Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv. Schauen Sie sich doch auch das Tracker Zertifikat auf die Schweizer Aktienfavoriten des cash Insider an.

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Kürzlich berichtete ich im Insider-Briefing, dass Aktienfonds in der Woche zum 26. Januar unter dem Strich mehr als 17 Milliarden Dollar zugeflossen seien. Ich stützte mich dabei auf Erhebungen der Bank of America ab. Und dennoch ging die New Yorker Börse am breit gefassten S&P 500 Index gemessen um mehr als zwei Prozent tiefer aus den fünf Handelstagen hervor.

Seit Jahresbeginn summiert sich der Nettozufluss in Aktienfonds sogar auf mehr als 70 Milliarden Dollar – wobei sich beim S&P 500 Index für den Januar ein Minus von fast sechs Prozent errechnet. Auch das zeigen Erhebungen der amerikanischen Investmentbank. Milliarden von Dollar fliessen in Aktien und dennoch purzeln rund um den Globus die Kurse. Was ist das doch für eine verkehrte (Börsen-)Welt.

Der cash Insider nennt seine Aktienfavoriten: Wird 2022 das Jahr der zurückgebliebenen Aktien?

Auch darüber hinaus wissen die Strategen der Bank of America um Chefdenker Michael Hartnett durchaus Interessantes zu berichten. So griffen im Januar vor allem die Privatkunden der Investmentbank bei Aktien zu, während Institutionelle und Hedgefonds über weite Strecken als Verkäufer in Erscheinung traten. Diese beiden Beobachtungen waren auch schon in den Jahren zuvor zu machen. Über alle Kundensegmente hinweg war man unter dem Strich jedoch "Käufer in Schwächen". Das ist insofern spannend, als die Bank of America eine der wenigen Banken mit einer negativen Haltung für die Aktienmärkte ist.

An der New Yorker Börse ist das Zeitfenster für Aktienrückkäufe erst seit wenigen Wochen wieder offen. Seither hat es die Rückkauftätigkeit allerdings faustdick hinter den Ohren. Denn wie Hartnett und seine Abteilungskollegen schreiben, haben dortige Unternehmen in diesem Jahr für mehr als das Doppelte der Summe vom Januar vergangenen Jahres eigene Aktien erworben.

Doch auch das beantwortet die Frage nicht, wer denn nun eigentlich für die Kursverluste der letzten Wochen verantwortlich war...

Ob sich die kräftige Gegenbewegung der vergangenen Tage fortsetzt und die Aktienmärkte weiteren Boden gutmachen, darüber entscheidet nicht zuletzt die Zinsentwicklung. Nach Jahren des "buying the dip" ist neuerdings "selling the rally" das Motto der Stunde, wie ich erst kürzlich im Insider-Briefing festhielt. Noch scheint mir das letzte Wort nicht gesprochen.

Bilanz der letzten Jahre

JahrAktienfavoritenSPI
2013+40,1 Prozent+23,9 Prozent
2014+11,4 Prozent+15,2 Prozent
2015+  4,1 Prozent+  2,4 Prozent
2016-   3,7 Prozent-   1,7 Prozent
2017+23,6 Prozent+20,1 Prozent
2018- 19,1 Prozent-   8,8 Prozent
2019+25,4 Prozent+30,6 Prozent
2020+  9,8 Prozent+  3,1 Prozent
2021+10,0 Prozent+23,4 Prozent
2022*+  2,0 Prozent-   5,7 Prozent

* Kurse vom 31. Januar 2022

Apropos Zinsen: Kürzlich wandte sich der ehemalige SNB-Präsident Philipp Hildebrand in einem Gastbeitrag für die renommierte Financial Times an die Öffentlichkeit. Er warnte darin eindringlich vor überhasteten geldpolitischen Bremsmanövern. Wer die Teuerung mit Zinserhöhungen bekämpfe, verwende veraltete Handbücher, so der heute für den weltgrössten Vermögensverwalter Blackrock tätige Hildebrand.

Seines Erachtens unterscheidet sich der zu beobachtende Teuerungsschub grundlegend von früheren Schüben. Er ortet die Gründe für letzteren nämlich auf der Angebots- und nicht auf der Nachfrageseite. Die Nachfrage habe sich nach der pandemiebedingten Krise deutlich schneller erholt als das Angebot, was sich wiederum in steigenden Preisen entladen habe. Ausserdem sei es vorübergehend zu Nachfrageverschiebungen innerhalb des Wirtschaftskreislaufs gekommen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Geht es nach Hildebrand, ist nur ein Teil der Wirtschaft schuld am Teuerungsschub. Versuchen die Notenbanken nun mit Zinserhöhungen Gegensteuer zu geben, würgen sie gleich die ganze Wirtschaft ab.

Ich will die Aussagen Hildebrands zu den Nachfrageverschiebungen als direkte Folge der pandemischen Krise nicht in Abrede stellen. Dass der Teuerungsschub nicht zuletzt auch von den stark gestiegenen Rohstoffpreisen ausgeht, verschweigt er allerdings grosszügig. Rückblickend begann die Teuerungsentwicklung nämlich spätestens ab dann ungemütlich zu werden, als die Aktien- und Immobilienhausse auch auf die Rohstoffmärkte übergriff. Es waren Zentralbanken selber, die mit ihrer jahrelangen Politik des billigen Geldes die Geister riefen...

Ich schrieb kürzlich:

...und...

Kommen wir nun aber zu einem erfreulicheren Thema: Meine Schweizer Aktienfavoriten für 2022 konnten dem schwachen Gesamtmarkt trotzen und gehen mit einem Plus von ziemlich genau 2 Prozent aus dem Januar hervor. Dieser Entwicklung steht ein um 5,7 Prozent tieferer Swiss Performance Index (SPI) gegenüber. Nach dem ziemlich enttäuschenden Abschneiden im 2021 haben meine Aktienfavoriten jedoch auch noch ganz schön etwas gutzumachen.

Aktuelle Positionen Aktienfavoriten

TitelAnzahlEinstandakt. Wert*ErfolgG/V
Barmittel        4'897,37  
Credit Suisse N  1'122     8,91      9'828,72-      164,93-   1,65 Prozent
Holcim N      322   46,62    16'019,50+ 1'007,86+  6,71 Prozent
Logitech N        97   77,32      7'445,72-        54,32-   0,72 Prozent
Novartis N     186   80,67    14'904,18-     100,44-   0,67 Prozent
Zurich Insurance N        25400,70    11'017,50+ 1'000,00+  9,98 Prozent
Cembra Money N      113  66,14      7'158,55-     315,27-   4,22 Prozent
Helvetia N        70107,49      8'106,00+    581,70+  7,73 Prozent
Oerlikon N  1'060     9,43      9'444,60-     551,20-   5,51 Prozent
Stadler Rail N      188  39,94      8'260,72+    752,00+10,02 Prozent
Zur Rose N        22230,57      4'961,00-     111,54-   2,20 Prozent
      
Total   102'044,15 +  2,04 Prozent

* Schlusskurse vom 31. Januar 2022

Nachstehend möchte ich nun kurz auf einige der Titelpositionen eingehen:

Novartis (Gewichtung: 15 Prozent)

In der ersten Januar-Hälfte schien die Börsenschwäche den Aktien von Novartis nichts anhaben zu können. Doch dann bekam auch dieses SMI-Schwergewicht die Erdanziehungskraft zu spüren. Schon seit Wochen kauft der Pharmakonzern aus Basel Tag für Tag eine halbe Million eigener Aktien über die eigens hierfür geschaffene zweite Handelslinie zurück. Weshalb man bei Kursen um 80 Franken nicht noch eine Schippe drauflegt, ist mir schleierhaft – zumal sich jetzt auch noch ein rascher Verkauf des Sorgenkinds Sandoz abzeichnet. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg gestern Dienstag berichtete, könnte ein Bieterkonsortium bestehend aus den beiden Finanzinvestoren Blackstone und Carlyle für 25 Milliarden Dollar den Zuschlag erhalten. Damit läge der Verkaufserlös weit über den in Expertenkreisen ursprünglich genannten 21,5 Milliarden Dollar. Mal schauen, ob die Aktien von Novartis dann endlich ihr Mauerblümchen-Dasein ablegen können. Den heute Mittwoch veröffentlichten Zahlenkranz für das vierte Quartal kommentiere ich dann am kommenden Freitag noch etwas detaillierter.

Holcim (Gewichtung: 15 Prozent)

Für Beobachter überraschend, führten die Aktien von Holcim bis Mitte Januar die SMI-Gewinnerliste an. Nach der milliardenschweren Übernahme der amerikanischen Malarkey legte Firmenchef Jan Jenisch mit einer kleinen, aber feinen Ergänzungsakquisition im westlichen Nachbarland Frankreich nach. Beide Transaktionen wurden von der Börse gebührend gewürdigt. Die Angst vor negativen Folgen der stark gestiegenen Energiepreise auf das Tagesgeschäft liess die Kursnotierungen seither wieder etwas zurückfallen. Das erfreuliche Jahresergebnis von HeidelbergCement sollte nun mit diesen Ängsten aufräumen, war es der deutschen Erzrivalin im Schlussquartal doch möglich, die gestiegenen Herstellkosten über Preiserhöhungen erfolgreich an die Abnehmer weiterzureichen. Bis sich auch Holcim zu Wort meldet, dauert es noch. So wird der Weltmarktführer erst am 25. Februar mit dem Zahlenkranz vor die Weltöffentlichkeit treten.

Zurich Insurance (Gewichtung 10 Prozent)

Steigende Zinsen liessen den Aktienkurs der Zurich Insurance Group auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten steigen. Bei den Unternehmen aus dem SMI bringt es der Versicherungskonzern seit Jahresbeginn immerhin auf den drittbesten Rang. Dass sich das Unternehmen in Italien von einem geschlossenen Lebensversicherungsportfolio trennte, kam an der Börse gut an. Angeblich befindet sich die Zurich Insurance Group auch in Deutschland in Verhandlungen über einen ähnlichen Befreiungsschlag, der die Kapitalbindung quasi über Nacht um mehrere Milliarden Dollar verringern würde. Ich bin jetzt schon neugierig, welche Neuigkeiten Firmenchef Mario Greco seinen Aktionärinnen und Aktionären anlässlich der Jahresergebnisveröffentlichung auf Lager hat. Ich wäre nicht überrascht, würde er ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm bekanntgeben.

Credit Suisse (Gewichtung: 10 Prozent)

Das neue Jahr begann für die Aktionärinnen und Aktionäre der Credit Suisse (CS), wie das alte endete: Mit neuen Hiobsbotschaften. Erst stolperte der Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório über angebliche Verstösse gegen Quarantänevorschriften und private Flüge im Firmenjet – und musste nach gerade mal neun Monaten an der Spitze des Verwaltungsrats bereits wieder den Hut nehmen. Dann räumte die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken ein, dass sie aufgrund einmaliger Kosten auch das Schlussquartal mit einem dicken Verlust abschliessen werde. Alleine 1,5 Milliarden Franken setzt sie im Zuge ausserordentlicher Goodwill-Abschreibungen auf der mehr als zwei Jahrzehnte zurückliegenden Übernahme der amerikanischen Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ) in den Sand.

Im Wissen, dass die CS an der Börse nur noch mit 40 Rappen für jeden Franken ihres Eigenkapitals gehandelt wird, hielt ich kürzlich folgendes fest:

Meines Erachtens ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Finanzinvestor einnistet, die Grossbank "filetiert" und in "leichtverdaulichen Happen" an den Meistbietenden verkauft, nicht eben klein.

Logitech (Gewichtung: 7,5 Prozent)

Dank der ziemlich überzeugenden Geschäftsentwicklung im Weihnachtsquartal war es Logitech möglich, den Leerverkäufern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es ist schon ganz schön beeindruckend, mit was für Zahlen Firmenchef Bracken Darrell da kürzlich aufwarten konnte. Gleichzeitig wurden die Vorgaben für das Gesamtjahr angehoben. Berechnungen der UBS zufolge könnten sich selbst diese überarbeiteten Jahresvorgaben als zu konservativ herausstellen, lässt sich davon für das Schlussquartal doch einen Umsatzrückgang um bis zu 28 Prozent und beim operativen Gewinn sogar einen Einbruch um bis zu 60 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode ableiten. Mir ist bewusst, dass das vierte Quartal für Logitech saisonal betrachtet jeweils das schwächste des ganzen Jahres ist. Ausserdem wäre da noch die pandemiebedingt hohe Vergleichsbasis der Jahre 2020 und 2021. Dennoch sehe ich auch im Schlussquartal wieder Raum für positive Überraschungen.

Stadler Rail (Gewichtung: 7,5 Prozent)

Da zog Stadler Rail kürzlich einen ganz dicken Fisch an Land. Der Zugbauer erhält von einem deutsch-österreichischen Konsortium für 1,7 Milliarden Euro den Zuschlag für den Bau von 246 Tram-Trains. Üben die Auftraggeber ihre Option aus, kann das im thurgauischen Bussnang beheimatete Unternehmen sogar bis zu 504 Schienenfahrzeuge im Gesamtwert von rund 4 Milliarden Euro liefern. Das entspräche dem grössten Auftrag in der Firmengeschichte. Da der Auftrag eine Wartungsvereinbarung mit einer Laufzeit von 32 Jahren vorsieht, winken Stadler Rail auch im lukrativen Servicegeschäft Erträge. Selbst im Wissen, dass randvolle Umsatzbücher das eine sind, diese dann in Gewinne umzumünzen etwas ganz anderes, zeigt dieser Grossauftrag: Der Zugbauer vermag sich selbst gegen übermächtige ausländische Anbieter durchzusetzen. Ich frage mich, was es denn noch alles braucht, damit Stadler Rail an der Börse endlich in den Genuss einer grundlegenden Neubeurteilung und –bewertung kommt.

Zur Rose (Gewichtung 5 Prozent)

Auf bewegte Wochen blicken die Aktionärinnen und Aktionäre von Zur Rose zurück. Kursbewegungen von 5 Prozent und mehr in bloss einer Börsensitzung sind keine Seltenheit. Nachdem die verpflichtende Einführung von elektronischen Medikamentenrezepten in Deutschland vertagt wurde, ist die Nervosität gross. Gestern Dienstag reichte ein weiterer Artikel der Fachzeitschrift Apotheke adhoc, um die Kursnotierungen der Versandapotheke innerhalb weniger Minuten um fast 10 Prozent absacken zu lassen. Zumindest rund um Berichte, wonach Cyberkriminelle Kundendaten entwendet hätten, lässt sich Entwarnung geben. Vor etwa einer Woche informierte die Versandapotheke ihre Onlinekundschaft am Mittwoch darüber, dass ein Datenklau nach umfassender Prüfung ausgeschlossen werden könne. Zur Erinnerung: Als im Netz angebliche Kundendaten des Online-Shops zurrose-shop.ch feilgeboten wurden, schloss Gian Marco Werro von der als einer von wenigen Analysten nicht aus, dass es sich bei der ganzen Thematik bloss um ein böses Gerücht einiger Leerverkäufer handeln könnte – mit dem Ziel, den Aktienkurs zu drücken.

Als ich Ende Dezember die Aktien von Zur Rose auf die Liste meiner Schweizer Aktienfavoriten für 2022 setzte, war mir bewusst, dass die kurz zuvor bekanntgewordenen Verzögerungen bei der Einführung elektronischer Medikamentenrezepte in Deutschland noch eine ganze Weile für Stimmungsschwankungen sorgen dürften. Aus weiser Vorahnung räumte ich den Papieren damals denn auch "nur" ein Gewicht von 5 Prozent ein.

Transaktionen Aktienfavoriten 2022

DatumTitel AnzahlKurs Total
30.12.2021Oerlikon NKauf1'060    9,43Franken  9'995,80-
30.12.2021Zur Rose NKauf      22230,57Franken  5'072,54-
30.12.2021Cembra NKauf    113  66,14Franken  7'473,82-
30.12.2021Stadler Rail NKauf    188  39,94Franken  7'508,72-
30.12.2021Helvetia NKauf      70107,49Franken  7'524,30-
30.12.2021Logitech NKauf      97  77,32Franken  7'500,04-
30.12.2021Credit Suisse NKauf1'122  8,907Franken  9'993,65-
30.12.2021Zurich IG NKauf      25400,70Franken10'017,50-
30.12.2021Holcim NKauf    322  46,62Franken15'011,64-
30.12.2021Novartis NKauf    186  80,67Franken15'004,62-

 

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