Die Welt ist im Zweifel. Die Dinge können sich auf zwei Seiten entwickeln. Die Coronapandemie kann sich sehr leicht bis in zwei Monaten nochmals extrem verschärfen. Oder aber, dank einer "milderen" Omikron-Variante (man weiss es noch nicht genau), eher entspannen. JPMorgan beispielsweise sprach vergangene Woche von dieser Möglichkeit.

Auch zu den altbekannten Themen Fed-Geldpolitik und Inflation gibt es immer noch zwei Einschätzungen, eine für den Aktienmarkt positive – und eine andere. Im Dezember 2021 also geht es um die redensartliche Frage nach dem halb vollen und halb leeren Glas.

Wer an das halb volle Glas glaubt, macht sich eine Watchlist für Aktien. Diese enthält Titel, die im Moment in einem Schwebezustand sind, aber bei gewissen Triggern – sei dies der Verlauf der Pandemie, die grossen Faktoren des Marktes oder firmenspezifische Aspekte – wieder Fahrt aufnehmen können. Fünf Vorschläge.

Airbnb

Die Aktie der Reisewohnungs-Plattform Airbnb ist seit dem Börsengang vor ziemlich genau einem Jahr von den Corona-Problemen hin- und hergeprügelt worden. Vom Ausgabepreis bei 68 Dollar stieg der Kurs bis Februar 2021 auf knapp 220 Dollar. Danach wurde es volatil, und die Omikron-Panik liess den Kurs nun in wenigen Handelstagen von auf ein Zwei-Monats-Tief bei 166 Dollar fallen.

Die Drittquartalszahlen des Unternehmens waren aber gut und Airbnb war profitabel, nachdem die Umsätze im Gegensatz zu früheren Quartalen schneller anstiegen als die Ausgaben. Die Reise-Unterkunft-Art von Airbnb wird trotz Reisebeschränkungen für Reisende und Wohnungsanbieter – Hosts – populär bleiben. Geimpfte weltweit werden Lockdown-artigen Alltagsumständen entfliehen wollen, auch wenn es dafür mehr Tests und Dokumente braucht.

Die Airbnb-Aktie seit dem Börsengang (alle Charts: cash.ch).

Von einer nicht ganz so düsteren Corona-Perspektive würden Reise-Aktien wie Fluggesellschaften, Hotelketten, Flughäfen oder Duty-Free-Betreiber allgemein profitieren. Innerhalb von etwa zwei Wochen dürfte klarer werden, wie sich die Omikron-Variante weltweit auswirken wird.

DocuSign

Tech-Aktien haben zwar unter der jüngsten Corona-bedingten Verkaufswelle gelitten. Bei DocuSign allerdings spielen die Firmenzahlen eine zentrale Rolle, wenn es den 40-Prozent-Kursturz von vergangener Woche zu erklären gibt.

 

 

Nutzerzahlen, Resultate und Prognose des führenden Anbieters elektronischer Unterschriften für digitale Verträge verfehlten die Erwartungen. Ein lapidarer Kommentar in den Sozialen Medien lautete sinngemäss: Kunden kehren DocuSign den Rücken, weil sie gemerkt haben, dass sie mit dem Faxgerät einfacher arbeiten.

Ganz so simpel ist es nicht. Der Ausverkauf bei der Aktie ist aus Sicht vieler am Markt ein Überreaktion. Zudem dürfte DocuSign im Gegensatz zu anderen Tech-Titeln jetzt nicht mehr überbewertet sein. Befürworter der DocuSign-Aktie merken an, dass die Digitalisierung auch bei Vertragsabschlüssen weitergehen werde. Und: Eine Aktie auf die Watchlist zu setzen, heisst ja nicht, sie gleich zu kaufen. Beobachten aber lohnt sich.

Die DocuSign-Aktie seit dem Börsengang 2018.

Lonza

Obwohl Lonza mRNA-Corona-Impfstoffe für Moderna herstellt, ist es seit dem Bekanntwerden der Omikron-Variante nicht zu einem Kursschub gekommen. Klar, die Pandemie-Aussichten sind auch für die Impfstoff-Industrie noch nebulös. Was bei Lonza und dem Kurs der Aktie aber manchmal in den Hintergrund tritt, sind Investorensorgen wegen der Profitabilität.

CDMO – Entwicklung und Herstellung von Pharmazeutika im Auftrag – ist ein kapitalintensives Geschäft. Dies hat Auswirkungen auf die Kapitalrendite und den freien Cashflow, der bei vielen Investoren als eine der zentralen Kennzahlen gilt. Bei Lonza geht man zwar langfristig davon aus, dass sich die Investitionen auszahlen werden. Kurzfristig dürften die Kosten aber die Resultate belasten. Die Frage ist, wie stark.

Die Valora-Aktie in den vergangenen zwölf Monaten.

Etwas weniger ein Problem hat Lonza mit Klumpenrisiken in der Form grosser Kunden. Lonza ist technologisch sehr stark und relativ breit abgestützt. Trotz teilweiser Rücksetzer kommt der Aktienkurs auf eine Fünf-Jahres-Performance von 330 Prozent.

Valora

Sollte der Bundesrat die geltende Homeoffice-Empfehlung zu einer Pflicht ausweiten, wäre dies schlecht für Valora. Eine 2G-Regelung dagegen würde mehr Pendlerverkehr erlauben.

Auf jeden Fall dürfte es interessant sein, zu beobachten, wie viele Menschen in den nächsten Wochen Züge, S-Bahnen und Trams benutzen. Die Mobilitäts-Level sind jedenfalls derzeit höher als vor einem Jahr, wohl auch deswegen, weil viele Menschen inzwischen geimpft sind oder gar einen Booster erhalten haben.

Die Valora-Aktie in den vergangenen zwölf Monaten.

Valora ist klar eine extrem Shutdown-anfällige Aktie, und die Gefahr erneuerter Schliessungen wegen Corona ist sehr real. Homeoffice dürfte den Blick auf Valora aber gerade übermässig trüben: Operativ geht es Valora mit ansprechenden Margen und Cashflows gut. Von einer Aussicht auf Erholung und ein Zurückfahren der Restriktionen, und kommen diese erst im Frühsommer, dürfte der Handelskonzern auf jeden Fall profitieren.

Volkswagen

Die VW-Aktie hatte ein sehr gutes erstes Halbjahr. Mindestens bis April. Was den Kurs der im deutschen Leitindex enthaltene Vorzugsaktie (VOW3, kein Stimmrecht, aber Dividenden-Bevorzugung) auf ein Sechsjahres-Hoch bei 245 Euro trieb, war unter anderem die Elektroauto-Offensive des Konzerns.

Die VW-Vorzugsaktie seit Anfang 2021.

Seit Mitte Jahr hat sich diese Euphorie allerdings gelegt. VW, wegen einer grossen Zahl von E-Modellen manchmal als "Tesla-Jäger" bezeichnet, hat 2021 Konkurrenz durch andere traditionelle Hersteller bekommen, die jetzt Elektroautos aus ihren Fabriken rollen lassen. Die globalen Chip-Lieferengpässe führten zu teilweisen Werkschliessungen und jüngst auch einer reduzierten Absatzprognose für die wichtigen ID-Modelle – das sind die Elektroautos der Marke VW – in China. Der Kurs ist inzwischen auf 166 Euro gefallen.

Aber solche Probleme müssen nicht von Dauer sein. Die Erwartungen gehen dahin, dass die Lieferketten-Probleme Mitte 2022 behoben sind. Auch weitere Corona-Wellen müssen diese Perspektive nicht zum Einsturz bringen.