Die Wall Street begann das Jahr in heller Begeisterung über das Geld, dass sie mit den Börsengängen von einigen der bekanntesten Unternehmen der Welt verdienen würde. Eine Reihe von Startup-Einhörnern von Uber Technologies bis zu WeWork bereiteten sich auf ihre Börsendebüts vor. Und dann bereitet sich das profitabelste Unternehmen der Welt, Saudi Aramco, auf ein IPO vor. Heute sind diese Transaktionen zu einem Sinnbild dafür geworden, wie die Dinge schiefgehen können.

Ubers Aktien sind abgesackt und WeWork sagte den Schritt auf das Börsenparkett ab. Das bewog auch andere Tech-Giganten, ihre Notierungspläne zu überdenken. Zudem erzielten die meisten Konsortialbanken von Aramco fast keinen Gewinn, obwohl es der weltweit größte Börsengang war.

Laut dem Research-Unternehmen Coalition dürften die Provisionen der weltweit führenden Banken aus Aktienmarkttransaktionen in diesem Jahr um bis zu 15% sinken. Der Trend könnte sich 2020 verschlechtern. Mehr Unternehmen wie Airbnb umgehen den traditionellen IPO-Prozess und verfolgen ein Listing mit einer geringeren Beteiligung der Wall Street.

“Dieses Jahr war für Platzierungen am Aktienmarkt eine Herausforderung”, sagt James Roe, ein Partner der in London ansässigen Anwaltskanzlei Allen & Overy. “Es gibt weltweit Gegenwind über den Brexit hinaus - globale Handelskriege, Chinas Wirtschaftswachstum, die aktuelle Situation in Hongkong und die wirtschaftlichen Bedingungen in Europa. All dies hatte einen Einfluss auf die IPO-Aktivität.”

Weniger Erlöse

IPOs weltweit haben in diesem Jahr 229 Milliarden Dollar eingebracht, ein Rückgang von 1,4% gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2018, wie aus von Bloomberg zusammengestellten Daten hervorgeht. Die Mittelbeschaffung in den USA stieg um 7,7% auf 69,6 Milliarden Dollar, allerdings war die Performance schwach.

Der durchschnittliche Börsenneuling in den USA ist seit dem ersten Handelstag nur um 11% gestiegen. Damit erscheinen Börsenkandidaten in einem Jahr, in dem der Referenzindex S&P 500 um 29% zugelegt hat, weniger attraktiv. Die Börsengänge von Tech-Unternehmen in den USA entwickelten sich sogar noch schlechter. Im Durchschnitt liegt der Kurs derzeit 3% unter dem Börseneinführungspreis, wie die Daten zeigen.

Der US-chinesische Handelskrieg und die politischen Probleme in Washington lasteten auf dem allgemeinen Marktumfeld, führten zu einer erhöhten Volatilität und machten es “sehr schwierig”, Geschäfte richtig zu preisen, sagt Maegen Morrison, ein Partner der Anwaltskanzlei Hogan Lovells. “Anfang dieses Jahres hofften alle auf eine gesunde globale IPO-Pipeline”, so Morrison. “Börsengänge sind jedoch in der Regel von Marktvolatilität, Vertrauen und gesamtwirtschaftlichen Bedingungen betroffen.”

Gewonnene Erkenntnisse

Aramco war eine der größten Enttäuschungen für Banker. Einige hatten jahrelang den Energieriesen vom Golf umworben, um eine Rolle bei dem Deal zu bekommen. Sie versprachen dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman einen Wert von 2 Billionen Dollar für das Unternehmen.

Dann gelang es ihnen bei dieser Bewertung nicht, ausländische Investoren zu interessieren. Die westlichen Banken gerieten ins Abseits, als der Deal zu einem Heimspiel wurde. Der Löwenanteil der Provisionen fiel den lokalen Konsortialbanken zu, die die Kontrolle über den Prozess übernahmen. Bloomberg News zufolge sollen die wichtigsten ausländischen Underwriter nur 3,5 Millionen Dollar verdient haben.

Und dann ist da noch das ins Ungnade gefallene Unternehmen WeWork, das Co-Working-Büroflächen anbietet und von dem schillernden Unternehmer Adam Neumann gegründet wurde. WeWork, einst einer der am sehnlichsten erwarteten Börsengänge des Jahres, sagte sein Debüt ab und akzeptierte ein Rettungspaket zu einem Bruchteil seiner vorherigen Bewertung.

Jamie Dimon, der CEO von JPMorgan Chase, sagte im November, dass Unternehmen mit IPO-Bestrebungen den Fall WeWork studieren sollten, und gestand ein, dass er selbst ein paar Lektionen gelernt habe. Palantir Technologies Inc., das vom Milliardär Peter Thiel unterstützte Daten-Analyse-Unternehmen, hat beschlossen, weiterhin Mittel an den privaten Märkten zu beschaffen, statt kurzfristig an die Börse zu gehen, wie im September aus unterrichteten Kreisen verlautete.

Anstieg von Beyond Meat

Airbnb und das unrentable Lebensmittelunternehmen DoorDash erwägen beide im nächsten Jahr direkte Notierungen, was ihnen ermöglichen würde, an öffentlichen Märkten gehandelt zu werden, ohne Mittel zu beschaffen. Banker prognostizieren mindestens fünf solcher Transaktionen im Jahr 2020.

Es war nicht alles schlecht: Die Jeansmarke Levi Strauss und das Cyber-Sicherheitsunternehmen CrowdStrike legten beide Kurssprünge bei ihren US-Handelsdebüts hin. Einer der Top-Performer war Beyond Meat, der Hersteller pflanzlicher Fleischalternativen. Der Aktienkurs hat sich seit dem Börsengang im Mai in New York mehr als verdreifacht.

Steigende Bewertungen an den öffentlichen Märkten könnten im nächsten Jahr mehr Unternehmen zu einem Börsengang ermutigen, statt Geld über private Finanzierungsrunden zu beschaffen, sagt François-Olivier Mercier, Leiter Aktien-Syndizierung für Europa, den Nahen Osten und Afrika bei der UBS.

Es gibt eine Menge Hoffnungsträger, die sich für 2020 in Position bringen. Reynolds Consumer Products, der Hersteller von Hefty-Müllsäcken, und die Denim-Marke Madewell von J. Crew Group gehören zu den Unternehmen mit Börsenplänen. Internet-Startups wie der Online-Matratzenverkäufer Casper Sleep und der Wiederverkaufsmarktplatz Poshmark bereiten unterrichteten Kreisen zufolge ebenfalls IPO vor.

"Wahrnehmung ist für den ersten Teil des Jahres positiv"

”Der Markt ist immer noch sehr selektiv bezüglich Börsengänge”, sagte Daniel Burton-Morgan, Leiter GB-Aktienmärkte bei Bank of America. “Aber die Unternehmen schneiden etwas besser ab, so dass die Dynamik wieder zunehmen dürfte.”

Unternehmen könnten auch Eile haben, zu Beginn des Jahres 2020 Aktien an den Markt zu bringen. Denn im weiteren Jahresverlauf könnte im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen im November die Marktvolatilität zunehmen.

“Die Wahrnehmung ist für den ersten Teil des Jahres positiv, angetrieben von der Überzeugung, dass Präsident Trump alles in seiner Macht Stehende tun wird, um die Konsumausgaben vor den Wahlen anzukurbeln”, sagte Kristin DeClark, Co-Leiterin der US-amerikanischen Aktienmärkte bei Barclays.

(Bloomberg)