Nach dem abrupten Chefwechsel bei Nestlé fallen die Aktien kurz nach Börsenstart am Dienstag zeitweise um 3,2 Prozent auf 73,02 Franken. Die Verunsicherung bleibt gross, denn der bis vor Kurzem für seine Stabilität bekannte Konzern kommt nicht zur Ruhe.

«Dies ist nicht die Art von Nestlé, die Dinge zu regeln, zwei Chef-Ablösungen in etwas mehr als einem Jahr zu haben», schreibt Jon Cox, Analyst bei Kepler Cheuvreux. Die plötzliche Entlassung des Konzernchefs habe ihn schockiert, schreibt sein Kollege von der kanadischen Bank RBC. Sein Nachfolger Navratil sei - gemessen an traditionellen Standards von Nestlé - recht jung. Einen Strategiewechsel befürchtet der Experte nicht, aber zunächst etwas Unsicherheit.

Die Experten der US-Grossbank JPMorgan zeigen sich hingegen enttäuscht von einer Fortsetzung der Strategie, die unter Laurent Freixe eingeleitet wurde: «Wir sind enttäuscht, dass der neue CEO derzeit gezwungen ist, die Strategie seines Vorgängers fortzusetzen, obwohl der Markt angesichts der historisch niedrigen Aktienbewertung von Nestlé an deren Erfolg zweifelt», erklärten die JPMorgan-Analysten. Mit dem erneuten Wechsel dürfte die Frage nach der mittelfristigen Ausrichtung des Unternehmens weiter offenbleiben, bis mehr über die Pläne von Navratil bekannt werde.

David Hayes vom US-Analysehaus Jefferies stellt sich derweil die Frage, warum Nestlé erneut einen Chef aus den eigenen Reihen berufen hat, anstatt sich Zeit für eine umfassende Bewertung interner und externer Kandidaten zu nehmen.

Die Bank Vontobel wiederum verweist auf den erst kürzlich durchgeführten strategischen Neustart unter Freixe. Navratil sei ein «Leader der nächsten Generation». Nicht nur durch sein junges Alter, sondern auch durch seine überaus direkte, ambitionierte und ergebnisorientierte Art.

Für die Analysten der Zürcher Kantonalbank führt dieser Personalentscheid entweder zu einer lähmenden Unsicherheit oder zu einer Rückkehr zu den Stärken des Nahrungsmittel-Multi. Navratil ist auf den ersten Blick ein Kompromiss zwischen den beiden Vorgängern Schneider und Freixe, so die Experten: «Schneider stand für frischen Wind, Freixe für die bewährten Rezepte. Philipp Navratil dürfte mehr frischen Wind von innen bringen.»

Bei der Bewältigung der Herausforderungen dürfte es helfen, dass Nespresso erneut zu den Nestlé-Highlights zählt und unter seiner Leitung auf die Siegerstrasse zurückgekehrt ist, so die ZKB-Experten. Für sie sind die Nestlé-Aktien klar unterbewertet.

(cash/AWP)