Beim Initial Coin Offering (ICO) gibt ein Startup Coins beziehungsweise Token heraus, schafft also eine eigene Kryptowährung. Wer diese Token kauft, erwirbt ein so genanntes digitales Wertaufbewahrungsmittel, genannt Zahlungs-Token. Mit offiziellen Zahlungsmitteln von Ländern oder Staatengemeinschaften hat dies nicht viel zu tun. Der Wert und die Handelbarkeit eines solchen Token ist manchmal kaum einschätzbar.

Zahlungs-Token haben daher einen zwiespältigen Ruf. Auch die bekannteste Kryptowährung der Welt ist davon nicht ausgenommen: "Bitcoin wird immer wieder vorgeworfen, dass hinter der Kryptowährung nur ein digitales Protokoll stecke", sagt Daniel Diemers, Partner und Leiter Blockchain für Europa, Afrika und den Nahen Osten beim Beratungsunternehmen PwC Strategy.

Es gibt aber nicht nur Zahlungs-Token. Wenn die Token wertpapier- oder eigenkapitalartige Merkmale haben, handelt es sich um Security oder Equity Token. Erlauben sie den Zugang zu gewissen Dienstleistungen, wird von Utility Token gesprochen. Startups sind aber vermehrt dazu übergegangen, ihre Token vermehrt mit Realwerten wie etwa Rohstoffen oder Immobilien abzusichern.

Die Rede ist dann von "Asset Backed Token", um das Vorhandensein eines zugrundeliegenden Realwerts deutlich zu machen. Sie bilden nach Zahlungs-Token, Security und Equity Token und Utility Token eine vierte Kategorie. Die Regulatoren haben diese Finanzierungsformen ins Visier genommen und sind zumindest in der Schweiz aktiv geworden. Die Finanzaufsichtsbehörde Finma hat in den vergangenen Februar publizierten Guidelines Security, Equity und Asset Backed Tocken als "Anlage-Token" definiert und damit begonnen, diese effektiv zu regulieren.

«Gut sind wir Asset-basiert»

In Sinne von mehr Transparenz und Verlässlichkeit will beispielsweise das Schweizer Startup Cryptectum handeln. Es führt derzeit ein Pre-Crowdfunding durch, also die Vorstufe zu einem Initial Coin Offering, kurz ICO. Investoren, die Ethereum gegen den "Tectum" genannten Token dieses Startups kaufen, erwerben nicht nur eine Kryptowährung, sondern auch Rechte an Immobilien - der "Asset", mit dem die Token abgesichert ist.

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Im Detail plant Cryptectum folgendes: Während des Pre-Crowdfundings und des ICO sollen die Investoren zunächst einen Betrag zusammenbringen, mit dem später Immobilien erworben werden sollen. Beim Kauf dieser Immobilien wird den Investoren ein Stimmrecht bei der Auswahl der Objekte eingeräumt, dessen Gewicht sich nach der Anzahl erworbener Token richtet.

Ein Teil der Token wird für die Administration verwendet, also die Gebühren für eine externe Immobilienverwaltung. Kritik an Kryptowähren, wie sie vergangenen Monat von Grossinvestor Warren Buffett gegenüber Bitcoin geäussert worden ist, weist Cryptectum-Mitbegründer Michael Jedamzik zurück. Er weist in einem Tweet auf die Unterschiede bei den Token hin:

Während das Pre-Crowdfunding maximal eine Millionen Franken einbringen soll, peilen die Jungunternehmer von Cryptectum im ICO, das später während des Sommers anlaufen soll, Einnahmen von bis zu 80 Millionen Franken an. Läuft alles nach Plan, will Cryptectum schon Anfang 2019 monatlich Erträge aus der Immobilienbewirtschaftung ausschütten.

Den Nutzen der Blockchain erklärt Mitbegründer Jedamzik so: "Die Ethereum Blockchain mit Ihren Smart Contracts erlaubt es uns, das eingenommene Geld mit buchstäblich einem Klick an die Tokenhalter zu verteilen. Der Empfänger braucht einen weiteren Klick, um das Geld anzunehmen." Das bedeute weniger Verwaltungsaufwand. Die Smart Contracts, also die Computerprotokolle für die Abwicklung der Investments, und die verwendeten Algorithmen sind für die Investoren einsehbar.

ICO-Welt will erwachsener werden

Asset Backed Token sollen ICO dank Realwerten zum seriösen Investment machen und dank der Blockchain auch die Transparenz deutlich erhöhen. Aber reicht dies für Investoren als Sicherheit? "Zumindest in der Theorie verfügt ein Asset Backed Token über Transparenz", sagt Andreas Dietrich, der an der Hochschule Luzern Finanzwissenschaften lehrt. "Dadurch, dass er mit einem ökonomischen Wert verknüpft ist, strahlt er eine gewisse Stabilität aus." Auch PwC-Partner Diemers sieht die Bemühungen positiv: "Sie weisen auf ein Erwachsenwerden der ganzen ICO-Welt hin: Für Investoren steigt die Sicherheit."

Gewisse Risiken bleiben aber. Zunächst muss klar sein, um was für einen Token es sich handelt. Finanzprofessor Dietrich gibt zu bedenken, dass es am Markt viele hybride Modelle gebe, wo mehrere Arten von Token für ein ICO verwendet würden. Teilweile ist es auch schwierig, ein Investment über deren Asset Backed Token von einer klassischen Crowd- bzw. Schwarmfinanzierung oder gar einem Fonds zu unterscheiden.

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Dietrich weist auch darauf hin, dass die Frage nach dem Nutzen der Blockchain nicht immer beantwortet sei. Dient der Token zu einem Investment in Gold oder gewisse Rohstoffe, sei dies durchaus sinnvoll: "Wenn ich dem Token beispielsweise Diamanten zugrundelege, kann das durchaus dazu dienen, dass ich so genannte Blutdiamanten in der Investitionstätigkeit ausschliessen kann: Die Blockchain sorgt dann für die nötige Transparenz." Allerdings müsse man dabei die Lieferkette von Diamanten auf die Blockchain bringen.

Startups brauchen Experten

Bei Asset Backed Token ist der Gewinn nach oben beschränkt, weil der Wert des Token im Wesentlichen vom Wert des zugrundeliegenden Vermögenswerts abhängig ist. Die Vorstellung, wie bei Bitcoin im vergangenen Jahr in kurzer Zeit einen enormen Gewinnanstieg zu erreichen, ist illusorisch.

Wer ein Investment über Token ins Auge fasst, muss aber vor allem von den Startups genaue Auskünfte verlangen. Das White Paper mit den Geschäftideen des Startups bleibt wichtig, genauso wie die so genannte "Gründerqualität": Wer steckt hinter dem Startup, was für Ideen verbergen sich in den Köpfen, wie realistisch sind die Ziele? Solche Fragen stehen im Vordergrund.

Im Falle des Immobilien-Startups Cryptectum etwa hängt der Erfolg der Geschäftsidee letztlich davon ab, wie rasch die Immobilien erworben werden und wie effizient diese bewirtschaftet werden können. Neben der Verwaltung der Investments über die Blockchain, die in diesem Falle eine wirkliche Neuerung darstellt, müssen sich potentielle Investoren auch intensiv mit der Qualität und den Voraussetzungen bei den Realwerten auseinandersetzen.

"Startups werden nicht mehr darum herum kommen, Experten zu beschäftigen: Ist der Realwert hinter dem Token ein Rohstoff, muss idealerweise jemand dort tätig sein, der sich im Rohstoffhandel auskennt", sagt PwC-Partner Diemers. Gleiches gelte bei Immobilien und anderen Anlageklassen. Insgesamt gibt eine Finanzierungsform wie der Asset Backed Token der digitalisierten Finanzierung aber in der Tat mehr Glaubwürdigkeit. Vor allem in der englischsprachigen Welt gibt es Stimmen, die den Asset Backed Token bald als "Mainstream" in der Welt der ICO sehen.