Der Markt preist gute Nachrichten zu stark ein: Dies sagt Marko Kolanovic, Stratege bei JPMorgan. 2022 hatte er trotz sinkender Kurse noch lange Optimismus für Aktien verbreitet. Erst gegen Jahresende wurde er langsam defensiver. 

Im Modell-Portfolio von JPMorgan sind Unternehmensobligationen von "underweight" in Richtung "overweight" gestuft worden. Damit folgt die US-Bank einem derzeit breiten Trend, der zurück zu festverzinslichen Papieren führt. Bei Aktien empfiehlt Kolanovic mehr denn je, systemische Risiken im Portfolio (Beta) zu reduzieren. Die Kursanstiege im laufenden Jahr böten dafür eine gute Gelegenheit. Wenn Aktien, sollten Anlegerinnen und Anleger ausserhalb der USA schauen: "Wie glauben, dass internationale Aktien - China, Schwellenländer, Japan und Europa - das bessere Risiko-Ertragsprofil aufweisen als US-Aktien." 

Aktien handelten inzwischen wieder nahe an den hohen Ständen vom vergangenen Sommer und dies bei überdurchschnittlichen Bewertungen, so Kolanovic. Dabei würde sich die Gewinnsituation der Unternehmen aber verschlechtern. Kolanovic weist auch drauf hin, dass die Renditen für Anleihen wieder gestiegen seien. Vor diesem Hintergrund seien die Märkte "selbstzufrieden bezüglich Risiken", so der Stratege.

Das Potential für Aktien ist aus Kolanovics Sicht schlicht und einfach limitiert. Es werde letztlich eine Rezession "notwendig werden", um die Inflation auf das 2-Prozent-Ziel der Notenbank hinunterzubringen. Dies ist nach der Einschätzung des Marktstrategen in den Kursen nicht ausreichend enthalten.

Kolanovics Einschätzung zum Aktienmarkt hat sich jener von einem ebenso bekannten Protagonisten an der Wall Street angenähert, Mike Wilson. Der Stratege von Morgan Stanley schrieb diese Woche, die Märkte seien sich bezüglich eines Endes der Zinserhöhungen in den USA zu sicher. Auch Wilson wies darauf hin, dass die Anleihenzinsen wieder gestiegen seien, was vor allem am kurzen Ende ein Risiko für den Aktienmarkt darstelle (cash.ch berichtete). Der Unterschied zwischen Kolanovic und Wilson ist, dass letzterer das ganze Jahr 2022 schon sehr skeptisch gegenüber Aktien auftrat. 

Im vergangenen Jahr lag Kolanovic mit den meisten seiner optimistischen Prognosen falsch. Sein Aktienexposure stutzte er erst im Dezember angesichts sich abschwächender Wirtschaftsaussichten zurück. Im Januar nahm JPMorgan die Aktienempfehlungen um eine weitere Stufe zurück. Vergangene Woche hielt Kolanovic fest, der disinflationäre Prozess in den USA könnte nur "vorübergehend" sein. Der Markt heftete nach der Leitzinserhöhung am 1. Februar gewisse Hoffnungen an eine Aussage von Federal-Reserve-Chairman Jerome Powell, in der er erstmalig das Wort "Disinflation" verwendete. Gedeutet wurde dies, dass die Fed sich auf dem Weg einer effektiven Inflationsbekämpfung sieht. 

Als richtig erwies sich Kolanovics Empfehlung für China-Aktien im vergangenen Oktober. Er hatte empfohlen, den Rücksetzer an jenem asiatischen Markt zu kaufen. Der Index MSCI China hat seit Anfang Oktober über 20 Prozent zugelegt. Die Öffnung der chinesischen Wirtschaft nach den Corona-Lockdowns dürfte den chinesischen Aktienmarkt respektive stark an China gebundene Bereiche des Marktes weiterhin stützen, wie auch die gegenwärtige Einschätzung von JPMorgan festhält.  

(cash/Bloomberg)