Am Donnerstag kapitulierten die globalen Kapitalmärkte vor dem Virus und seinen wirtschaftlichen Folgen. Tagesverluste von zehn Prozent und mehr hatte man nicht mal in der Finanzkrise 2008 gesehen. Beängstigend ist, dass nicht nur Aktien im freien Fall waren, sondern auch Gold, das oft eine Funktion als sicherer Hafen in Krisen hat. Kryptowährungen wurden ebenfalls massiv verkauft.
Diese breite Verkaufswelle über alle Anlageformen ist beängstigend. Denn wer verkauft in solcher Hast? Sind es Anleger, die dringend Geld brauchen, die verkaufen müssen? Wahrscheinlich ja.
Soeben ging über ein Jahrzehnt Hausse zu Ende. Seit Frühling 2009 waren die Kurse gestiegen. In dieser Zeit konnte gut verdienen, wer seine Aktieninvestitionen belehnte – und damit noch mehr Aktien kaufte. Das wird Lombardkredit genannt.
Jahrelang ging es gut
Klassischerweise können Aktienportfolios mit 60 Prozent belehnt werden: Wer also für 10'000 Franken Aktien hält, bekommt einen Kredit von noch einmal 6000 Franken – mit dem er wieder Aktien kauft. Wenn es nach oben geht, verdient er so mehr.
Das ging jahrelang sehr gut. Die Kunden freuten sich an mehr Gewinnen, die Banker an mehr Kapital und dem Zins, den sie für die Lombardkredite verrechnen konnten.
Gemäss Statistik der Schweizerischen Nationalbank stiegen die gedeckten Kredite an Kunden (ohne Hypotheken) vom Jahr 2009 bis zum Jahr 2019 von 261 auf 359 Milliarden Franken; im Inland wuchsen sie von 56 auf 72 Milliarden Franken. Ein überwiegender Teil des Anstiegs dürften Lombardkredite sein.
Mal beide glücklich, mal beide unglücklich
Es ist ein offenes Geheimnis, dass insbesondere Julius Bär unter dem damaligen Chef Boris Collardi und die Credit Suisse unter Iqbal Khan das Lombardkreditgeschäft forcierten. Bei Julius Bär wuchs das Volumen an vergebenen Lombardkrediten im Jahr 2017 um gut einen Viertel auf knapp 37 Milliarden Franken an. Auch die UBS machte mit, sie hat über 70 Milliarden Lombardkredite ausstehend. Die Grossbank forcierte zuletzt das Geschäft noch und pries die Lombardkredite noch Anfang März an – wegen des tiefen Zinsniveaus.
Während die Lombardkredite in der Hausse alle glücklich machen, Kunden wie Banker, ist es in der Baisse genau umgekehrt. Wenn die Kurse so rasant fallen, erhalten die Kunden bald einen Anruf von der Bank: Man solle doch bitte Geld nachzahlen. Wer die Mittel dazu nicht hat, muss verkaufen. Und das nach einem Crash.
Erschwerend kommt hinzu, dass Banken auch noch die Belehnungsgrenzen senken dürften. Denn mit der gestiegenen Volatilität – der höheren Kursschwankungen von Aktien – steigt auch das Risiko. Also wird die Belehnungsgrenze von 60 Prozent runtergefahren. Das löst wieder Verkäufe aus. Wer auf Pump spekuliert hat, ist jetzt im Dilemma.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf HZ.ch unter dem Titel: «Anleger in der Falle: Milliarden auf Pump verspekuliert».