Anfänglich schlugen die vorgelegten Zahlen den Investoren auf den Magen. Die ABB-Aktie startete 1,6 Prozent tiefer in den Börsenhandel. Im Verlaufe des Tages hat sich der Titel aber erholt und steht kurz vor Handelschluss 1,7 Prozent im Plus. Die Aktie hatte im vergangenen Jahr ein Plus von rund 25 Prozent verzeichnet, womit die Aktie den Gesamtmarkt knapp geschlagen hatte. Im laufenden Jahr sind die Valoren indes mit einem Minus von aktuell gut 10 Prozent deutlich zurückgefallen und hinken dem Gesamtmarkt SMI (+5 Prozent) hinterher.
Die Halbjahreszahlen von ABB verfehlten die Markterwartungen bei den Gewinnziffern. Der Umsatz fiel solide aus, während die Auftragseingänge für eine positive Überraschung sorgten.
Bei den Analysten stossen die Zahlen teils auf wenig Gegenliebe. So fiel zwar der Auftragseingang dank eines Grossauftrags aus Kanada besser als erwartet aus, schreibt die Zürcher Kantonalbank in einem Marktkommentar. "Ansonsten ist das Quartals-Ergebnis eher enttäuschend."
Die Aktienauguren der Bank J. Safra Sarasin bezeichnen das 2014 erneut als Übergangsjahr. Gleichzeitig favorisieren sie den Konkurrenten General Electric gegenüber ABB. Nicht so Vontobel: Die Bank sieht sich in ihrer Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 25,50 Franken für ABB bestätigt. Insbesondere die Nachfrage bei Automation und Dienstleistungen in den Schwellenländern werde unterschätzt, so Vontobel.
«Vielversprechendes Wachstum» in USA und China
Der Umsatz wurde bei 10,19 Milliarden USD gegenüber dem Vorjahr gehalten (organisch -1 Prozent). Der Auftragseingang legte dagegen um 13 Prozent auf 10,57 Milliarden (LW +14 Prozent, org. +13 Prozent) zu. Mit Grossaufträgen sei ein Wachstum von über 70 Prozent erzielt worden und auch die Basisaufträge hätten zugelegt, teilt der Energietechnik- und Automationskonzern am Mittwoch mit. Zu dieser Wachstumsdynamik hätten alle Regionen beigetragen. Das kräftige Auftragsplus führte zu einer Book-to-Bill-Ratio von 1,04.
Die Massnahmen zur verbesserten Marktdurchdringung, Innovation und Expansion würden sich auszahlen und zum verbesserten Auftragsmomentum beitragen, wird CEO Ulrich Spiesshofer zitiert. In den beiden grössten Märkten von ABB, USA und China, sei im zweiten Quartal "vielversprechendes Wachstum" verzeichnet worden.
Der operative EBITDA reduzierte sich um 15 Prozent auf 1,33 Milliarden und die entsprechende Marge auf 13,0 von 15,2 Prozent. Der EBIT fiel um 11 Prozent auf 1,05 Milliarden USD zurück und die EBIT-Marge auf 10,3 von 11,6 Prozent. Der Reingewinn gab um 17 Prozent auf 636 Mio USD nach, wogegen der Cashflow aus Geschäftstätigkeit um 64 Prozent auf 888 Mio kletterte.
Probleme bei Power Systems im Fokus
Die niedrigeren Margen des Konzerns widerspiegelten hauptsächlich die anhaltenden projektbezogenen "Herausforderungen" in der Division Energietechniksysteme (Power Systems, PS). Im Zusammenhang mit anhaltenden Belastungen durch Grossprojekte in der Offshore-Windindustrie und im Solarsektor, bei denen ABB als Generalunternehmer (EPC-Projekte) tätig ist, resultierte im zweiten Quartal erneut ein Verlust, zum dritten Mal in Folge. Auf Stufe EBITDA belief sich dieser auf 24 Mio CHF. Die übrigen vier Divisionen lagen alle klar im positiven Bereich mit zweistelligen EBITDA-Margen.
Für die Division PS seien "strikte Massnahmen" ergriffen worden, um die Risiken im Portfolio zu mindern und die Kapazitäten anzupassen. Neben dem Ausstieg aus dem EPC-Geschäft in der Solarindustrie implementiert ABB ein neues Geschäftsmodell für EPC-Projekte in der Offshore-Windindustrie. Der Turnaround hier habe oberste Priorität und es seien hinsichtlich der Reduktion der Risikopositionen bereits gute Fortschritte erzielt worden, dennoch werde die Division das Konzernergebnis "wahrscheinlich" auch in den kommenden Quartalen belasten.
Insgesamt verzeichnete das Unternehmen im zweiten Quartal eine stabile Nachfrage nach Stromverteilungssystemen und zugehöriger Ausrüstung durch Energieversorgungskunden. Im Stromübertragungssektor sei die Investitionsneigung dagegen nach wie vor "selektiv". Die Industrienachfrage war je nach Region und Absatzmarkt unterschiedlich.
Anhaltende Unsicherheit in den Schwellenländern
Im Ausblick auf den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres bleibt ABB gewohnt vage. In der kurzen Frist gebe es positive frühzyklische makroökonomische Signale, zum Beispiel aus den USA. Es blieben aber Unsicherheiten hinsichtlich der Dynamik und Stärke des Wirtschaftswachstums in einige Schwellenländern bestehen. In Europa werde das Wachstum voraussichtlich einem ähnlichen Muster folgen wie im zweiten Quartal und sich je nach Land und Branche unterschiedlich darstellen. Der langfristige Ausblick für ABB wird weiterhin "eindeutig positiv" eingeschätzt.
Bezüglich der angestrebten Portfoliobereinigung sieht sich ABB auf Kurs: "Seit Oktober letzten Jahres setzen wir unsere Ankündigung, das Portfolio wertsteigernd zu optimieren und den Fokus verstärkt auf unser Kerngeschäft zu legen, konsequent um", so Spiesshofer. In der zweiten Jahreshälfte werden das Unternehmen die organischen Wachstumsinitiativen in einem uneinheitlichen Marktumfeld weiter entschlossen vorantreiben, die konsequente Umsetzung des Cashmanagements fortsetzen und die Kostensenkungen beschleunigen.
ABB will am Investorentag vom 9. September in London die neue Unternehmensstrategie sowie neue Finanzziele bekanntgeben. Darüber hinaus werde das Unternehmen seine Prioritäten für die Generierung von Mehrwert und Kapitalallokation kommunizieren.
(AWP/cash)