Jeweils Anfang Jahr veranstaltet das US-Anlegermagazin Barron’s, das es seit 1921 gibt, den "Barron’s Roundtable". Unter Investoren hat das Treffen von Finanzmarkt-Experten schon fast Kultstatus. Die Aktientipps und Einschätzungen zum Börsenverlauf des Panels werden weitum beachtet. Dem "Barron’s Roundtable" gehörten einst auch die Schweizer Felix Zulauf und Marc Faber an.

Die schlechte Nachricht vorweg: Bis auf wenige Ausnahmen rechnen die elf Teilnehmer (drei Frauen, acht Männer) des diesjährigen "runden Tisches" mit einem eher enttäuschenden Aktienmarkt 2024. Die Performance-Schätzungen bis Ende Jahr beim S&P 500 reichen von minus 5 Prozent bis plus 12 Prozent.

Zur Erinnerung: Im letzten Jahr stieg der breit gefasste US-Börsenindex 24 Prozent - allerdings laut Barron's-Teilnehmer Henry Ellenbogen, Anlagechef von Durable Capital Partners, mehrheitlich getrieben durch das Thema Künstliche Intelligenz. Grund für die eher gedämpfte Stimmung am diesjährigen "Barron’s Roundtable" ist die hohe Bewertung der Aktien. Als Risiken werden zudem Handelskriege, das Wachstum in China, eine mögliche harte Landung der US-Wirtschaft oder die Politik genannt, insbesondere die aktuellen Konflikte.

"Meine grösste Sorge ist, dass die Demokratie verebbt”; sagt überdies William Priest, Präsident und Co-Anlagechef bei TD Epoch. Er habe keine Ahnung, was dies für die freien Märkte und die Bewertungen bedeute, fest stehe aber: “Autokratien sind am Aufsteigen”

Positive Signale für die Märkte, so sind sich die meisten Teilnehmer einig, sind die nach wie vor anhaltenden Investitionen in die Wirtschaft, neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, ausgabefreudige Konsumenten in den USA oder gesunde Unternehmensbilanzen.

Abby Joseph Cohen rechnet nicht mit einem namhaften Rückgang der Leitzinsen in den USA

Die bekannteste Grösse des Roundtable ist die 71-jährige Abby Joseph Cohen, Professorin an der Columbia Business School in New York und zuvor drei Jahrzehnte Anlagestrategin bei Goldman Sachs. Sie traut dem S&P 500 kaum Wachstum zu in diesem Jahr, nachdem sie mit ihrer Schätzung eines acht-Prozent-Wachstums für den Index zwar keine Punktlandung vollzog, aber in der Tendenz richtig lag. Entgegen des Marktkonsenses rechnet Cohen 2024 nicht mit einem namhaften Rückgang der Leitzinsen in den USA.

Dennoch gibt es den Experten viele Einzeltitel, die 2024 gut abschneiden könnten. Als Aktien-Tipp für 2024 nennt William Priest von Epoch Investment Meta, ehemals Facebook. Die Aktie war 2022 massiv gefallen und ist im letzten Jahr wieder 194 Prozent gestiegen. "Meta hat eines der wertvollsten Werbe-Vertriebssysteme der Welt geschaffen”, sagt er. Die Aktie könnte in zwölf bis 18 Monaten 470 Dollar wert sein (derzeit: 391 Dollar).

Priest von Epoch setzt auch auf das schwedische Unternehmen Evolution, dem globalen Marktführer für Online-Casinospiele. Die Aktien könnten in zwölf bis 18 Monaten 1450 Kronen kosten (heute: 1220). Priest bevorzugt auch die britische Relx, die japanische Keyence und die amerikanische On Semiconductor.

Scott Black von Delphi Management bezeichnet sich als Value Investor. "Es wird immer schwieriger, gute Unternehmen mit einigermassen günstigen Bewertungen zu finden”, klagt er. Seine Favoriten für 2024 sind aber der Rückversicherer Everest Re, die Fintech-Firma Global Payments, der Öl- und Gasproduzent Diamondback Energy und die Aktie von Oshkosh. Die US-Firma stellt Nutzfahrzeuge wie Müllwagen, Betonmischer oder Löschfahrzeuge her. Black rechnet mit einer Umsatzzunahme von rund 5 Prozent in diesem Jahr und streicht vor allem die billige Bewertung der Aktie hervor.

Fortive als Favorit

David Giroux, Leiter Anlagestrategie bei T. Rowe Price, empfiehlt ebenfalls aus Bewertungsgründen die Aktie von Waste Connections. ein führendes Müllabfuhrunternehmen in den USA und Kanada. Giroux lobt die Preissetzungsmacht und die “Akquisitionskompetenz” des Unternehmens mit Sitz im Bundesstaat Texas.

Giroux setzt überdies auf Fortive, ein US-amerikanischer Mischkonzern, dessen Tochterunternehmen mehrheitlich auf den Maschinen- und Messinstrumentebau fokussiert sind. Fortive habe wiederkehrende Einnahmen und weniger Zyklizität als vergleichbare Firmen. "Fortive hat langsamer wachsende Unternehmen verkauft und Softwareunternehmen akquiriert. Die meisten Akquisitionen haben sich gut entwickelt", so Giroux.

Er erwähnt auch die Aktien von Biogen und von RTX als Favoriten. Letzteres Unternehmen produziert Technologie im Bereich der Verteidigung und der Luft- und Raumfahrt.

John W. Rogers von Ariel Capital Management schliesslich wartet mit fünf Aktienempfehlungen für 2024 auf: Adtalem Global Education, Stericycle, Envista, Leslie's und Sphere.

Daniel Hügli
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