Am Freitag erhielt der weltgrösste Elektroautobauer aus dem Silicon Valley von den Behörden grünes Licht für sein längst errichtetes, sechs Milliarden Euro teures Werk im brandenburgischen Grünheide. Nach der Erfüllung von Auflagen könnten dort schon bald die ersten Serienfahrzeuge aus der Fabrik rollen. Als Antwort gab Volkswagen kurz danach den Wolfsburger Ortsteil Warmenau als Standort für ein Werk bekannt, wo ab 2026 das neuentwickele E-Auto "Trinity" gebaut werden soll. Der Aufsichtsrat gab dafür Investitionen von zwei Milliarden Euro frei. Baubeginn soll im nächsten Frühjahr sein. Dann will VW die Aufholjagd zu Tesla beschleunigen.
Am Freitag hatte Tesla mit den Neuigkeiten zum Werk in Grünheide aber die Nase vorn: "Der heutige Tag, der 4. März, ist für Brandenburg ein grosser Schritt in die Zukunft", sagte der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke bei einer Pressekonferenz in Potsdam. Kurz darauf gab Europas grösster Autobauer Volkswagen seine Entscheidung für den Standort für die neue E-Autofabrik bekannt. Während in Grünheide noch dieses Jahr die ersten Model Y vom Band rollen dürften, will VW die ersten Trinity-Wagen 2026 produzieren.
Der von Elon Musk gegründete US-Elektroautopionier verfügt nun weltweit über vier grosse Produktionsstandorte: Zu den beiden bereits bestehenden Fabriken in Fremont in Kalifornien und Shanghai kommen Grünheide in Brandenburg und Austin in Texas hinzu. Im niederländischen Tilburg werden bereits seit längerem Fahrzeuge montiert. Seine weltweiten Kapazitäten kann Tesla nach Analysten-Schätzungen bei voller Auslastung auf fast zwei Millionen Fahrzeuge hochschrauben und kommt so in Schlagdistanz zum Absatz der Premiumhersteller BMW und Mercedes-Benz. Volkswagen lieferte im vergangenen Jahr weltweit 8,9 Millionen Fahrzeuge aus, davon rund 453'000 reine Batterieautos. Zum Vergleich: Tesla brachte mit 936'000 mehr als doppelt soviele E-Autos zu seinen Kunden.
Klagen und Proteste gegen Tesla-Werk
Erst im November 2019 hatte Musk seine Pläne für eine "Giga-Factory" öffentlich gemacht und seither auf eigenes Risiko vor den Toren Berlins ein riesiges Werkhallennetz hochgezogen. Kritiker versuchten, den US-Konzern mit Klagen, Protesten und Einwendungen zu stoppen. Umweltverbände und Bürgervereinigungen fürchten die Auswirkungen auf die Wasserversorgung, Tier- und Pflanzenwelt sowie die Lärmbelästigung durch die Mega-Fabrik. Musk hat den Fabrikbau eng begleitet, ist mehrmals angereist und hat sogar um die Gunst der Anwohner bei einem "Gigafest" Anfang Oktober geworben. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke freute sich sichtlich über die Ansiedelung Teslas. Man werde erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten sehen, wie bedeutend das sei.
Ursprünglich war der Produktionsstart in Grünheide im Sommer 2021 geplant. Da Tesla aber neben dem Autowerk auch eine Batteriefabrik errichtet, mussten die Anträge geändert werden - auch um letztlich Rechtssicherheit zu haben. Ziel der Amerikaner ist es, in Grünheide jährlich 500'000 Wagen vom SUV-Model Y herzustellen und 500 Millionen Batteriezellen, was einer Produktionsmenge von 50 Gigawatt pro Jahr entspricht. Allerdings dürfte es eine Weile dauern, bis das Werk seine volle Auslastung erreicht und bis es überhaupt losgeht. Denn Tesla muss unter anderen 113 Auflagen zur Luftreinhaltung und 96 Auflagen zum Trinkwasserschutz erfüllen, bevor der reguläre Betrieb starten kann. Zudem wird der Genehmigungsbescheid nun zwei Wochen zur Einsichtnahme ausgelegt und danach gibt es noch eine Frist von einem Monat, innerhalb derer Widersprüche erhoben werden können.
«Urplötzlich kennt man uns»
Der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach erhofft sich einen Schub für den Arbeitsmarkt durch die 740 Hektar grosse Neuansiedlung im Landkreis Oder-Spree. Erst dadurch wüssten nun viele, wo Brandenburg im Atlas zu finden sei. "Urplötzlich kennt man uns", sagte er am Freitag. Perspektivisch könnten bei Tesla bis zu 40'000 Beschäftigte arbeiten, hiess es in der Vergangenheit. Zunächst sollen es 12'000 sein. Weitere Jobs könnten bei Zulieferern entstehen, die sich in der Nähe zum Tesla-Werk ansiedeln.
Konkurrent Volkswagen setzt mit seinem Trinity zum Sprung in eine neue Zeitrechnung an. Ziel der Wolfsburger ist es, Tesla in den nächsten Jahren zu überholen und grösster Anbieter von E-Autos zu werden. Trinity ("Dreifaltigkeit") soll für drei Dinge stehen: Eine komplett neue Fahrzeugarchitektur, die Absicht, die automatisiertes Fahren für eine breite Kundschaft zugänglich zu machen, und eine vollvernetzte, automatisierte Fertigung. Ziel ist, wie Tesla ein Auto in etwa zehn Stunden zu bauen. Derzeit braucht VW dafür in seinem E-Autowerk in Zwickau etwa drei Mal so lange.
(Reuters)