Die Finma werde einen Untersuchungsbeauftragten bei der Grossbank einsetzen und Hinweise auf Mängel im Risikomanagement unter die Lupe nehmen, teilte die Finma am Donnerstag mit. Gegen die zweitgrösste Bank der Schweiz führt die Finma damit nun mindestens drei solche sogenannten Enforcementverfahren - mehr als gegen jedes andere Institut. Experten sehen ein Änderung der Firmenkultur als eine der vordringlichsten Aufgaben für Antonio Horta-Osorio, der am 1. Mai Verwaltungsratspräsident werden soll.

Er werde zusammen mit dem gegenwärtigen Lloyds-Chef Horta-Osorio, dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung alles auf den Prüfstand stellen, sagte Konzernchef Thomas Gottstein. "Das müssen wir tun, nach allem, was im ersten Quartal passiert ist. Aber gleichzeitig bin ich der festen Überzeugung, dass die Gesamtstrategie der Credit Suisse solide ist."

Ohne Archegos Ergebnis vervielfacht

Als Beleg führte Gottstein die Entwicklung des Geschäfts im ersten Quartal an. Zwar fuhr die Bank einen Verlust von 252 Millionen Franken ein. Das war aber vor allem auf den Schaden von bisher 4,4 Milliarden Franken zurückzuführen, den der Zusammenbruch von Archegos bei den Zürchern hinterlassen hatte - viel mehr als bei jeden anderen der sieben beteiligten Banken.

Ohne Archegos hätte Credit Suisse dank florierender Geschäfte der Investmentbank ihr Ergebnis vervielfacht. Der Börsenboom und billionenschwere Konjunkturhilfen der US-Regierung bescherten zuvor bereits den US-Grossbanken glänzende Ergebnisse. Auch die Deutsche Bank dürfte von dem Boom an den Kapitalmärkten profitiert haben, sie ist gross vertreten im Geschäft mit festverzinslichen Anleihen. Die Frankfurter legen am 28. April ihre Ergebnisse des ersten Quartals vor.

Gottstein will Kapitaldebatte vom Tisch haben

Noch ist das Archegos-Debakel nicht ausgestanden: Im zweiten Quartal dürfte der Rückzug die Credit Suisse weitere rund 600 Millionen Franken kosten. Um Zweifel an seiner finanziellen Stabilität zu zerstreuen, nimmt das Institut über Pflichtwandelanleihen 1,8 Milliarden Franken an frischen Mitteln auf.

"Wir wollen in erster Linie die Kapitaldebatte vom Tisch bringen und sicherstellen, dass dies kein Thema mehr ist, weder intern noch extern mit Kunden oder Aufsichtsbehörden", sagte Gottstein. Zudem wolle die Bank genügend Kapital haben, um einen möglichen Markteinbruch meistern und das Wachstum im Vermögensverwaltungeschäft finanzieren zu können.

Für die Anleger steht derzeit aber die Verwässerung durch die Kapitalerhöhung im Vordergrund - es ist die dritte in den vergangenen sechs Jahren. Entsprechend sackten die Credit-Suisse-Aktien um 6,9 Prozent ab. Im bisherigen Jahresverlauf haben die Titel über ein Fünftel an Wert verloren und damit schlechter abgeschnitten als andere Grossbanken.

Hedgefonds-Geschäft wird eingedampft

Neben Archegos hat die Credit Suisse zuletzt noch ein weiteres Fiasko erlebt: Die Insolvenz des Partners Greensill und die Notabwicklung von vier gemeinsam betriebenen Fonds. Der Fall hat viele negative Schlagzeilen verursacht, aber bisher keine hohen Belastungen verursacht. Das könnte sich ändern, denn die Affäre hat viele unzufriedene Grosskunden hinterlassen. Die Analysten von JP Morgan veranschlagen die möglichen Rechtskosten auf zwei Milliarden Dollar.

Bereits im März hatte die Finma wegen Greensill ein formelles Verfahren gegen Credit Suisse eingeleitet. Nun knöpft sich die Behörde die Bank auch wegen Archegos vor. Wegen der beiden Fälle habe sie in den vergangenen Wochen eine Reihe von Sofortmassnahmen angeordnet, erklärte die Aufsicht. Diese umfassten organisatorische Veränderungen, risikoreduzierende Massnahmen und Kapitalzuschläge sowie Kürzungen von Bonus-Zahlungen.

Drittes Verfahren

Enforcement-Verfahren dauerten üblicherweise mehrere Monate, erklärten die Aufseher. Die Finma tausche sich auch mit Behörden in Grossbritannien und in den USA aus. Als Konsequenz aus solchen Verfahren können die Aufseher gewisse Tätigkeiten verbieten und im Extremfall Bewilligungen entziehen. Gegen Credit Suisse läuft mindestens ein drittes Enforcement-Verfahren: Im Zusammenhang mit der Überwachungs-Affäre, über die der vorige Konzernchef Tidjane Thiam stolperte.

Dazu kommt eine ganze Reihe von weiteren Fehlschlägen und Rechtsfällen in verschiedenen Teilen der Bank, die das Institut in den vergangenen Jahren Milliarden gekostet haben. Mit der Absetzung von mehreren Managern und dem Eindampfen des Hedgefonds-Geschäfts um mindestens ein Drittel nahm Gottstein erste Weichenstellungen vor. Horta-Osorio wird nun zeigen müssen, ob er die Bank mit dem verbleibenden Spitzenpersonal und der bestehenden Strategie in ruhigere Fahrwasser steuern kann.

(Reuters)