Nicht einmal die aggressivste US-Notenbank seit Jahrzehnten kann der grossen Masse an Goldliebhabern auf einem jährlichen Treffen der Branche Einhalt gebieten. Der Goldpreis wird bis zum Jahresende 1’806,10 Dollar pro Unze erreichen, so die durchschnittliche Schätzung in einer Umfrage unter Teilnehmern des Denver Gold Forums, dem Begegnungsort für Bergbauführungskräfte, Investoren, Banker und Analysten. Die Prognose liegt 7,8 Prozent über dem Schlusskurs vom Montag. Das letzte Mal, dass der Goldpreis einen so hohen Stand hatte, war Anfang Juli.

"Man wird weiterhin beobachten können, dass Investoren weltweit daran interessiert sind, strategisch Gold zu besitzen", meint Joseph Cavatoni vom World Gold Council in einem Interview auf der jährlichen Veranstaltung der Branche. Das gelte auch trotz der restriktiveren Geldpolitik der Zentralbanken. "Wegen der geopolitischen Risiken wird Gold weiterhin im Mittelpunkt des Interesses aller Anleger liegen." Cavatoni prognostiziert jedoch "eine holprige Fahrt" bis zum Jahresende. Der Goldpreis werde so lange schwanken, bis die Zentralbanken in aller Welt mehr Klarheit über ihren Kampf gegen die Inflation vermitteln.

Momentum zu Gunsten des US-Dollars

Gold hatte sich den grössten Teil des Septembers über der Marke von 1700 Dollar pro Unze gehalten, stürzte aber letzte Woche ab. Dies, nachdem ein Unterstützungsniveau durchbrochen wurde, das seit dem Jahr 2020 Bestand hatte.

Der Ausverkauf erfolgte aufgrund der Annahme der Finanzmärkte, dass die Fed die Zinsen am Mittwoch um mindestens 75 Basispunkte anheben wird. Man befürchtet, dass eine stärkere Anhebung zu mehr Volatilität in allen Anlagekategorien führen könnte. Die straffe Geldpolitik der Zentralbanken zur Eindämmung der Inflation hat die Zinsen in die Höhe getrieben, und die aggressive Straffung der Fed hat zu einem starken Dollar geführt. Beides sind schlechte Nachrichten für Gold, da das Edelmetall keine Zinsen zahlt und in Dollar notiert ist. "Das Momentum ist eindeutig zu Gunsten des Dollars", sagt Randy Smallwood, Vorstandsvorsitzender von Wheaton Precious Metals, in einem Interview.

Die nächste Zinsentscheidung der Fed wird am letzten Tag des Denver Gold Forum fallen. Die weiteren Bewegungen des Edelmetalls werden von der Zinsentscheidung, den Äusserungen der US-Notenbank zur Inflation und zukünftigen Leitzinserhöhungen abhängig sein.

Defensive Qualitäten schon bald gefragt

Die Anleger haben sich in letzter Zeit immer häufiger von Gold getrennt. Hedgefonds und Vermögensverwalter verhielten sich gegenüber dem Edelmetall negativ, wie jüngste Daten der Commodity Futures Trading Commission zeigen. Die Bestände von börsengehandelten Goldfonds - eine wichtige Säule für den rekordhaften Anstieg der Goldpreise im Jahr 2020 - sind bis Ende August vier Monate in Folge gesunken. Der Abwärtstrend hat sich im September fortgesetzt, wobei die Bestände der börsengehandelten Goldfonds in diesem Monat "nur" um 1 Prozent gefallen sind.

Dennoch hat sich der Goldpreis relativ gut gehalten und ist in diesem Jahr "nur" um 8,4 Prozent gesunken. Die Unterstützung kommt von den erhöhten geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken. Es besteht die Sorge, dass die aggressive Straffung der Fed zur Bekämpfung der hohen Inflation die US-Wirtschaft in eine Rezession stürzen könnte.

Der russische Krieg in der Ukraine ist ein gutes Argument für den Besitz von Gold inmitten geopolitischer Risiken. Und die anhaltende Energiekrise in Europa und Chinas Nullzins-Politik deuten ebenfalls auf eine weltweite Konjunkturabschwächung hin. Das könnte Anleger dazu veranlassen, Gold als Schutz gegen diese Unsicherheit zu halten. "Es ist ein defensiver Wert in einer Zeit, in der makroökonomische und geopolitische Unsicherheit herrscht", meint Peter Marrone, Vorstandsvorsitzender von Yamana Gold, in einem Bloomberg-Interview. "China ist seit langem den eigenen Covid-Restriktionen unterworfen", fügt er hinzu. "Wenn sie aus diesen wieder herauskommen, können wir wieder mit starken Preisen rechnen.”

(Bloomberg/cash)