"Die US-Notenbank wird für keine Überraschung mehr sorgen, sie muss eine Zinssenkung machen", sagt Gérard Piasko von der Privatbank Maerki Baumann im cash-Börsen-Talk. Wegen der schwächelnden Konjunkturdaten gehe die Fed an ihrer nächsten Sitzung am 18. September einen Viertel Prozentpunkt runter und eventuell ein weiteres Viertel im Verlauf des Herbstes. "Aber auch dann hinkt sie den Erwartungen hinterher, denn der Markt sieht ein ganzes Prozent Zinssenkung in den nächsten 12 Monaten."

Was passiert, wenn die Fed die Märkte negativ überrascht, hatte der Dezember 2018 gezeigt: Obwohl sich bereits eine Konjunkturabschwächung abzeichnete, erhöhten die Währungshüter die Zinsen weiter - höhere Zinsen würgen in der Regel die Wirtschaftsleistung etwas ab. Den Märkten missfiel dies, und es kam innerhalb weniger Tage zu einer deutlichen Börsen-Korrektur von knapp 15 Prozent.

Will die Fed solche Verwerfungen vermeiden, ist sie also zum Handeln gezwungen. Und gemäss Piasko ist ein Mann dafür verantwortlich, dass der Markt überhaupt so starke Zinssenkungen einpreist: "Donald Trump hat die Zügel der Zinspolitik völlig in der Hand", so der Anlageexperte.

Nimmt der US-Präsident eine Verschärfung des Handelskonflikts mit China vor, so schwäche dies die Konjunktur. Das senke wiederum die Rendite langer Zinsen und zwinge die US-Notenbank dazu, die Zinsen am kurzen Ende zu senken, um eine inversen Zinskurve - wie jüngst der Fall - zu vermeiden.

EZB: Blick auf die quantitative Lockerung

Vor dem US-Zinsentscheid werden die Anleger am kommenden Donnerstag aber auf die Europäische Zentralbank (EZB) schauen: Hier ist der Markt etwas unschlüssig darüber, ob der Einlagensatz von aktuell -0,4 um einen Schritt auf -0,5 oder gar um zwei Schritte auf -0,6 Prozent gesenkt wird. Einig ist man sich im Markt einzig darüber, dass es eine Zinsanspassung nach unten geben wird.

Tiefere Zinsen in Europa bringen automatisch auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) unter Zugzwang. Eine Ausweitung der hiesigen Negativzinsen auf minus 1 Prozent wäre dann ein realistisches Szenario. Das würde den Notstand der Anleger, Sparer und Pensionskassen noch weiter erhöhen.

Für Piasko ist an der EZB-Sitzung aber etwas anderes zentral: "Wichtig ist, ob ein neues Kaufprogramm für Obligationen angekündigt wird." Mit dieser Massnahme könne die EZB der Wirtschaft mehr helfen als mit noch tieferen Negativzinsen. Früher oder später müsse Europa aber auch eine Fiskalstimulierung machen. "Das heisst durch Steuersenkungen die Konjunktur unterstützen", ergänzt Piasko. Vor allem die deutsche Regierung sieht er in der Pflicht, sie müsse "pragmatischer und weniger dogmatisch" werden.

«Aktien nicht abschreiben»

Im aktuellen Umfeld erwartet Piasko einen volatilen Schweizer Aktienmarkt: "Beim SMI werden wir Bandbreiten von plus minus 10 Prozent sehen." Panik an den Aktienmärkten hält er hingegen für fehl am Platz. Wichtig sei eine ausgewogene Diversifizierung mit Aktien, Obligationen und Rohstoffen wie etwa Gold. "Man darf Aktien nicht abschreiben, wenn die Konjunktur durch Zinssenkungen stimuliert wird", fügt er noch an.

Konkret setzt der Anlagechef auf Titel, die wenig vom Konjunkturablauf abhängig sind, eine gute Profitabilität aufweisen, nicht zu hoch verschuldet sind und eine gewisse Preissetzungsmacht besitzen. Aus dem defensiven Gesundheitswesen empfiehlt er Galenica sowie Siegfried. Beide haben in diesem Jahr an der Börse bereits deutlich zugelegt, wobei Galenica (plus 27 gegenüber plus 21 Prozent) performancemässig die Nase etwas vorn hat.

Ein weiterer Favorit Piaskos ist Partners Group. Die auf Anlagen im Privatmarktsegment spezialisierte Gruppe könne von tieferen Zinsen profitieren, da dies zu "enorm vielen" Geldzuflüssen im Private-Equity-Bereich führen werde. Partners Group hat in diesem Jahr knapp 37 Prozent zugelegt. Der gute Lauf hält aber schon viel länger an: In den letzten fünf Jahren hat sich der Aktienkurs aufgrund eines starken Firmenwachstums mehr als verdreifacht.

Im cash-Börsen-Talk sagt Gérard Piasko ausserdem, was er von der SNB erwartet, weshalb der Finanzsektor gleich doppelt unter Druck steht und wieso europäische Unternehmensanleihen aktuell attraktiv sind.