Nach einem Wochenende "intensivster Sitzungen" kam er mit dem Aufsichtsgremium der Credit Suisse überein, dass ein Rücktritt im besten Interesse der Bank und ihm selbst sei, wie es sein Nachfolger Axel Lehmann formulierte. Vordergründig kosteten ihn zwei Covid-Quarantäne-Verstösse in der Bank und ausserhalb so viel Vertrauen, dass seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt war.

Gespräche mit einer Reihe von Insidern zeigen aber, dass Horta-Osorio noch andere offene Flanken hatte. So legte die interne Untersuchung seines Verhaltens in der Corona-Pandemie weitere Details offen, die ihn angreifbar machten. Gleichzeitig war das Verhältnis des Präsidenten zu Spitzenmanagern der Bank Insidern zufolge zerrüttet - und die Quarantäne-Verstösse gaben den bankinternen Kritikern Argumente an die Hand.

Mit dem Besuch des Tennisfinales in Wimbledon verstiess Horta-Osorio drei mit der Angelegenheit vertrauten Personen zufolge gegen britische Quarantänevorschriften, wie Reuters im Dezember als erstes berichtet hatte. Einem der Insider nach verteidigte sich der Portugiese mit der Aussage, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er in Grossbritannien keine Quarantäne-Ausnahmegenehmigung erhalten habe, die sein Büro zuvor beantragt hatte. Horta-Osorio habe die Schuld seinen Mitarbeitern gegeben, die ihn nicht informiert hätten.

Er habe ausserdem über eine Handvoll Wimbledon-Tickets verfügt und Kunden der Bank zum Turnier einladen wollen. Als diese wegen der Pandemie ausfielen, habe er zwei seiner Kinder mit zum Turnier genommen. Credit Suisse lehnte eine Stellungnahme zu den Angaben ab. Sein Sprecher erklärte, Horta-Osorio spreche nicht mit den Medien.

"Regelrechter Krieg"

Die interne Untersuchung seiner Quarantäne-Verstösse - neben dem Besuch des Wimbledon-Finales im Juli eine zu frühe Ausreise aus der Schweiz im Dezember - umfasste zwei Insidern zufolge auch seine Flüge mit Firmenjets. So habe er beispielsweise im vergangenen Jahr einen Piloten angewiesen, ihn bei seiner Rückkehr von einer Geschäftsreise in Asien auf den Malediven abzusetzen. Neben der Rechtsabteilung der Bank waren auch zwei Anwaltskanzleien an der Untersuchung beteiligt, die die Bank nicht veröffentlicht hat.

Die Quarantäne-Verstösse fanden vor dem Hintergrund einer wachsenden Feindseligkeit zwischen dem Präsidenten und mehreren Top-Managern der Bank statt, die der ehemalige Lloyds-Chef eigentlich reformieren und in ruhigeres Fahrwasser bringen sollte. Mehrere Top-Manager lehnten seine Strategie für einen Konzernumbau und seinen Kommunikationsstil ab, wie Insider berichten. Horta-Osorio vermutete, dass Details seiner Verfehlungen von Personen aus dieser Gruppe durchsickert waren, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person und sprach von "Antipathie" ihm gegenüber.

Ein weiterer Insider sprach von einem regelrechten Krieg: "Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass zwischen Antonio und mehreren Schlüsselmitgliedern der Geschäftsleitung eine tiefe Kluft besteht." Lehmann bestritt dagegen, dass es starke Spannungen zwischen dem Präsidenten und Managern gegeben habe. "Ich glaube, es ist eine konstruktive Zusammenarbeit gewesen", sagte er zu Reuters. "Es ist klar, wenn man sich in einer strategischen Neuorientierung befindet, dann gibt es Diskussionen und das ist auch richtig so."

Führungskräfte jeweils detailliert befragt

Einer der Insider erzählte, Horta-Osorio habe im Gegensatz zu seinem Vorgänger Urs Rohner die Führungskräfte jeweils detailliert befragt und seine Ansichten unverblümt zum Ausdruck gebracht. So habe er bei Gesprächen über das zweite Quartal 2021 beharrlich gezielte Fragen zum Vermögensverwaltungsgeschäft und zu den Wachstumsprognosen gestellt und Einsicht in die Daten verlangt, auf denen die Prognosen beruhten, so der Insider. "Es gab ziemlich viele rote Gesichter." Viele leitende Angestellte seien unzufrieden mit Horta-Osorios Versuchen gewesen, dem Verwaltungsrat mehr Macht zu verleihen - auf Kosten von Führungskräften wie Konzernchef Thomas Gottstein.

Die Quarantäne-Vorfälle machten es für den Verwaltungsratspräsidenten schwer, sich in einem Tauziehen mit den Führungskräften der Bank durchzusetzen. Zudem schlug dem portugiesischen Banker auch in der Schweizer Öffentlichkeit breite Kritik entgegen. Horta-Osorio sei von der Feindseligkeit, der er in dem Land begegnete, überrascht gewesen.

David Herro, Anlagechef des Grossaktionärs Harris Associates, hatte Horta-Osorio nach Bekanntwerden der Quarantäneverstösse den Rücken gestärkt und seine Rolle bei der Sanierung der Bank als einen wichtigen Grund dafür bezeichnet, bei Credit Suisse investiert zu bleiben. Es gebe eine orchestrierte Kampagne gegen ihn, wie Herro vor dem Rücktritt Horta-Osorios zu Reuters sagte.

(Reuters)