Die Aktie der Credit Suisse fällt am Freitag mit über 5 Prozent unter die Marke von 7 Franken, zum ersten Mal seit dem Corona-Börsentiefstand im März 2020. Zuletzt handelt der Titel bei 7,02 Franken.

Andere Bankaktien trifft es noch schwerer. Die UBS fällt fast 7 Prozent auf 14,40 Franken. Der Verlust seit dem 10. Februar beträgt nun gegen 25 Prozent. Die Vermögensverwalter Julius Bär und Vontobel verlieren am Freitag ebenfalls 5 Prozent. 

Hintergrund der Entwicklung: Die USA und ihre europäischen Verbündeten kappen Russlands Verbindung zur Finanzwelt als Reaktion auf den Angriff von Wladimir Putin. Für Geldhäuser mit Engagements in Russland bedeutet das steigende Kreditvorsorge, Abschreibungen und womöglich einen kompletten Rückzug.

Doch auch die Institute ohne grosses Geschäft in Russland müssen sich wohl verabschieden von der Hoffnung auf höhere Zinsen und den damit einhergehenden steigenden Zinserträgen, da die eskalierende Krise weit über Russland und die Ukraine hinaus wirtschaftlichen Schaden anzurichten droht.

Jedenfalls ist der europäische Bankensektor, der sich an der Börse am besten von der Pandemie erholt hatte, nun wieder zum schlechtesten geworden - eine erstaunliche Kehrtwende, die die Frage aufwirft, ob er das vielzitierte verlorene Jahrzehnt wirklich hinter sich lassen kann.

Bullen-Szenario für europäische Banken abrupt in Luft aufgelöst

“Der Krieg in der Ukraine hat das Bullen-Szenario für europäische Banken abrupt in Luft aufgelöst”, so Mediobanca Securities am Donnerstag in einer Analyse zum Sektor.

Die Sanktionen gegen den Finanzsektor und die Gegenmassnehmen Moskaus betreffen die europäischen Banken am unmittelbarsten, die vor Ort Geschäft betreiben. Die österreichische Raiffeisen Bank International AG, die im Verhältnis zur Gesamtgrösse mit Abstand das größte Engagement hat, hatte bereits vor der Invasion zusätzliche Rücklagen für die Krise gebildet. Am Dienstag setzte sie den außergewöhnlichen Schritt, ihre Dividendenzahlung auszusetzen, um ihr Kapitalpolster zu stärken.

Auch ein Rückzug aus Russland ist für manche eine Option. Die grösste italienische Bank Intesa Sanpaolo sagte am Donnerstag, dass sie ihr Russlandgeschäft  “strategisch überprüfe.” Zwei weitere Banken stellen intern die Frage, ob eine Präsenz in Russland nach dem Krieg noch sinnvoll sei, berichten mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die Deutsche Bank, die ihr eigentliches Russlandgeschäft bereits vor Jahren zurückgefahren hat, prüft Optionen für ihren IT-Hub in Moskau und St. Petersburg.

“Ein Ausstieg aus Russland könnte für Intesa und andere dort tätige westeuropäische Banken notwendig werden, um nicht stigmatisiert zu werden”, meint Stefano Girola, ein Portfoliomanager bei Alicanto Capital SGR.

Institute wie die Credit Agricole, Societe Generale und ING Groep haben damit begonnen, ihr Risiko zu verringern und Russlandgeschäfte auf Eis zu legen. Die SocGen, eine der grossen Banken, die vor Ort aktiv sind, brachte am Donnerstag sogar das Schreckgespenst einer Verstaatlichung ins Spiel, als sie ein Worst-Case-Szenario skizzierte, in dem ihre russische Tochter Rosbank enteignet würde, was die Kapitalpuffer um etwa 50 Basispunkte schwächen würde.

Mehr als ein Dutzend grosser Banken betreiben signifikantes Geschäft in Russland

Die Europäische Zentralbank hatte bereits vor der Invasion die von ihr beaufsichtigten Institute zu ihren Geschäften in Russland und der Ukraine befragt, berichten mit der Angelegenheit vertraute Personen. Als die Krise eskalierte, forderte die EZB die am stärksten exponierten Banken auf, ihre Pläne für verschiedene Szenarien bis hin zu Krieg zu erläutern, hieß es. Aktuell bittet sie eine grössere Gruppe, die potenziellen Auswirkungen zu bewerten, einschließlich der Rückstellungen für Kreditausfälle.

Mehr als ein Dutzend grosser Banken aus dem Euroraum betreiben laut ihren Geschäftsberichten ein signifikantes Geschäft in Russland. Mindestens zwei von ihnen, die die Auswirkungen der Sanktionen noch nicht detailliert erläutert haben, stellen sich auf höhere Rückstellungen und Abschreibungen im ersten Quartal ein, wenn der Krieg nicht bald endet, heißt es.

Potenzielle Auslöser für Abschreibungen sind unter anderem die Auswirkungen des abrutschenden Rubel und Sanktionen, die das Russlandgeschäft beeinträchtigen. Rückstellungen würden hauptsächlich das Risiko des Kreditausfalls und Finanzierungsvereinbarungen für im Land tätige Unternehmen abdecken.

Die “Beinahe-Gewissheit”, dass der Krieg die Erträge der Banken gefährdet und zu höheren Kreditrückstellungen führt, erschwert es den Anlegern, europäische Banken zu bewerten, so die Analysten von Bloomberg Intelligence, Jonathan Tyce und Tomasz Noetzel. “Die sprichwörtliche Empfehlung zu der Frage, ob man ein fallendes Messer fangen sollte, trifft hier eindeutig zu.”

(Bloomberg/cash)