Global operierende Flugzeugvermieter sehen sich zunehmend mit drohenden Abschreibungen konfrontiert, die sich auf mehrere Milliarden Dollar belaufen könnten: Russland denkt wohl über die Möglichkeiten nach, den weltweiten Sanktionen zu trotzen und Fluggesellschaften wie die Aeroflot am Leben zu erhalten.

Das russische Verkehrsministerium erwägt unter anderem den Kauf oder sogar die Verstaatlichung von Hunderten von Flugzeugen von Airbus und Boeing, deren Rückgabe die Eigentümer - Leasingunternehmen - im Rahmen der Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gefordert haben, berichtet die Nachrichtenagentur RBC.

Russische Fluggesellschaften bekommen zunehmend Probleme, den Betrieb aufrechtzuerhalten, da die USA und Länder aus der EU aufgrund der Sanktionen Russland nicht mehr mit Flugzeugen, Teilen oder Technologie beliefern dürfen. Wenn die Flugzeuge aus ausländischem Besitz in Russland verbleiben, könnten die russischen Fluggesellschaften sie zur Beschaffung von Ersatzteilen ausschlachten.

"Die Leasinggeber könnten am Ende gezwungen sein, eine Abschreibung vorzunehmen", sagte Nick Cunningham, ein Analyst bei Agency Partners. In einer normalen Situation würden sie einfach ihre Maschinen zurückfordern, wenn die Betreiber ihre Mietzahlungen nicht leisten. "Aber wenn Russland den Fluggesellschaften aufträgt, die Flugzeuge einfach weiter zu fliegen, was können sie dann tun?", fragte er.

Keine Geschäfte mehr mit Russland-Airlines

Die in Dublin ansässige AerCap Holdingshat laut IBA mit 152 Flugzeugen die meisten nach Russland verleasten Flugzeuge mit einem Marktwert von insgesamt fast 2,5 Milliarden Dollar. Carlyle Aviation Management hat etwa 8 Prozent seiner Flotte nach Russland verleast, AerCap und SMBC Aviation Capital jeweils etwa 7 Prozent. Bei Fortress Transportation and Infrastructure sind es 6 Prozent.

AerCap, die weltweite Nummer eins unter den Leasinggebern, erklärte am Montag, man werde keine Geschäfte mehr mit Fluggesellschaften in Russland machen. Aussagen dazu, ob oder wie die in Russland befindlichen Flugzeuge zurückkehren könnten, machte das Unternehmen nicht. SMBC Aviation, eine Sparte der japanischen Sumitomo Mitsui Financial Group, kündigte alle Leasingverträge in Russland. 

Flugzeuge aus Russland herauszubekommen, dürfte extrem schwierig werden. Leasinggebern drohen in jedem Fall Wertverluste, egal wie sich die Situation entwickelt, sagte Peter Walter, Direktor für Technik und Asset Management bei IBA. "Es wird zu beträchtlichen Forderungsausfällen, langwierigen Rechtsstreitigkeiten und der Möglichkeit kommen, dass einige Flugzeuge nicht zurückgeholt werden können," sagte er. "Die Auswirkungen werden sich über viele Jahre hinziehen."

Die Sanktionen der EU, der USA und Kanadas betreffen eine Reihe von Aktivitäten, von der Erbringung von Dienstleistungen für russische Unternehmen bis hin zu Finanztransaktionen, die Zahlungen ermöglichen. Viele Unternehmen sind noch damit beschäftigt, zu klären, was überhaupt verboten und was noch erlaubt ist, aber in der gesamten Luftfahrt wurden bereits weitreichende Massnahmen umgesetzt.

Flugverbote hindern Airlines wie Aeroflot und kleinere Fluggesellschaften wie S7 und Rossiya nun daran, Ziele in der EU, den USA und Kanada anzufliegen. Russland wiederum verweigert den Überflug über sein Hoheitsgebiet, ein Problem für europäische Flüge nach Asien. Airbus und Boeing liefern keine Flugzeuge oder Ersatzteile mehr an russische Kunden. Lufthansa Technik, einer der grössten Instandhalter der Welt, hat die Arbeiten in dem Land eingestellt. 

«Frankenstein-Flotte»

Russische Fluggesellschaften machen knapp zwei Drittel ihres Geschäfts im Inland. Einige Märkte wie die Türkei, China und andere Länder in Asien stehen russischen Maschinen weiterhin offen - wenn sie denn funktionierende Flugzeuge haben.

Dem Iran gelingt es allerdings schon seit mehr als 40 Jahren, trotz eines Verbots, neue Flugzeuge zu kaufen und einen Flugbetrieb aufrechtzuerhalten: Das Land beschafft gebrauchte Flugzeuge und Ersatzteile auf teils undurchsichtigen Märkten. Russland könnte dasselbe tun, seine eigene Flotte ausschlachten oder Ersatzteile eigenverantwortlich nachbauen, so Cunningham.

"Selbst wenn man die Flugzeuge in Betrieb halten kann, würde das eine Frankenstein-Flotte erschaffen, die ausserhalb der ehemaligen Sowjetunion wertlos wäre", sagte er. "Es ist eine politische Entscheidung, ob man die Flugzeuge in einem zertifizierten Zustand, oder einfach nur in der Luft halten will."

Ein solcher Ansatz könnte für funktionierenden Luftverkehr in den kommenden Monaten oder sogar Jahren sorgen, allerdings zu einem Preis. Flugzeuge, die internationale Sicherheitsstandards nicht einhalten, dürften in ausländischen Lufträumen nicht fliegen.

Die Sanktionen gegen Russland werden sich bemerkbar machen, sagte Luft- und Raumfahrtanalyst Howard Wheeldon. "Es wird nicht unbedingt sofort weh tun, weil die Flugzeuge zuverlässig sind. Aber irgendwann wird es schmerzhaft werden."

(Bloomberg)