Der jüngste Einbruch am Kryptomarkt traf nicht nur Bitcoin, sondern löschte ganze Ökosysteme spekulativer Token aus, die mit viralen Memes, grossen Namen und blinder Euphorie den Traum vom schnellen Reichtum versprochen hatten.
Bitcoin verlor infolge des neuen Zollstreits zwischen den USA und China rund 13 Prozent. Noch gravierender waren jedoch die Verluste bei kleineren Kryptowährungen, von denen viele zeitweise bis zu 80 Prozent einbrachen, bevor sie sich leicht erholten. Trumps eigene Memecoin, die US-Präsident Donald Trump Anfang des Jahres beworben hatte, fiel laut CoinMarketCap am Freitag um 37 Prozent. Auch der WLFI-Token von World Liberty Financial, der ebenfalls Verbindungen zur Trump-Familie hat, verlor in ähnlichem Ausmass.
Insgesamt wurden laut 10x Research rund 380 Milliarden Dollar an Marktwert vernichtet - davon entfielen etwa 131 Milliarden Dollar auf Altcoins, ein Marktsegment, das auf dünner Liquidität, spekulativen Erzählungen und dem Hype von Daytradern basiert.
Potenzielle langfristige Schäden
Der Absturz wirft grundlegende Fragen über die Zukunft des Altcoin-Ökosystems auf. Händler und Market Maker sehen die strukturelle Basis dieser Token bröckeln - weniger Käufer, höhere Risikoaversion. Der Einbruch, beispiellos in Tempo und Ausmass, könnte das Ende einer Ära markieren, in der anonyme Projekte ohne Fundament binnen Tagen um 1000 Prozent stiegen.
Wie Analysten von Arca anmerkten: «Gelegenheitsbeobachter der globalen Märkte haben es vielleicht übersehen - aber wer voll im On-Chain-Kryptohandel steckt, hat den Weltuntergang miterlebt.»
Ein Nutzer auf X schrieb verzweifelt:
«Alles im Crash gestern verloren - all meine Träume und Ziele, der Kredit, die Schulden, die Ersparnisse meiner Mutter der letzten sieben Jahre, mein Gehalt - alles auf null. Ich weiss nicht, wie ich das meiner Mutter erklären soll.»
Altcoins umfassen eine breite Palette digitaler Vermögenswerte ausserhalb von Bitcoin und Ether - darunter auch sogenannte Memecoins, die an Social-Media-Trends anknüpfen, etwa an Hunde der Rasse Shiba Inu, die Comicfigur Pepe oder sogar ein Nilpferd namens Moo Deng.
Gerade diese Coins traf es am härtesten. Die Verkaufswelle begann, als die allgemeine Risikobereitschaft an den Märkten nachliess. Doch Altcoins brachen stärker ein, da sie meist dünn gehandelt werden, kaum Käuferbasis haben und stark von wenigen Akteuren abhängen. Sobald diese sich zurückziehen, können die Preise schnell kollabieren - zumal den Projekten häufig tragfähige Fundamentaldaten oder dauerhafte Nachfrage fehlen.
Trotz ihrer geringen Handelsvolumina hatten viele Altcoins zuletzt einen beträchtlichen Marktanteil erreicht: Bitcoins Anteil an der gesamten Krypto-Marktkapitalisierung fiel laut CoinMarketCap von fast 65 Prozent im Juli auf derzeit 58,5 Prozent.
Das ist bedeutsam: In der Vergangenheit fiel die Bitcoin-Dominanz oft vor grösseren Branchenkorrekturen - etwa von 70 Prozent im Jahr 2019 auf 38 Prozent Ende 2022, kurz vor dem letzten grossen Crash. Danach stieg sie wieder, als Kapital in die vermeintlich «sicheren» digitalen Werte zurückfloss.
Rückläufiger Markt
Nun erwarten Marktteilnehmer eine ähnliche Entwicklung - eine längere Eiszeit für kleinere Krypto-Assets. Nicht nur, weil viele Trader massive Verluste erlitten haben, sondern auch, weil die meisten Coins schon vor dem jüngsten Einbruch kaum Rendite abwarfen.
«Das Problem mit Altcoins ist: Ja, sie können stärker steigen», sagte Morten Christensen, Betreiber der Plattform AirdropAlert.com. «Aber sie können auch an einem Tag 50 Prozent oder in einer Woche 90 Prozent verlieren. Ich spiele dieses Spiel in einer späten Marktphase nicht mehr, wenn die Chancen steigen, dass das Ende naht.»
Laut CoinMarketCap ist Trumps Memecoin seit ihrem Start im Januar bereits um rund 78 Prozent gefallen - der grösste Teil des Verlusts entstand noch vor dem Crash. XRP, die fünftgrösste Kryptowährung, notiert wieder auf dem Niveau vom Jahresbeginn. Andere, wie der Binance-Token BNB, der seit Jahresanfang um 81 Prozent gestiegen ist, bildet derzeit die Ausnahme.
«Gerade diese Vermögenswerte waren erheblichen Risiken ausgesetzt, wie das Wochenende gezeigt hat - und sie hinken sowohl grosskapitalisierten Kryptowährungen als auch Aktien und Gold deutlich hinterher», erklärte John Todaro, Analyst bei Needham & Co. «Kurz gesagt: deutlich höheres Risiko für deutlich geringere Rendite.»
Angesichts der enormen Verluste unter Privatanlegern fasst Evgeny Gaevoy, CEO des Kryptohändlers Wintermute, die Lage nüchtern zusammen: «Der Altcoin-Markt wird schrumpfen.»
(Bloomberg)
1 Kommentar
Lustig finde ich wie die Kryptofanboys immer von Fiatgeld schwadronieren und dabei vergessen, dass Kryptokonstrukte die Reinform von Fiatgeld sind. Es sind reine Zahlenkonstrukte ohne lender of last resort... so a la ich mach mir meinen coin wie es mir gefällt :-) Bitcoin und Ether haben immerhin eine wichtige Schwarzgeldfunktion inne und sind auch wichtig für elektronische internationale Transaktionen die nicht von Zentralbanken gestört werden sollen. Der "Wert" von Bitcoin widerspiegelt aber eher die hohen Energiekosten zum Unterhalt des Netzwerks als etwas anderes. Wenn die Miner kein Geld mehr verdienen können wird es schwierig. Ob diese Schwierigkeit bewusst eingebaut wurde sei mal dahingestellt.