Im März begeisterte Herbert Diess die Börsen mit seiner Vision, Volkswagen zum Weltmarktführer für Elektroautos zu machen: VW würde 1 Million Batteriefahrzeuge ausliefern und bald allein in Europa ein halbes Dutzend Fabriken bauen, verkündete der CEO. Die Aktie schoss an einem einzigen Tag um 29 Prozent in die Höhe.
Inzwischen ist die Euphorie in Wolfsburg deutlich abgekühlt. Der grösste deutsche Automobilhersteller hinkt beim angestrebten Absatz dieses Jahr hinterher und verliert Marktanteile in China, seinem grössten Markt. Diess hat bei Arbeitnehmern Empörung ausgelöst mit der Andeutung, ein massiver Stellenabbau könne nötig werden, um mit dem Konkurrenten Tesla Schritt zu halten. Der Mangel an Halbleitern hilft auch nicht gerade.
Die Gegenreaktion hat Diess in die Defensive gedrängt. Arbeitnehmervertreter haben den Vorstandsvorsitzenden öffentlich gerügt und machten eine turnusmässige Aufsichtsratssitzung am Donnerstag zu einem Referendum über seine Position. Auch wenn er vorerst im Amt bleiben dürfte, hat der Konflikt die Spannungen aufgezeigt, die auf dem Weg in eine batteriebetriebene Zukunft unter der Oberfläche brodeln.
"Die Umsetzung des viel gepriesenen Hochlaufs der Elektrofahrzeuge bei VW muss sich deutlich verbessern, damit die Investoren eine glaubwürdige Transformationsgeschichte kaufen", sagt Bernstein-Analyst Arndt Ellinghorst.
Diess versuchte diese Woche, die Wogen zu glätten und pries einen neuen geplanten Technologiecampus in der Nähe von Wolfsburg an, den sich VW 800 Millionen Euro kosten lassen will. Mehrere Zeitungen berichteten, dass er möglicherweise die Kontrolle über die Strategie von VW verliert, da zusätzliche Führungskräfte in den Vorstand kommen. Trotz der häufigen Auseinandersetzungen von Diess mit Gewerkschaftsführern wurde sein Vertrag erst kürzlich bis 2025 verlängert.
VW-Aktienkurs hinkt hinterher
Volkswagen mit seinen vielen Marken und seiner byzantinischen Stakeholder-Struktur zu führen, war schon immer schwierig. Das Land Niedersachsen besitzt 20 Prozent des Automobilherstellers und vertritt üblicherweise auch die Interessen der Arbeitnehmer. Stephan Weil, der Ministerpräsident des Bundeslandes, hat sich gegen Diess-Szenarien mit massiven Kürzungen in Deutschland ausgesprochen.
Diess steht durch die Vorstösse von Tesla unter Druck. Nur zwei Autostunden vom VW-Stammwerk entfernt bauen die Amerikaner nun Autos. Der CEO hat öffentlich beklagt, dass Tesla dafür nur einen Bruchteil der Zeit braucht wie VW, während die Deutschen zusätzlich das Herunterfahren ihrer Verbrennungsmotoren managen müssen.
Die Vorzugsaktien des Konzerns gewannen am Dienstag fast 9 Prozent, nachdem das "Handelsblatt" berichtet hatte, dass VW seine Sportwagensparte Porsche an die Börse bringen könnte und dass im Zuge dessen die Familien Porsche und Piech ihre Beteilung verringern könnten. Am Mittwoch gaben die Vorzüge leicht nach.
Seit ihrem wilden Ritt im März, der den Börsenwert von Volkswagen kurzzeitig auf fast 150 Milliarden Euro hievte, rutschte die Aktie wieder ab. Sie hat in diesem Jahr etwa 24 Prozent zugelegt, weniger als Daimler mit 53 Prozent und Teslas 43 Prozent. Der Elektropionier hat damit inzwischen einen Börsenwert von mehr als 1 Billion Dollar - etwa das Achtfache der Wolfsburger.
(Bloomberg)