Warum wird von einem «Wiederaufflammen» der Griechenland-Krise gesprochen?

Diesen Sommer muss Griechenland auslaufende Obligationen im Umfang von 7 Milliarden Euro refinanzieren. Die grössten Zahlungsempfänger sind der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB). Dass Athen diesen Forderungen aus eigener Kraft nachkommt, ist unwahrscheinlich, zumal es nicht möglich ist, frisches Kapital am Markt aufzunehmen. Ohne ein weiteres Hilfspaket wird Griechenland seine Schulden nicht begleichen können. Noch ist unklar, ob und in welchem Ausmass sich die Geldgeber an einer weiteren Geldtranche beteiligen werden. Derzeit laufen Diskussionen zwischen den Geldgebern und der griechischen Regierung über mögliche Reformen im Land.

Geht Griechenland im Sommer bankrott?

Ja, falls sich die Regierung von Alexis Tsipras mit den Geldgeber-Institutionen auf keinen Kompromiss einigen kann. Aber ein Zahlungsausfall nützt niemandem. Wahrscheinlich ist, dass nach neuen Reformversprechen erneut ein Deal eingefädelt wird. Aktuell geht es um Reformen beim Arbeits- und Streikrecht, um Kürzungen von Renten und weitere Privatisierungen. Zudem sind viele Ökonomen der Meinung, ohne Schuldenschnitt komme Griechenland nie aus der Spirale heraus, mit neuen Schulden alte zu tilgen.

 

Wie wahrscheinlich ist ein Euro-Austritt Griechenlands?

Bereits machen wieder Szenarien zu einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone die Runde. Ökonomen der UBS sehen das Grexit-Risiko bei 20 bis 30 Prozent über die kommenden zwölf Monate. Eine aktuelle Umfrage unter deutschen Börsianern ergab, dass knapp 20 Prozent mit einem Euro-Austritt Griechenlands rechnet. Allerdings: Im Juli 2012 stand derselbe Index bei 73 Prozent. Der Grexit sollte kein Tabu sein, schrieb Anlagechef Thomas Stucki von der St.Galler Kantonalbank kürzlich in einem Kommentar: "Ein geordneter Grexit sollte eine Option sein, da sich das Schwarzpeterspiel zwischen Athen und Brüssel sonst alle zwei Jahre wiederholt."

Was würde ein Grexit kosten?

Eine genaue Zahl zu nennen, ist schwierig, denn es gibt auch keine Regeln für einen Grexit. Aber es kursieren einige Schätzungen. Die Rating-Agentur Standard & Poor's errechnete für die Euro-Partnerländer einen Verlust von 300 Milliarden Euro. Das wären 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts der Euro-Zone und würden diese kaum in Gefahr bringen. Wenig erstaunlich ist die Meinung von EZB-Präsident Mario Draghi: Die Aufgabe der gemeinsamen Währung keinem Euro-Land Zone nützen. Falls ein Land wegen schwerer struktureller Probleme ein geringes Produktivitätswachstum aufweise, könne der Wechselkurs nicht die Antwort sein.

Wie geht es Griechenland wirtschaftlich? 

Die jüngsten Signale waren schlecht. Im vierten Quartal 2016 schrumpfte die Wirtschaft um 0,4 Prozent. Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal ergab sich ein Wachstum von mageren 0,3 Prozent. Die EU-Kommission traut dem schuldengeplagten Land zu, bald wieder auf einen deutlichen Wachstumskurs zu kommen. Für 2017 prognostiziert sie ein Plus von 2,7 Prozent. 2018 sollen es sogar 3,1 Prozent werden. Noch immer liegt die Verschuldung bei sehr hohen 183 Prozent des Bruttoinlandprodukts – auch im internationalen Vergleich.

Was indizieren die Finanzmärkte?

Von ihrem Höchststand bei über 30 Prozent Rendite sind zehnjährige griechische Staatsanleihen über die letzten Jahre deutlich zurückgekommen. Aktuell stehen sie bei 7,2 Prozent – der tiefste Stand seit Ende Januar. Dieser jüngste Rückgang widerspiegelt die Hoffnung der Investoren, Griechenland und seine Gläubiger würden sich auf eine Schuldenlösung einigen. Vergleicht man die Hellas-Bonds allerdings mit anderen Ländern, zeigen sich die vielen Herausforderungen, die der Finanzmarkt noch eingepreist hat. Die Rendite deutscher Zehnjahres-Obligationen liegt bei 0,22 Prozent, jene Italiens bei 2,1 Prozent und jene der USA bei 2,4 Prozent.

Was meinen die Griechinnen und Griechen?

Nach sieben Jahren Reformen hat sich die soziale Lage in Griechenland verschlechtert. Nur in Bulgarien und Rumänien ist die Armutsquote höher. Sie soll sich seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 fast verdoppelt haben. EU-Daten zeigen, dass sich 22,2 Prozent der griechischen Bevölkerung in einer "schweren materiellen Notlage" befinden. Wie Bloomberg kürzlich berichtete, ist die Arbeitslosigkeit zwar vom Spitzenwert 28 auf 23 Prozent gefallen. Sie bleibt aber die höchste in der EU. Seit Beginn der Krise mussten Tausende Betriebe schliessen. 75 Prozent der Haushalte hatten im letzten Jahr deutlich weniger Geld zur Verfügung, etliche müssen bei Lebensmitteln sparen und können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Trotzdem wollen neuen Umfrage zufolge rund zwei Drittel der Griechinen und Griechen im Euro bleiben.