Der Online-Versandgigant Amazon stand informierten Kreisen zufolge im Frühjahr kurz davor, hunderte Millionen Dollar in das strauchelnde Joint Venture von Volkswagen und Ford zu investieren, um seine neuen Elektro-Lieferfahrzeuge mit Argos Technologie auszustatten.

Doch die Beteiligten konnten sich dem Vernehmen nach nie auf eine Struktur für die Zusammenarbeit einigen, während bei allen der Glaube an das vollautonome Fahren zusehends verschwand. Die schwächelnde Konjunktur tat das ihre dazu. Am Ende scheiterte Amazons Einstieg und Argos Schicksal war besiegelt.

Amazons Idee war, die Technologie von Argo in Elektrolaster zu stecken, die es von Rivian Automotive Inc. kauft, und eine Testflotte in mehreren US-Städten einzurichten. Ford und Volkswagen hingegen wollten einen dritten Partner gewinnen, um die hohen Kosten für die Entwicklung des autonomen Fahrens zu schultern, berichten Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind. Der damalige VW-Chef Herbert Diess reiste Anfang des Jahres sogar in die USA, um mit Amazon-Mitbegründer Jeff Bezos den Deal zu besprechen.

Amazon und Argo reagierten nicht sofort auf eine Bitte um Stellungnahme. Ford, VW und Rivian lehnten eine Stellungnahme ab.

Der Rückzug von Amazon und das plötzliche Ende von Argo unterstreichen die stockende Entwicklung hin zu selbstfahrenden Autos und Lastwagen. Während Autobauer Milliarden in die Umstellung auf Elektrofahrzeuge investieren, wächst die Skepsis gegenüber der kommerziellen Tragfähigkeit vollständig selbstfahrender Autos. Trotzdem kam Argos abruptes Ende überraschend.

Argos Versprechen

Argo wurde gegründet von Bryan Salesky, einem ehemaligen Mitarbeiter von Googles Waymo-Projekt für selbstfahrende Autos, und von Pete Rander, der die Robo-Taxi-Sparte von Uber gegründet hatte. Der versammelte technische Sachverstand und die tiefen Taschen der Eigentümer machten es zu einem der meistbeachteten Player in dem Bereich.

Ford steckte 2017 1 Milliarde Dollar in Argo, um das Unternehmen in Gang zu bringen. VW folgte mit einer Investition von 2,6 Milliarden Dollar im Jahr 2020. Mit dem Ende von Argo hat Ford das vollautonome Fahren de facto aufgegeben. Der Konzern kam zu der Einsicht, dass die technologischen Durchbrüche, die Robotaxis und fahrerlose Lieferwägen serienreif machen könnten, noch mehr als fünf Jahren auf sich warten lassen würden.

In den Worten von Doug Field, Fords Chief Advanced Technology Officer, ist autonomes Fahren "das schwierigste technische Problem unserer Zeit. Es ist schwieriger, als einen Menschen auf den Mond zu schicken."

Amazon tritt auf den Plan

Dennoch sahen Ford und VW vor einem Jahr noch eine Chance für Argo - wenn das Unternehmen frische Geldgeber anlocken könnte. Das Interesse von Amazon weckte die Hoffnung, dass Argo den dritten grossen Finanzier gefunden haben könnte. Es hätte auch gut gepasst zu Amazons Kauf von 100.000 elektrischen Lieferwagen von Rivian bis zum Ende des Jahrzehnts.

Argo und Amazon begannen ihre Zusammenarbeit mit einem Pilotprojekt in Miami im Jahr 2019. Eine Testflotte von Ford Fusion-Hybriden, die mit dem selbstfahrenden System von Argo ausgestattet waren, fuhr vorher festgelegte Routen von einem Amazon-Lager zu den endgültigen Zielen - Trockenübungen für die sogenannte letzte Meile. Es wurden zwar keine Pakete ausgeliefert, aber Amazon fand dem Vernehmen nach Gefallen an den Testfahrten.

Anfang des Jahres war Argo so optimistisch, dass Amazon einsteigen würde, dass sogar etwa 150 neue Mitarbeiter eingestellt wurden, um die Rivian-Laster auszustatten. Amazon sollte seine Investitionen in Argo kontinuierlich erhöhen, sobald gewisse Meilensteine erreicht wurden, heisst es.

Dealmaker gehen

Doch bis zum Frühjahr hatten sich Ford und VW noch immer nicht auf die Bedingungen für Amazons Einstieg geeinigt. Mit Ford wurde der Onlinehändler letztlich einig, aber VW blieb misstrauisch, dass Amazon - dem der Ruf vorauseilt, in Partnerschaften gerne das Sagen zu haben - Fachleute und Ressourcen an sich ziehen würde. 

Ungefähr zur selben Zeit marschierte Russland in die Ukraine ein und löste damit erneut Unsicherheit aus. Plötzlich schien es keine gute Idee mehr, Milliarden in eine nicht bewährte Technologie zu stecken.

Zu guter Letzt begannen wichtige Treiber des Deals zu verschwinden. Zunächst ging der M&A-Manager von Amazon, der sich für den Deal stark gemacht hatte. Dann kam der grösste Abgang: VW-Chef Herbert Diess, der die Investition in Argo eingefädelt und den Amazon-Deal gefördert hatte, flog in Wolfburg raus. Erst drei Monate zuvor hatte er Twitter-öffentlich mit Bezos über VW-Elektroautos diskutiert.

Nachdem das Amazon-Geschäft geplatzt war, entliess Argo die 150 Mitarbeiter, die es dafür eingestellt hatte. Amazon selbst streicht inzwischen auch 10'000 Stellen.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer blieb, als VW im Herbst in Betracht zog, Ford auszukaufen und Argo ganz zu übernehmen. Doch am Ende investierte Wolfsburg 2,3 Milliarden Dollar in die Gründung eines Joint Ventures für autonomes Fahren mit dem chinesischen Unternehmen Horizon Robotics.

So blieb Argo letztlich niemand mehr, an den es sich wenden konnte.

(Bloomberg)