,80      9'957,60+     290,50+   3,01 Prozent
Cembra Money N        91  66,29      6'274,45+     241,99+   4,01 Prozent
Helvetia N        67107,82      7'276,20+       52,35+   0,72 Prozent
Oerlikon N  1'335     8,86      9'792,23-  2'034,58- 17,20 Prozent
Stadler Rail N      217  38,70      6'670,58-  1'727,08- 20,57 Prozent
Zur Rose N        47179,02      3'191,30-  5'222,49- 62,07 Prozent
      
Total      86'202,70 - 15,09 Prozent

* Schlusskurse vom 29. Juli 2022

Ein Trauerspiel bleibt die Geschäftsentwicklung der Credit Suisse. Selbst verglichen mit vor zwei Jahren ist die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken bloss noch ein Schatten ihrer selbst. Das gilt auch für die Geschäftserträge. Mit 3,65 Milliarden Franken lagen diese nicht nur unter den durchschnittlich von Analysten erwarteten 4,12 Milliarden Franken, sondern auch um fast 30 Prozent unter jenen desselben Quartals letzten Jahres. Es ist, als schaffe sich das Unternehmen mit dem Abbau von Risiken im Tagesgeschäft nach und nach selbst ab. Nicht so recht in dieses Bild wollen die um 10 Prozent höheren Kosten passen. Mit 4,75 Milliarden Franken überragten die Kosten die Erträge deutlich.

Es zeichnet sich immer mehr ab: Wer in guten Jahren wie im 2021 kein Geld verdient, der verdient in schwierigeren Zeiten erst recht keines. Den künftigen Firmenchef Ulrich Körner erwartet jedenfalls eine Herkulesaufgabe. Ein Ertragsproblem geht eben halt immer auch mit einem Kostenproblem einher. Und ob ein weiterer Tritt auf die Kostenbremse – im Falle der Credit Suisse bei weitem nicht der Erste – den erhofften Umschwung bringt, bezweifle ich. Ähnliches gilt übrigens für die erneute Überprüfung der Strategie.

Dass Goldman Sachs die Aktien ausgerechnet jetzt noch mit einem 12-Monats-Kursziel von 5,80 (zuvor 7) Franken von "Neutral" auf "Sell" abwatscht, ist schon ziemlich fragwürdig. Für Nachtreten gibt es zumindest im Fussball für gewöhnlich die gelb-rote Karte.

Ich bleibe dabei: Noch nie war die Wahrscheinlichkeit grösser, dass die Credit Suisse quasi für ein Butterbrot ins Ausland verscherbelt wird. Die Aktionärinnen und Aktionäre der Grossbank sind es leid und vermutlich fast zu jedem Preis verkaufswillig – getreu dem Motto: Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Bei Logitech kam es, wie es kommen musste. Das Vorzeigeunternehmen aus Lausanne erlitt im zurückliegenden Quartal einen Umsatzeinbruch um knapp 12 Prozent auf 1,16 Milliarden Dollar. Analysten waren durchschnittlich von einem Umsatz in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar ausgegangen. Immerhin bewegte sich der operative Gewinn (EBIT) mit 146 Millionen Dollar im Rahmen der Erwartungen.

Dennoch ist das Reinheft von Firmenchef Bracken Darrell seit der Veröffentlichung der Quartalszahlen um einen Tolggen reicher, musste er bei den diesjährigen Zielen doch erneut zurückbuchstabieren. Neuerdings geht man bei Logitech für das Geschäftsjahr 2022/23 von einem Umsatzrückgang zwischen 4 und 8 Prozent (zuvor Umsatzplus zwischen 2 und 4 Prozent) und einem operativen Jahresgewinn (EBIT) im Bereich von 650 bis 750 Millionen Dollar (zuvor 875 bis 925 Millionen Dollar) aus.

Dass die Aktien am Tag der Prognosekürzung mit einem leichten Kursplus aus dem Handel gingen, lässt sich einerseits mit der Aufstockung des Aktienrückkaufprogramms auf 1,5 Milliarden Dollar, andererseits aber auch damit erklären, dass andere Rivalen momentan mit einer regelrechten Erosion ihrer Umsätze und Gewinne zu kämpfen haben. Auch an der Börse gilt: Unter den Blinden ist der Einäugige König.

Anders als meine drei Sorgenkinder blicken der Zementkonzern Holcim und der Oberflächenbehandlungsspezialist Oerlikon auf eine ziemlich erfreuliche erste Jahreshälfte zurück. Das Tagesgeschäft dieser beiden Unternehmen brummt und die steigenden Herstellkosten können zeitnah über Preiserhöhungen weitergereicht werden. Von den starken Zahlenkränzen ähnlich gelagerter Rivalen wie Generali oder Axa lässt sich auch bei Zurich Insurance auf ein solides Ergebnis schliessen. Ausserdem wäre ich nicht überrascht, wenn die Aktionärinnen und Aktionäre in den Genuss eines einmaligen Zustupfs in Form einer Sonderdividende oder eines Aktienrückkaufprogramms kämen. Ohne den russischen Ankeraktionär Viktor Vekselberg würden gerade die Aktien von Oerlikon womöglich deutlich höher als heute notieren.

Wie mir von verschiedenster Seite berichtet wird, bringt der starke Juli an den Aktienmärkten viele Anleger in arge Erklärungsnot. Denn während Klein(st)anleger in die Kursschwäche vom Juni hinein mutig zukauften, hielten internationale Grossinvestoren an ihren hohen Liquiditätsbeständen fest. Mit anderen Worten: Die mächtigen Grossinvestoren haben die Börsenerholung der letzten Wochen völlig verschlafen.

Vergangene Woche flossen Aktienfonds nun erstmals seit sechs langen Wochen unter dem Strich wieder Gelder zu – und zwar in Höhe von 5,6 Milliarden Dollar, wie die Beratungsfirma Lipper berechnet hat. Mit jedem Punkt, mit dem die wichtigsten Aktienindizes jetzt noch steigen, erhöht sich der Druck auf die mächtigen Grossinvestoren, ihre hohen Liquiditätsbestände in Aktien zu reinvestieren. Vermutlich kommt sogar der Punkt, an dem es zu so etwas wie einem Dammbruch kommt. Lassen wir uns doch mal überraschen...

Transaktionen Aktienfavoriten 2022

DatumTitel AnzahlKurs Total
30.12.2021Oerlikon NKauf1'060    9,43Franken  9'995,80-
30.12.2021Zur Rose NKauf      22230,57Franken  5'072,54-
30.12.2021Cembra NKauf    113  66,14Franken  7'473,82-
30.12.2021Stadler Rail NKauf    188  39,94Franken  7'508,72-
30.12.2021Helvetia NKauf      70107,49Franken  7'524,30-
30.12.2021Logitech NKauf      97  77,32Franken  7'500,04-
30.12.2021Credit Suisse NKauf1'122  8,907Franken  9'993,65-
30.12.2021Zurich IG NKauf      25400,70Franken10'017,50-
30.12.2021Holcim NKauf    322  46,62Franken15'011,64-
30.12.2021Novartis NKauf    186  80,67Franken15'004,62-
07.03.2022Oerlikon NKauf    223    6,63Franken  1'478,49-
07.03.2022Zur Rose NKauf      29133,65Franken  3'875,85-
07.03.2022Stadler Rail NKauf      22  30,08Franken      661,76-
07.03.2022Helvetia NVerkauf        8  96,65Franken     773,20+
07.03.2022Logitech NKauf      34  65,52Franken  2'227,68-
07.03.2022Credit Suisse NKauf   190    6,46Franken  1'227,40-
07.03.2022Zurich IG NVerkauf        3380,80Franken  1'142,40+
07.03.2022Holcim NVerkauf      11  40,16Franken     441,76+
07.03.2022Novartis NVerkauf      86  75,92Franken  6'529,12+
08.03.2022Novartis NKauf        3  74,21Franken      222,63-
08.04.2022Zurich IG NKauf        1438,50Franken      438,50-
08.04.2022Oerlikon NKauf      42     6,78Franken      284,76-
24.04.2022Cembra NKauf        4   70,55Franken      282,20-
03.05.2022Helvetia NKauf        2118,50Franken      237,00-
09.05.2022Credit Suisse NKauf     16     6,50Franken      104,00-
09.05.2022Holcim NKauf     15   45,50Franken      682,50-
09.05.2022Stadler Rail NKauf       3   34,38Franken      103,14-
01.07.2022Logitech NKauf     16   49,17Franken      786,72-
01.07.2022Oerlikon NKauf     32     6,50Franken      209,60-
01.07.2022Zurich IG NKauf       1413,20Franken      413,20-
01.07.2022Credit Suisse NKauf       6     5,38Franken         32,28-
01.07.2022Novartis NKauf       1   80,14Franken         80,14-
01.07.2022Cembra NVerkauf     26   68,70Franken  1'786,20+
01.07.2022Stadler Rail NKauf       6   30,70Franken      184,20-

 

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