Die Beilegung des Atomstreits zwischen westlichen Mächten und Teheran im Januar treibt das Investitionsfieber in einem Land mit grossem Wirtschaftspotenzial an. Noch gilt das mittelöstliche Riesenland Iran nicht als Schwellenland, sondern als "Frontier Market".

Das BIP des Landes wird auf 416 Milliarden Dollar geschätzt, was in etwa der Wirtschaftleistung Österreichs entspricht. Die Relationen zeigen auch, was für Wachstumsfantasien möglich wären: Während Östereich 8,7 Millionen Einwohner zählt, leben im Iran 80 Millionen Menschen. Geschätzt wird, dass die iranische Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren um fünf bis acht Prozent wachsen wird, sofern das Land nicht massiv politisch erschüttert wird. Iran gehört zu den wichtigsten Erdöl-Produzenten der Welt, wobei 40 Prozent der Exporte von ausserhalb des Öl- und Gassektors kommen.

Die politische und gesellschaftliche Entwicklung des Iran verläuft nicht gleichzeitig. Während in der religiös geprägten Staatsführung ein Machtkampf zwischen konservativen Kräften und Reformern herrscht, öffnet sich die überwiegend junge Bevölkerung vermehrt westlichen Lebensstilen. Ein Anzeichen dafür im seit der Revolution von 1979 offiziell immer noch islamisch verfassten Staat ist beispielsweise, dass heute die Hälfte der Studenten Frauen sind.

Investoren interessieren Konsumgüter

Überhaupt gilt die iranische Bevölkerung als gut ausgebildet, und die Bereitschaft zum Konsum steigt. Wirtschaftlich und von der Grösse her ist der Iran mit der Türkei vergleichbar, doch während die Türkei seit Jahrzehnten mit dem Westen verbunden ist, öffnet sich der Iran nach über 30 Jahren eingeschränker Beziehungen wieder vermehrt, vor allem gegenüber Europa. Dies ruft mehr und mehr Investoren auf den Plan. Erste Fonds sammeln Geld für Iran-Investments ein.

Für Investoren interessant ist im Moment die Konsumgüter-Industrie, wie Pasha Bakthiar sagt. Der Investmentspezialist leitet das Dubai-Büro der Banque Reyl. Die Genfer Privatbank hat zusammen mit dem iranischen Asset Manager Turquoise Partners vor kurzem den 200 Millionen Dollar schweren Aktienfonds IOP-I aufgelegt, der unter anderem gezielt in iranische Lebensmittelhersteller investiert (siehe Nestlé, Danone oder Unilever sind bereits im in diesem wenig zyklischen Wirtschaftszweig im Iran aktiv.

Pasha Bakthiar im cash-Video-Interview.

Der iranische Aktienmarkt hat seit Januar, als die westlichen Grossmächte das Ende der Sanktionen beschlossen, stark zugelegt. Die Kapitalisierung des gesamten Marktes stieg von gut 5 Milliarden Dollar im Januar auf fast 8 Milliarden Dollar im März. Im MSCI Frontier Markets Index wäre Iran laut Erhebungen der Barings Bank der zweitgrösste Markt.

Der iranische Aktienmarkt ist aber noch nicht komplett geöffnet worden und noch sind nicht alle Sanktionen, speziell nicht die von den USA erlassenen, ausser Kraft gesetzt. Pasha Bakthiar schätzt, dass es für Investoren derzeit einfacher ist, über institutionelle Vehikel im Iran Geld anzulegen als auf eigene Faust. Neben Reyl ist auch der Londoner Vermögensverwalter Charlemagne Capital mit einem Iran-Fonds aktiv, arbeitet aber auch mit der lokalen Turquoise Partners zusammen. Der iranische Asset Manager Griffon Capital hat vor kurzem das Fonds-Vehikel Iran Flagship Fund mit Sitz auf den Cayman Islands eingerichtet und bietet es internationalen Investoren an.

Die Banque Reyl und ihre iranischen Partner investieren derzeit nicht in den staatseigenen oder staatsnahen Teil der Wirtschaft, wozu etwa viele Industrieunternehmen zählen. Durch den starken Staatsbezug der Wirtschaft ist auch Korruption ein Thema, das ausländische Investoren beachten müssen. Der iranische Bankensektor, wiewohl mehrheitlich in privater Hand, wäre derweil aus Sicht der Genfer Investoren erst nach notwendigen Strukturreformen interessant.

Gelegenheiten für die Multis

Bei der Öffnung des Iran wollen sich auch viele internationale Unternehmen ein Stück vom Kuchen abschneiden. Durch das Ende der Sanktionen werden etwa 100 Milliarden Dollar eingefrorene iranische Gelder freigesetzt. Die Öffnung der Wirtschaft löst im Iran einen massiven Bedarf an Erneuerungskäufen aus.

Aufsehen erregt hat kürzlich Iran Air: Die staatseigene Fluggesellschaft konnte wegen der Sanktionen sehr lange keine Jets kaufen und fliegt mit einer der ältesten Flotten der Welt. Im Januar bestellte sie bei Airbus zum Listenpreis von 27 Milliarden Dollar 118 Flugzeuge, darunter den Megaflieger A380. In der Schweiz hat Airbus etwa 50 Zulieferer, viele KMU, aber auch die (nicht börsenkotierte) Ruag. Auch beim US-Flugzeugbauer Boeing gingen Bestellungen aus dem Iran ein. Insgesamt braucht der Iran wohl 400 bis 500 neue Flugzeuge, um den Uralt-Maschinenpark zu erneuern.

Der letzte grosse Investitionsschub in die Infrastruktur des Landes fand zu Zeiten der Schah-Herrschaft in den 60er und 70er Jahren statt. Aus der Schweizer Industrie können davon Unternehmen profitieren, die im Strassenbau und der Schienenverkehrsindustrie tätig sind. Im Februar reiste Bundespräsident und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann auf einer Wirtschaftsmission nach Teheran, um Türen zu öffnen.

Wie bei bei allen neuen Märkten bestehen Herausforderungen, wie der Industrieverband Swissmem schreibt: "Die Unternehmen müssen das Vertrauen der Kunden gewinnen und das braucht Zeit und Geduld. Der Markteintritt im Iran bedeutet einen langfristigen Planungshorizont." Neben den Öl- und Gas-Zulieferern bieten sich bei der Erneuerung und dem Ausbau des produzierenden Sektors aber auch dem Werkzeug- und Textilmaschinenbau Chancen. Speziell erwählt Swissmem auch den Maschinenbau für die Lebensmittelindustrie.

Banken bleiben vorsichtig

Eine Reihe von Schweizer Unternehmen hat historische oder bereits bestehende Beziehungen zum Iran. Die Sanktionen verboten nicht alle Geschäfte: Zu den wichtigsten Exportprodukten von der Schweiz in den Iran gehören neben Maschinen heute schon Medikamente. Für die Pharmaindustrie bieten sich damit ebenfalls neue Möglichkeiten.

Eher einen Bogen um den Iran machen dürfte weiterhin die Finanzbranche. Die Credit Suisse etwa geriet mit den USA in Konflikt, weil sie die Sanktionen unterlief. Die CS zahlte 2009 über eine halbe Milliarde Dollar Strafe dafür. Da das Misstrauen der USA gegenüber dem Iran immer noch gross ist, fürchten Banken das Risiko von Iran-Finanzierungen. In Deutschland, das seit Jahrzehnten wirtschaftlich mit dem Iran verbunden ist, verhalten sich die Finanzinstitute ähnlich. Ein sehr heikles Thema ist nach wie vor Geldwäscherei und Terrorfinanzierung, da ein Teil der iranischen Funktionselite immer noch extremistische Gruppen ausserhalb des Landes fördert.

Die Zurückhaltung der Finanzbranche wiederum bildet für Unternehmen allgemein, die im Iran Fuss fassen wollen, noch ein gewisses Hindernis. Während die Schweizer Exportrisikoversicherung Absicherungen anbietet, ist der Zahlungsverkehr mit dem Iran noch nicht normalisiert.

Im cash-Video-Interview erläutert Pasha Bakthiar seine Fonds-Strategie im Iran. Er äussert sich auch dazu, in welcher Form die Wirtschaft weitere Reformen braucht und nimmt eine Einschätzung zu den politischen Risiken vor.