Der weltgrösste Nahrungsmittel-Hersteller Nestlé veröffentlicht am Donnerstag, 16. Februar, die Resultate zum Geschäftsjahr 2022.

Nestlé dürfte nach Einschätzung von Analysten im Jahr 2022 die eigenen Ziele eines organischen Wachstums von 8 bis 8,5 Prozent erreicht haben. Nach drei Geschäftsquartalen lag der Wert bei 8,5 Prozent. Es wird dabei davon ausgegangen, dass vor allem die Preisveränderungen und weniger die Volumenveränderungen der entscheidende Faktor dabei waren. So hatte Nestlé die Preise in der Periode von Januar bis September 2022 im Durchschnitt um 7,5 Prozent erhöht. Allein im dritten Quartal lag das sogenannte Pricing bei 9,5 Prozent.

Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem auch die Preiselastizität der Nachfrage respektive die Frage, wie stark sich die höheren Preise auf die Verkaufsvolumen (gemessen am Real Organic Growth RIG) ausgewirkt haben. Die Finanzgemeinschaft geht davon aus, dass Nestlé im Gesamtjahr trotz höherer Preise ein positives Volumenwachstum gelungen ist. Dies, nachdem das RIG im dritten Quartal trotz der hohen Preissetzungsmacht von Nestlé erstmals seit Jahren in den negativen Bereich gerutscht war und auch im vierten Quartal eine negative Entwicklung erwartet wird. In diesem Zusammenhang wird auf die relativ tiefe Preiselastizität in den Industrieländern beim Konkurrenten Mondelez hingewiesen.

Die Aktien von Nestlé sind im laufenden Jahr bislang um gut 4 Prozent gestiegen (Stand Dienstagnachmittag). Im Vergleich mit anderen Lebensmittelherstellern wie Coca Cola, Danone oder Mondelez ist das Unternehmen damit gut unterwegs. Nestlé hat Anfang 2022 ein neues Aktienrückkaufprogramm lanciert, bei dem bis spätestens Ende 2024 Aktien im Umfang von bis zu 20 Milliarden Franken zurückgekauft werden sollen. Stand Anfang Februar wurden über das Programm bereits Aktien im Umfang von 11 Milliarden Franken zurückgekauft.

Hohe Kosten belasten Profitabiliät

Auf die verschiedenen Segmente bezogen rechnen die Experten für die zweite Jahreshälfte mit einem starken Wachstum bei Tierfutter, Wasser und Süsswaren. Auch bei der Babynahrung dürfte sich die Erholung im wichtigen chinesischen Markt fortgesetzt haben. Eine Verlangsamung sehen die Finanzexperten allerdings für die Bereiche Nestlé Health Science (NHSc) und Kaffee.

Die hohen Inputkosten - laut Vontobel betrugen die Preiserhöhungen in den letzten beiden Jahren über 2,5 Milliarden Franken - dürften im abgelaufenen Jahr die Profitabilität von Nestlé belastet haben. Analysten rechnen im Schnitt mit einer bereinigten EBIT-Marge von unter 17 Prozent (2021: 17,4 Prozent), gehen allerdings davon aus, dass die Konzernverantwortlichen für das laufende Jahr wieder eine höhere Marge in Aussicht stellen werden.

Ein besonderes Interesse gilt bei der Präsentation der Jahreszahlen ohnehin dem Ausblick auf 2023. Die meisten Analysten gehen von einem recht positiven Blick in die Zukunft aus. Das Unternehmen werde wohl wieder von einem organischen Wachstum im mittleren einstelligen Bereich ausgehen - sprich 4 bis 6 Prozent - und damit analog zu den vor der Pandemie jeweils erwarteten Werten. Auch dieses Jahr dürfte das Wachstum nach Einschätzung der Experten noch sehr stark preisgetrieben sein, vor allem im ersten Semester, wobei man Nestlé wiederum eine hohe Preissetzungsmacht zutraut.

Der Analyst der ZKB erachtet zudem für 2023 einen EBIT-Margenanstieg "für sehr realistisch", da sich die zeitliche Verzögerung von Kostenanstieg zu Preiserhöhungen reduzieren sollte und Nestlé zudem auch bereits weitere Portfolio-Massnahmen eingeleitet habe.

Unternehmen wandelt sich

Die Konzernleitung stellte für das Gesamtjahr ein organisches Wachstum von 8 bis 8,5 Prozent in Aussicht und eine EBIT-Marge von 17 Prozent. Sollte das gelingen, hätte sich die Marge im zweiten Semester verbessern müssen, denn im ersten Halbjahr lag sie noch bei 16,9 Prozent. Bis 2025 soll die Betriebsgewinn-Marge dann jedoch wieder auf 17,5 bis 18,5 Prozent ansteigen. Damit wäre der Konzern wieder zurück auf dem vor der Pandemie eingeschlagenen Pfad. Denn vor der Pandemie lautete die mittelfristige Margenerwartung bis 2020 ebenfalls auf 17,5 bis 18,5 Prozent.

Nestlé ist bekanntlich unter seinem CEO Mark Schneider dabei, einen Wandel zu vollziehen. Das Unternehmen soll vermehrt wegkommen von ungesunden Süssigkeiten und billigem Petflaschenwasser und stattdessen mehr gesunde und gesundheitsfördernde Produkte, Vitamine, pflanzliche Fleischalternativen oder sogenanntes Premium-Wasser verkaufen. Auch die Bereiche Tierfutter und Kaffee wurden zu den Wachstumsbereichen auserkoren. Laut ZKB ist der Portfolio-Umbau auf einem guten Weg. Aktuell bestünden 63 Prozent des Umsatzes aus den Bereichen Heimtiernahrung, Kaffee und Nutrition.

Bereinigungen im Portfolio

Nestlé hat im Rahmen dieser Neuausrichtung in den vergangenen Monaten wieder einige Bereinigungen in seinem Firmenportfolio vorgenommen. So verkaufte das Unternehmen etwa im dritten Quartal ein Joint-Venture für Milchprodukte an den französischen Lactalis-Konzern und eine Marke für Säuglingsnahrung in den USA an den irischen Pharmakonzern Perrigo. Zudem schloss das Unternehmen den Verkauf der französischen Kartoffelstockmarke Mousline an einen Investmentfonds ab. Gleichzeitig übernahm der Konzern aber auch Firmen, die nach Einschätzung des Managements gut ins Portfolio passen, wie etwa eine Tierfutterfabrik und eine Kaffeemarke in den USA.

Nestlé geriet jüngst erneut wegen eines alten Mobbing-Falls in die Schlagzeilen. Die Firma war schon 2011 von einer ehemaligen Kaderfrau verklagt worden, die dem Konzern Mobbing vorwarf. Nach einem jahrelangen Hin und Her zieht Nestlé das letzte Urteil nun aber nicht mehr weiter. Damit wolle man "einen endgültigen Schlussstrich" unter die Angelegenheit setzen, hiess es. Medienrecherchen zu dem Fall ergaben später, dass Nestlé der ehemaligen Mitarbeiterin 2 Millionen Franken Lohnausfall und Schadenersatz, einen symbolischen Franken Genugtuung und rund 100'000 Franken für Gerichts- und Anwaltskostenzahlen bezahlen muss.

Zudem gab es in Frankreich erneut zwei Klagen wegen des Falls von E.coli-verseuchten Pizzas von Buitoni. Nach dem Verzehr von Pizzen aus einer Fabrik in Frankreich waren im März letzten Jahres zwei Kinder an Nierenversagen gestorben, dutzende Menschen wurden schwer vergiftet. Der Konzern musste die Fabrik daraufhin schliessen. Ende Jahr wurde sie teilweise wiedereröffnet. Zuvor hatten bereits 55 Personen gemeinsam auf insgesamt 250 Millionen Euro Schadenersatz geklagt.

(AWP/cash)