"Die 'Blaue Welle' der Demokraten ist am Felsen von Donald Trumps Wählerbasis zerschellt", kommentierte Richard Berry, Gründer des Vergleichsportals Goodmoneyguide.com. "Das erinnert die Amerikaner nur allzu gut an die Lähmung nach der knappen Wahl zwischen Al Gore und George W. Bush vor zwei Jahrzehnten."

Noch sehr weit vor der Auszählung aller Stimmen erklärte sich US-Präsident Trump bereits zum Wahlsieger - und drohte dennoch, notfalls den Obersten Gerichtshof einzuschalten. Gleichzeitig werden die Demokraten, deren Parteifarbe blau ist, ihr Ziel einer Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses wohl verfehlen.

Im Windschatten von Kursgewinnen an der Wall Street überwanden viele Börsen allerdings ihre anfängliche Schwäche und legten bis zum Abend zum Teil deutlich zu. Der Swiss Market Index gewann rund 3 Prozent. In den USA stieg der Nasdaq-Index dank einer Rally bei den grossen Technologiewerten sogar um vier Prozent.

Unabhängig vom Ausgang des Rennens um das Weisse Haus werde der künftige US-Präsident einem gespaltenen Kongress gegenüberstehen, sagte Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner. "Für die Wirtschaft muss eine 'schwache' Präsidentschaft nicht unbedingt schlecht sein. Schliesslich sind dann radikale und teure Maßnahmen nicht wahrscheinlich." Ähnlich argumentierte Talib Sheikh vom Vermögensverwalter Jupiter. Das erhoffte Konjunkturpaket zur Abfederung der Corona-Folgen werde voraussichtlich kleiner und zielgerichteter ausfallen als bei einem Erdrutsch-Sieg der Demokraten.

Auch Staatsobligationen gefragt

Dennoch flohen einige Investoren in "sichere Häfen" wie Bundesanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Titel auf ein Acht-Monats-Tief von minus 0,671 Prozent. Ihre US-Pendants rentierten bei plus 0,756 Prozent und steuerten auf den grössten Rendite-Rückgang seit dem Börsen-Crash vom März zu.

Auch für den Ölpreis ging es steil bergauf. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um gut drei Prozent auf 40,98 Dollar je Barrel (159 Liter). Sollte Trump im Amt bestätigt werden, werde er die Sanktionen gegen Iran sicher aufrecht erhalten, prognostizierte Bjarne Schieldorp, Chef-Anlagestratege für Rohstoffe der Bank SEB. "Die Opec+ kann die Fördermengen weiter kürzen, ohne befürchten zu müssen, dass iranisches Öl auf den Weltmarkt drängt."

Am Aktienmarkt griffen Investoren bei Technologiewerten zu - allen voran bei US-Konzernen wie Apple, Amazon oder Facebook. Deren Aktien gewannen bis zu acht Prozent. Anleger hofften entweder auf eine Wiederwahl Trumps, bei der den Firmen eine strengere Regulierung erspart bliebe, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Oder es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sie unter beiden Präsidenten angesichts der zunehmenden Digitalisierung auch in Zukunft am besten abschneiden werden – oder es ist eine Mischung aus beidem." Im Windschatten der US-Technologiewerte legte der europäische Branchenindex drei Prozent zu.

Pharma-Aktien haussieren

Auch Pharma-Anleger hofften auf einen Trump-Sieg, sagte Aktienstratege Claude Zehnder von der Zürcher Kantonalbank. "Es herrscht die Ansicht vor, dass die Regulierung weniger stark ausfallen würde als bei den Demokraten." Dies verhalf europäischen Firmen wie Bayer, Novartis, Roche oder Sanofi zu Kursgewinnen von bis zu 6 Prozent. In den USA rückten Merck & Co. und Pfizer bis zu 7,2 Prozent vor.

Über den Spezialisten für erneuerbare Energien zogen dagegen dunkle Wolken auf. Ohne einen klaren Sieg der Demokraten schwänden die Chancen auf umfangreiche Investitionen in diesem Bereich, sagten Börsianer. Die Papiere der europäischen Windkraftanlagen-Bauer Nordex, Vestas und Siemens Gamesa fielen um bis zu 3,5 Prozent. Der börsennotierte Solarwerte-Fonds (ETF) von Invesco, der in den vergangenen drei Monaten fast 40 Prozent zugelegt hatte, rutschte um 2,6 Prozent ab.

(Reuters/cash)