Die Aufmerksamkeit rund um den Börsengang von Stadler Rail ist sehr gross. Doch auch kritische Stimmen sind vermehrt zu hören. Dazu gehören die Leserinnen und Leser von cash. In einer Umfrage mit dem Titel "Kaufen Sie Stadler-Aktien?" sagen 32 Prozent von fast 5000 Umfrage-Teilnehmenden kategorisch, sie würden die Aktie des Zugbauers nicht kaufen. Fast die Hälfte der 4500 Abstimmenden haben vor, abzuwarten und zu schauen, wie sich der Aktienkurs entwickelt.

Kritisch sind auch die Voten in den Kommentarspalten von cash. So schreibt ein User: "Mein Tipp: Abwarten und Zug fahren", ein anderer prognostiziert gar das nächste "IPO-Desaster". Dennoch ist der Run auf Stadler so gross, dass es viel zu wenige Aktien gibt, um die Nachfrage zu bedienen. "So wie man hört, waren die Bücher am ersten Tag schon nach zwei Stunden gedeckt", sagte ein Händler zu AWP.

Grossbanken bekommen den Vortritt

Am vergangenen Freitag machte Stadler seine Börsenpläne konkret: Angesichts der festgelegten Preisspanne von 33 bis 41 Franken je Aktie würde sich ein Börsenwert von 3,3 bis 4,1 Milliarden Franken ergeben. Die grosse Nachfrage bedeutet nun, dass die Preisspanne wohl am oberen Ende eingeengt wird und auch der Ausgabepreis hoch sein wird. Und für Privatanleger bedeutet das: Sie dürften leer ausgehen.

Marktbeobachter gehen davon aus, dass die beiden beim Börsengang federführenden Grossbanken Credit Suisse und UBS mindestens 80 Prozent der Stadler-Aktien bekommen werden. 35 Millionen Aktien kommen aus dem direkten und indirekten Besitz von Verwaltungsratspräsident Peter Spuhler, den federführenden Banken sei zudem eine Mehrzuteilungsoption von bis zu 5,25 Millionen Aktien eingeräumt worden, teilte Stadler mit. Ist ein Börsengang überzeichnet, erhält jeder Aktionär nur einen Teil – im Fall von Stadler einen Bruchteil – seiner nachgefragten Titel. Wie die NZZ schreibt, erhalten Investoren somit nur einen einstelligen Prozentsatz der gewünschten Aktienanzahl.

Während sich also das Auftragsbuch fast von allein mit Kaufofferten gefüllt hat, stellt sich die Frage nach den längerfristigen Perspektiven für die Schweizer Zug-Aktie. Ein Insider, der das Stadler-Management kürzlich traf, lobt die hohe Visibilität dank der guten Auftragslage, wie er gegenüber cash.ch verrät. Auch sei offensichtlich geworden, dass relativ wenig Risiken von der chinesischen Konkurrenz zu erwarten seien. Positiv erwähnt wird zudem, dass Patron Peter Spuhler seinen Managementkollegen offenbar mehr Platz lässt als angenommen. Spuhlers Macht wird immer wieder als Klumpenrisiko bezeichnet.

Hohe Volatilität

Umsatzstärkster Zugbauer der Welt ist die chinesische CRRC. Sie führt einen Verdrängungskampf an, der die Zahl der Zuganbieter in den letzten zwei Jahrzehnten von 200 auf 20 sinken liess. Der Börsengang bietet Stadler mehr Flexibilität, um mit zusätzlichem Kapital Übernahmen zu stemmen und so die Marktstellung zu festigen oder zu verbessern. Wachstumspotenzial hat Stadler zudem in der Signaltechnik. Gut vorstellbar, dass die Börsenkotierung für einen Zukauf in diesem Bereich genutzt wird. Dies wäre über eine Kapitalerhöhung oder die Ausgabe einer Anleihe möglich.

Der Insider, der anonym bleiben möchte, sagt aber auch: "Ich verstehe skeptische Anleger. Die Grossindustrie birgt Risiken." Er meint damit die grosse Abhängigkeit von Grossaufträgen und somit die Volatilität beim Umsatz. "Diese Schwankungen sind auch beim Aktienkurs zu erwarten."

Gemeinhin wird der Stadler-Aktie auch nach dem Börsengang eine grosse Nachfrage zugetraut. Beobachter halten aber nach heutigem Informationsstand Kurse weit über 45 Franken für nicht nachhaltig.

In dieses Bild passt die Meinung der VP Bank. Ihren Berechnungen zufolge wäre eine Börsenkapitalisierung zwischen 2 und 2,5 Milliarden Franken für den Zughersteller angemessen (cash berichtete). Die Liechtensteiner Privatbank bleibt bei IPO im ohnehin hoch bewerteten Schweizer Industriesegment eher zurückhaltend. Gleiches ist auch Privatanlegern zu empfehlen. Der "Investment Case" Stadler Rail wird erst nach der Publikumsöffnung ersichtlich. Dann ist auch mit Research zu rechnen, das nicht von involvierten Banken stammt.