Der Absturz ist schon ziemlich atemberaubend: Die Aktie von Dormakaba hat in den letzten 18 Handelstagen rund 23 Prozent an Wert verloren. Sie ist in diesem Zeitraum die sechstschlechteste Aktie im Swiss Performance Index. Mit einem (weiteren) Verlust von über 6 Prozent am Montag ist die Aktie mit 353 Franken auf den Stand von Anfang September 2013 gefallen.

Der Abwärtsdruck besteht seit Ende November 2021. Damals wurde bei Investoren viel Vertrauen verspielt, als Sabrina Soussan nach nur acht Monaten ihren Job als CEO des Schliesstechnik-Konzerns aus Rümlang ZH quittierte. Der Aktienkurs rauschte an diesem Tag 14 Prozent in die Tiefe. Soussan sei mit der kurzen Leine von Riet Cadonau nicht zurechtgekommen, kolportierte die "Bilanz" damals Stimmen aus Soussans Umfeld. Cadonau war in seiner Doppelrolle als CEO und VR-Präsident jahrelang die unangefochtene Leaderfigur im Konzern. Dormakaba entstand 2015 im Zuge einer Fusion zwischen Kaba und der deutschen Dorma.

Das Misstrauen, das dem neuen CEO Jim-Heng Lee Ende November 2021 von Börsenseite entgegenschlug, muss im Nachhinein als nachvollziehbar beurteilt werden. Es war erst der Anfang der Misere. Seit dem Abtritt von Soussan hat sich der Aktienkurs von Dormakaba insgesamt halbiert. Die grössten Leidtragenden sind die Hauptaktionäre, die Familie Mankel Industriebeteiligungs GmbH mit fast 11 Prozent, sowie die grössten Institutionellen Investoren Credit Suisse, Invesco, Vanguard und Blackrock. Sie halten zwischen 2 und 4 Prozent.

Einen neuen Dämpfer erhielten die Investoren und Investorinnen des Schliesstechnikkonzerns letzte Woche nach der Bekanntgabe der Jahreszahlen 2021/22. Die Ergebnisse an sich waren zwar wenig überraschend, da Dormakaba erste Zahlen bereits im Juli bekanntgegeben hatte. Die Anleger störten sich aber an der gekürzten Dividende. Laut dem zuständigen Analysten von Stifel entspreche diese zwar immer noch der Ausschüttungsstrategie von Dormakaba, zeige aber "wenig Vertrauen". 

Für enttäuschend hielt er zudem das EBITDA-Margen-Ziel für das erste Halbjahr von 13 Prozent. Experten sehen deshalb eine Erreichung der Mittelfristziele als unrealistisch an. Bis 2023/24 will das Unternehmen eine EBITDA-Marge von 16-18 Prozent dennoch erreichen. "Wir stehen unter normalen Markbedingungen zu unseren Mittelfristzielen", sagte CEO Jim-Heng Lee letzte Woche. Das letzte Geschäftsjahr sei von Herausforderungen geprägt gewesen wie unter anderem die beschleunigte Inflation und höhere Arbeitskosten. Es hätten auch nicht alle Bestellungen ausgeliefert werden können, da Komponenten wie Chips fehlen.

Société Générale senkte das Kursziel für Dormakaba in der Folge auf 385 von zuvor 540 Franken. Die Einstufung lautet weiterhin "Sell". Die derzeit geringe Visibilität sorge bei den Anlegern für Unsicherheit im Hinblick auf die mittelfristigen Margen-Ziele, so die französische Bank. Das Unternehmen befinde sich weiterhin in einer Übergangsphase und sei gegen die makroökonomischen Herausforderungen nicht immun.

Uneinheitliche Akquisitions-Geschichte

Die Bank Vontobel senkte das Kursziel ebenfalls, nämlich auf 410 von zuvor 500 Franken. Die Einstufung lautet weiterhin "Hold". Die Anpassung basiere insbesondere auf seinen niedrigeren Schätzungen und der höheren Verschuldung, schrieb Analyst Bernd Pomrehn Ende letzter Woche.

Sein Urteil ist happig: Schwierige Zeiten stünden dem Schliesstechnikkonzern bevor. Denn steigende Zinsen und ein rückläufiges BIP-Wachstum werde auch für die gewerbliche Bauwirtschaft zu einem schwierigen Umfeld führen. Nach mehreren Wechseln in Management und Verwaltungsrat von Dormakaba, einer uneinheitlichen Akquisitions-Geschichte, zwei Dividendenkürzungen innerhalb von drei Jahren sowie dem Hinweis auf weitere "ausserordentliche" Kosten falle es ihm nach wie vor schwer, Vertrauen in die Fähigkeit des Unternehmens zu gewinnen, Shareholder Value zu generieren, so Pomrehn.

(mit Material von AWP)