Der Aktien des Industriekonzerns sind derzeit auf einem Niveau, das zuletzt Anfang Februar 2020 und im Mai 2018 erreicht wurde. Zwar stürzte die Aktie zu Beginn der Corona-Krise phänomenal um 42 Prozent ab, doch von Mitte März bis im Juli setzte eine massive Erholung ein – plus 71 Prozent. Nach einer zweimonatigen Seitwärtsbewegung setzten die ABB-Aktien im Oktober zu einem kleinen Ausbruch an.

Performance der ABB-Aktien seit Januar 2018 (Quelle: cash.ch).

Diese gute Performance ist umso erstaunlicher, da ABB im ersten Halbjahr einen Umsatzeinbruch von 10 Prozent vermeldete. Der Auftragseingang selbst sackte sogar um 18 Prozent ab. Die Zahlen lagen damit zwar über den damaligen Erwartungen der Analysten, doch die Aktienperformance erklärt dies noch nicht. Hauptgrund dürfte vielmehr sein, dass der Markt eine rasche Wirtschaftserholung einpreist.

ABB ist auch ein Frühzykliker

Dass die viel diskutierte V-Erholung insbesondere dem Aktienkurs von ABB zugutekommt, ist schlussendlich nicht erstaunlich. Denn der Schweizer Traditionskonzern ist ein weltweit führender Anbieter von Elektro- und Automationstechnik und geschäftet damit im zyklischen Industriesektor. Dabei profitieren die Automationssparte und die Robotik vor allem in frühzyklischen Phasen vom Trend, die Energieeffizienz und die Produktivität zu steigern.

Im Bereich Robotik hat ABB zuletzt einen Zukauf getätigt. Die Übernahme der niederländischen Codian Robotics wurde am 1. Oktober abgeschlossen. Codian Robotics stellt Roboter mit hochpräzisen "Pick&Place"-Anwendungen her, welche sich für hygienesensible Branchen wie die Lebensmittel-, Getränke- oder Pharmaindustrie eignen.

Doch auch an einem anderen Zukunftstrend will der Industriekonzern partizipieren, der E-Mobilität. So investiert ABB 30 Millionen Dollar in die Erweiterung der Produktionskapazitäten in Italien. Dort soll ein globales Kompetenz- und Produktionszentrum für die Ladeinfrastruktur von Elektrofahrzeugen entstehen. Ebenso investiert ABB in den Niederlanden. Für 10 Millionen US-Dollar entsteht dort der Hauptsitz sowie ein Forschungs- und Entwicklungsstandort für die weltweiten Aktivitäten im Bereich Elektromobilität.

Neben dieser Anlegerfantasie einer schnellen Erholung erweist sich zudem das im Juli konkretisierte Aktienrückkaufprogramm als zusätzliche Kursstütze. ABB tätigt damit einen Rückkauf von 10 Prozent des ausgegebenen Aktienkapitals. Zusätzlich zu den durch ABB selbst gehaltenen Aktien sollen so maximal 180 Millionen Aktien erworben werden.

Noch nicht aus dem Schneider

Obwohl sich die Geschäftslage im dritten Quartal besonders im Vergleich zum Vorquartal sicherlich verbessert hat, dürften sich einzelne Divisionen weiterhin schwertun. So wurden im Bereich Industrieautomation keine grösseren Aufträge angekündigt. Der angeschlagene Öl- und Gassektor und die gestrandete Kreuzfahrtbranche werden wohl hier weiterhin ihre Spuren hinterlassen. 

So gehen die Analysten der ZKB davon aus, dass das dritte Quartal für ABB durchzogen ausfallen wird. Der Umsatz sollte demnach knapp 8 Prozent unter dem Vorjahreswert zu liegen kommen. Und auch für das vierte Quartal wird keine grosse Veränderung erwartet. Gewissheit für das dritte Quartal liefert der Zahlenkranz von diesem Freitag.

Ähnlich sieht es die US-Bank JP Morgan. Diese belässt am Montag die Einstufung für ABB  kurz vor den Drittquartalszahlen auf "Underweight" mit einem Kursziel von 20 Franken und meint: "Ein gutes drittes Quartal und anhaltende Aktienrückkäufe könnten den Kurs bei dem Automationskonzern vorübergehend stützen." Mit Blick auf 2021 sehen die Analysten von JP Morgan jedoch mehr Kursrisiken.

Defensive Haltung wegen Corona

Die von Bloomberg befragten Analysten empfehlen in der relativen Mehrheit ein "Hold"-Rating. Das durchschnittliche Preisziel liegt bei 24,33 Franken, was aktuell einem Aufwärtspotenzial von 0,5 Prozent entspricht. Die eher defensive Haltung ist auch dahingehend zu erklären, dass die ABB-Aktien sehr sensitiv auf das konjunkturelle Umfeld reagieren. Und die wirtschaftliche Erholung läuft vor dem Hintergrund der zunehmenden Corona-Fallzahlen Gefahr, langsamer als zuletzt erwartet auszufallen.

Ein Kauf wagen, oder noch zuwarten? Sollten die drohenden Lockdowns den erwarteten negativen Effekt auf die Wirtschaft und Börsen entfalten, würde sich zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich eine bessere Einstiegsmöglichkeit bei ABB ergeben.

ManuelBoeck
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