Die Aktie von Zur Rose ist am Dienstag erneut extremen Schwankungen ausgesetzt. Sie steigt im frühen Handel an der SIX zuerst bis 5 Prozent auf 120,80 Franken. Nur rund eine Stunde später liegt sie 9 Prozent im Minus bei 102,60 Franken. 

Grund für den anfänglichen Kursanstieg: Die englische Bank Barclays nahm die Bewertung für Zur Rose in einer Branchenstudie mit "Overweight" und einem Kursziel von 178 Franken wieder auf. Das ist ein erhebliches Potenzial zum aktuellen Kurs, der seit Mitte September 2021 über 70 Prozent verloren hat. 

Das elektronische Rezept in Deutschland dürfte im vierten Quartal in diesem Jahr lanciert werden, schreibt Barclays-Analyst Andrew Ross. Er geht von einer raschen Adaption aus, und somit werde das Wachstum der Versandapotheken im kommenden Jahr kräftig anziehen, wie er schreibt. Zur Rose sei zusammen mit Konkurrent Shop Apotheke am besten positioniert, um davon zu profitieren.

Bei der EBIT-Marge sei ein Wert von 5 Prozent bis 2030 realistisch, wie das Beispiel von Apotea in Schweden zeige, so der Experte weiter. Vor diesem Hintergrund seien beide Aktien derzeit tief bewertet und ein positiver Newsflow sollte die Kursentwicklung wieder beleben.

Gemäss einem Bericht der Branchenzeitschrift "Apotheke Adhoc" wurde bei der geplanten Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland allerdings weiterhin kein konkreter Fahrplan beschlossen, was den Kursrückgang der Aktie am späten Dienstagmorgen plausibel macht. Ein entsprechender Beschluss sei vertagt worden, heisst es im Bericht von "Apotheke Adhoc" , der sich auf "Kreise der Gesellschafter" beruft.

An der zügigen Einführung Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland, von dem bei Zur Rose sehr viel punkto Wachstumszielen abhängt, gibt es in der Tat nach wie vor grosse Zweifel. Das zeigt sich an der längerfristigen Entwicklung des Aktienkurses: Vom Rekordwert von 514 Franken Anfang des letzten Jahres ist die Aktie von Zur Rose meilenweit entfernt. Ende April tauchte der Titel mit 98,15 Franken sogar unter die Hundert-Franken-Marke. So wenig war der Titel nicht einmal beim Corona-Absturz der Börsen im März 2020 wert.

Firmen-Gründer hält an Optimismus fest

Die Firma hält indes am Optimismus fest. "Die Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland ist eine 'once in a lifetime opportunity' für uns", sagte der Gründer und langjährige CEO von Zur Rose, Walter Oberhänsli, letzte Woche im Interview mit Schweizeraktien.net. Für Oberhänsli, der nun als VR-Präsident amtet, ist "die Kursentwicklung geprägt durch Unsicherheiten als Folge der verzögerten Einführung." Die Testphase sei nun aber auf einem "sehr guten Weg", er ist der "festen Überzeugung", dass einem bundesweiten Roll-out im zweiten Halbjahr dieses Jahres nichts im Weg stehe.

Die Enttäuschung der Aktionäre könne er nachvollziehen, sagte Oberhänsli weiter. "Man muss allerdings sehen, dass der ursprünglich kommunizierte Zeitpunkt zur Erreichung der Gewinnzone in der Annahme getroffen wurde, dass das elektronische Rezept Anfang dieses Jahres verpflichtend und bundesweit eingeführt wird."

Tatsache ist: Je länger sich die Einführung des Rezeptes hinauszögert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von weiteren Kapitalmassnahmen bei Zur Rose, die seit Jahren Verluste schreibt. Analyst Gian Marco Werro von der Zürcher Kantonalbank zum Beispiel erachtet die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Kapitalerhöhungsrunde bei Zur Rose denn auch als hoch. Werro zufolge könnten die Aktien der Versandapotheke deshalb auch in den kommenden Monaten starken Kurs- und Stimmungsschwankungen unterliegen. Er stuft die Papiere wie bis anhin mit "Marktgewichten" ein und rät Anlegern, vorerst an der Seitenlinie zu verharren. 

(cash/AWP)